Rede von
Prof. Dr.
Peter
Glotz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schauerte hat einige berechtigte Fragen gestellt.
Ich möchte zuerst zu dem Thema „Bund und Länder" etwas sagen. In der Tat reden wir im Rundfunkstaatsvertrag noch über die „Veranstaltung und Verbreitung einer Darbietung in Wort, Ton und Bild unter Benutzung elektrischer Schwingungen" . Damit haben wir noch eine Regelung, die technisch eigentlich überholt ist. Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, daß es auf die Dauer keinen Sinn macht, zu 15 Medienanstalten gehen zu müssen, um etwa eine Genehmigung für Teleshopping zu bekommen. Deshalb müssen wir zu einem Ergebnis kommen.
Zu einem solchen Ergebnis kommt man allerdings nur durch vernüftige Verhandlungen mit den Ländern - vielleicht sogar zu dem Ergebnis einer Gemeinschaftsaufgabe durch eine Verfassungsänderung. Ich weiß es nicht. Jedenfalls erreicht man das nur durch vernünftige Verhandlungen und nicht durch gegenseitige Beschimpfungen.
Damit kommt man nicht zu einem Ergebnis. Herr Kollege Schauerte, lassen Sie uns mit den ollen Kamellen aufhören. Natürlich hat es in den 70er Jahren SPD-Äußerungen zu Medien gegeben, die Sie mir vorhalten können; auch ich kann irgend etwas finden, was ich Ihnen vorhalten kann. Aber die Wirtschaft hat es endgültig satt, daß sich die Parteien gegenseitig Vorwürfe aus der Vergangenheit machen. Sie will, daß jetzt etwas passiert und jetzt etwas geregelt wird.
Dr. Peter Glotz
- Wenn das hervorragend ist, dann kann ich nur sagen, lieber Herr Laermann: Sie haben ja recht, vieles ist im Geschäftsgang. Sorgen Sie endlich einmal dafür, daß es aus dem Geschäftsgang herauskommt und in die Wirklichkeit transplantiert wird. Das ist doch entscheidend.
Auch mir haben die Vorstellung und die Rede der Kollegin Yzer - Herr Dregger hat immer freundlichväterlich geschmunzelt - Vergnügen bereitet. Aber es gab auch Teile, in denen sie so richtig Klassenkampf im Armani-Schal betrieben hat. Lüdenscheider Hinterzimmer! Als ob die SPD nicht begriffen hätte, daß Unternehmen Gewinne machen müssen! Das ist wirklich dummes Zeug.
Riskieren wir doch einmal einen konkreten Vorschlag. In Deutschland wird viel über die Änderung des Erbschaftsrechts diskutiert. Dabei geht es, wie Sie wissen, bei einigen um gewaltige Beträge. Warum lassen Sie den Erben nicht die Möglichkeit, sich ein Stück vor dem Fiskus zu drücken, wenn sie einen Teil des Erbes in junge Technologiefirmen investieren? Warum entlassen wir junge Technologiefirmen nicht nach israelischem Muster für eine begrenzte Zeit aus der Körperschaftsteuer? Warum senken wir nicht die Steuer auf Veräußerungsgewinne von institutionellen Anlegern, die geduldig über einen längeren Zeitraum in junge Technologiefirmen investiert haben?
Ich kenne die Argumente der Experten genauso wie Sie. Ich vermute, unsere Haushaltsleute werden dann auf allen Seiten Bedenken erheben. Ich glaube, die Deckung, die die Haushaltsleute zu Recht anmahnen, liegt in den Wachstumschancen für künftige Steuerzahler. Es wird allmählich Zeit für die Erkenntnis, daß niemand Steuern von Unternehmen erwarten kann, die es gar nicht gibt, weil ihnen unser Steuersystem keine Chance läßt.
Wenn das so ist, dann können Sie nicht sagen: Die SPD, die SPD, die Opposition! Ich bedauere es ja, aber Sie sind doch inzwischen fast 14 Jahre an der Regierung. Sehen Sie also, Herr Kollege Laermann, zu, daß es aus dem Geschäftsgang herauskommt und daß etwa zu den steuerlichen Lösungen ein Vorschlag auf den Tisch kommt. Wenn die SPD den dann ablehnt, dann prügeln Sie uns. Aber machen Sie die entsprechenden Vorschläge! Daß wir die gemeinsame Rhetorik haben, hilft uns nicht mehr weiter. Wir müssen jetzt zu Handlungen kommen, sonst geht dieser Staat mit seiner Wirtschaft langsam nach unten.
Ich habe gestern wie Herr Rüttgers die Eröffnung der Cebit miterlebt. Der Tatbestand ist allen Leuten klar: Serien von Studien aus den letzten Jahren zeigen, daß wir in Deutschland in zunehmendem Maße von den technischen Errungenschaften der Vergangenheit leben. Diese sind in Wirtschaftszweigen enthalten, die etabliert sind und typischerweise jährliche Umsatzwachstumsraten haben, die kleiner als zehn Prozent sind, Herr Kollege Kiper. Junge Hochtechnologien etwa auf der Basis der Mikroelektronik haben typischerweise jährliche Umsatzwachstumsraten von 30 Prozent. Diese sind in Deutschland im internationalen Vergleich schwach vertreten.
Wie die Lage, mit der wir uns nicht abfinden dürfen, ist, hat Hans Weinerth, der Chef von Sican, einer der besten Kenner der Mikroelektronik in Deutschland, gestern in einer großen Rede gesagt. Ich zitiere wörtlich:
Deutschland hat ausgesprochen schlechte Ausgangsbedingungen für Firmengründungen. Dies ist seit Jahren wohlbekannt. Alle bisherigen Lösungsansätze waren aber nicht durchschlagend. Schon die Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel behindert häufig das Entstehen von Unternehmen.
Das ist die Situation. Die müssen wir gemeinsam ändern, sonst werden wir alle miteinander unglaubwürdig, meine Damen und Herren.
Jetzt sage ich zum Schluß: Dazu gehören auch ein Stück symbolische Politik und Einsatz von oben. Daß Herr Rexrodt kein Mittelstürmer ist - er ist gerade gegangen; er hat uns das vorher gesagt -, ist bekannt. Leider ist der Herr Kollege Rüttgers zu konfliktscheu, zu schmierseifenhaft glatt und zu pflegeleicht.
Man kann in der jetzigen Situation nur mit Konflikten weiterkommen.
In den Vereinigten Staaten haben vor wenigen Tagen Clinton und Gore gemeinsam eine Aktion - wie „Schulen ans Netz' - betrieben und symbolisch eröffnet. Der Präsident und der Vizepräsident haben es gemeinsam getan. Da müßte auch bei uns, meine Damen und Herren, von der Spitze der Regierung die entsprechende Vermittlungskompetenz der Regierung gegenüber der Wirtschaft eingesetzt werden. Aber der Bundeskanzler ist eher ein Symbol des erdenschweren Status quo, als daß er etwas in Bewegung setzt.
Helmut Kohl symbolisiert auf vitale Weise die Stabilität, aber er symbolisiert den Stillstand und nicht das Weitergehen. Wenn Sie das nicht ändern, dann werden wir die 16 Gesetze, die wir gemeinsam ändern müssen, und die vielen Bedenken der Haushaltsexperten nicht wegwischen. Wenn wir es nicht wegwischen, dann werden wir auch das Problem der Arbeitslosigkeit mit schon 4,3 Millionen registrierten Arbeitslosen nicht bewältigen, und dann versagt dieser Bundestag. Wir sollten gemeinsam schauen, daß wir nicht versagen, meine Damen und Herren.