Rede von
Dr.
Gisela
Babel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Brauchen wir eine Enquete-Kommission zur Neugestaltung der Arbeit? Herr Ostertag meinte nein, er bräuchte eher Arbeitsplätze. Ausnahmsweise stimme ich dem Kollegen Ostertag zu.
Enquete-Kommissionen sind natürlich Möglichkeiten des Parlaments, sich Fragen langfristig, gründlich, unter Hinzuziehung all dessen, was an Geist, Witz und Einsicht in diesem Staat und in dieser Gesellschaft versammelt ist, zu widmen. Eine EnqueteKommission einzusetzen, heißt, ein hohes Maß an Betroffenheit und an Engagement zu zeigen. Die Fülle der intelligenten Fragen, Frau Beck, die Sie gestellt haben, sind natürlich alle außerordentlich erforschungswürdig.
Nur frage ich mich, wieso Ihr Antrag zwei merkwürdige Auslassungen hat. Wenn man ihn liest, hat man den Eindruck, Arbeit sei ein Vertragsverhältnis zwischen dem Staat und dem Arbeitnehmer. Eine Figur kommt in Ihrem Antrag nicht vor - das ist fast ein Kunststück -: Das ist der Arbeitgeber. Es kommt kein Unternehmer und kein Handwerker vor, es kommt keiner vor, der Arbeit anbietet oder macht.
Sie sind alle nicht vorhanden.
Wir gestalten die Arbeit mit grünen Ideen einfach abstrakt über die Betriebe hinweg. Dann wird sich das schon alles wundervoll fügen.
Das zweite, das Sie ausgelassen haben, sind die Tarifvertragsparteien. Die sind nach unserer Verfassung diejenigen, die sich über Bedingungen von Arbeit, Lohn und Freizeit zu einigen haben. Nach unserer Verfassung ist das in erster Linie deren Aufgabe. Davon ist überhaupt nicht die Rede. Nein, das ist eine wundervolle und tiefgründige Aufgabe, die der Staat übernehmen soll.
In dieses Bild paßt sehr gut, daß der Herr Fraktionsvorsitzende der Grünen, Herr Fischer, nun auch ganz offen von einem gesetzlichen Verbot von Überstunden geredet hat, wenn die Tarifparteien nicht zu einer Einigung finden. Es war kein Wort davon, daß Überstunden oft die einzige Möglichkeit sind, kranke Mitarbeiter oder kurzfristige Nachfragespitzen auszugleichen,
kein Wort davon, daß dies allein Sache der Tarifpartner ist.
Wahrscheinlich sind Sie der Auffassung, daß der Gesetzgeber auch die Löhne nach seinen Maßstäben festlegen sollte - so etwas Ähnliches war auch schon bei der Entsenderichtlinie zu hören -, wenn sich die Tarifpartner nicht in einer angemessenen Frist einigen.
Bei der wöchentlichen Arbeitszeit - da sind Sie ja ganz vorne - wollen die Grünen Tarifvertragsparteien ersetzen und schlugen auf ihrer letzten Delegiertenversammlung vor, daß durch die Bank 30 Stunden pro Woche gearbeitet werden soll, nicht mehr - das kann man verstehen -, aber auch nicht weniger. Das wird sich auch noch ändern. Auch hier gibt es die staatliche, grüne Ersatzvornahme.
Selbst die Gewerkschaft hat hinsichtlich einer weiteren Arbeitszeitverkürzung einen Umdenkungsprozeß eingeleitet. Die IG Metall hat sich die 30-Stunden-Woche bewußt und nach reiflicher Überlegung nicht auf die Fahnen geschrieben. Mit nur etwas mehr als 1 500 Stunden pro Jahr leisten die Industriearbeiter in Deutschland schon heute die geringste Jahresarbeitszeit weltweit.
Dies ist auch eine der Ursachen dafür, daß Tag für Tag Arbeitsplätze ins unmittelbar benachbarte Ausland verlagert werden; denn dort wird mehr gearbeitet. Sie können nicht immer so tun, als sei die deutsche Arbeitnehmerschaft eine isolierte Experimentiergruppe in einem sozialwissenschaftlichen Labor.
Ihr Antrag ist ein Beleg dafür, daß die Realität der Arbeitswelt, des Marktes und des Wettbewerbs in der Gedankenwelt der Grünen überhaupt keinen Platz findet.
Die Wirkungen Ihrer Politik auf Unternehmen und Arbeitsplätze werden von Ihnen nicht hinterfragt. Allein die Sprache ist entlarvend. Fragen Sie doch einmal einen kleinen oder mittelständischen Betrieb im Sauerland oder im Westerland, welche Möglichkeit er hat, in einem harten und weltweiten Wettbewerb
Dr. Gisela Babel
zu bestehen, und sagen Sie ihm doch einmal folgenden Satz:
Wir wollen Modelle entwickeln,
die sich an den Eckpunkten Demokratie im Betrieb, ökologisch orientierte Mitbestimmung, Gleichberechtigung der Geschlechter im Erwerbsleben, neue betriebliche Arbeitszeitmodelle und Beschäftigungsformen orientieren.
Dann werden Sie gefragt werden, was die Grünen eigentlich in diesem Parlament tun.
Und dann wollen Sie uns alle mit einer EnqueteKommission noch mit in diesen Dialog zwingen! Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie haben ein Einsehen mit uns, daß wir uns dieser Zumutung verschließen wollen.
Wir wollen nicht in einer Enquete-Kommission verschlissen werden, sondern wir wollen Gesetze machen und Haushaltsentschlüsse treffen, mit denen wir dafür sorgen, daß die Rahmenbedingungen für die Entstehung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in Deutschland verbessert werden.
Ich bedanke mich.