Rede von
Ernst
Schwanhold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir fällt bei der Staatssekretärin Yzer ein Zitat von Thomas Mann ein: Wenn du in die eigene Tasche greifst, stellst du fest, daß die öffentliche Hand schon drin gewesen ist. Und die öffentliche Hand sitzt da!
- Thomas Mann hat diesen Ausspruch vermutlich im Vorgriff auf Ihre segensreiche Tätigkeit als Koalition getan.
Die Kollegin Yzer stellt sich hierher und sagt, dies sei alles nicht so problematisch; man habe alles in die Wege geleitet; man sei auf dem besten Wege; alles, was die SPD geschrieben habe - Risikokapital und solche Dinge -, habe man längst auf die Strecke gebracht. Frau Yzer, Sie müssen sich einmal ein paar Tage lang die Mühe machen, mit dem einen oder anderen Unternehmer zu reden, der sich von diesem Standort verabschiedet und einen anderen Standort sucht. Der wird Ihnen als allererstes sagen: Ich habe die Nase voll von den Sprüchen, die hier gemacht werden. Es wird nicht gehandelt. Ich habe das Vertrauen in diese Regierung verloren. Deswegen gehe ich woandershin.
Das habe ich gestern beim DIHT gehört. Wenn der Kollege Doss da wäre, dann könnte er das bestätigen. Das habe ich abends bei der IHK in Köln gehört. Überall an der gleichen Stelle die gleichen Aussagen! Da können Sie auch mit dem Verband der Chemischen Industrie reden. Die Leute da regen sich wirklich nicht über Ökosteuer auf, sondern die regen sich darüber auf, daß sie hier kaum Chancen für neue Produkte, für neue Investitionen bekommen.
Ernst Schwanhold
Sie reden über die Informationstechnologie. Ich werde Ihnen einen anderen Punkt nennen, weil Sie glauben, die Informationstechnologie sei der eigentliche Weg, um Arbeitsplätze zu schaffen. - Wer den Brundtland-Bericht richtig gelesen hat und wer sich auch die Firmenphilosophien, deren sich die Firmen bedienen, einmal verinnerlicht hat, der kann das Stichwort von der nachhaltigen zukunftsverträglichen Art des Wirtschaftens nicht vergessen.
Wenn wir uns die chemische Industrie als eine relativ solide in diesem Lande anschauen, stellen wir fest: Wir müssen nach einer neuen Basis für die chemische Industrie suchen. Dies wird in aller Regel auf dem Gebiet der enzymatischen Produktion und des enzymatischen Abbaus dieser Produkte nach der Nutzung möglich sein.
Da liegt die Verbindung zwischen Produktion, Ressourcenschonung, Energieschonung und Umwelt evident auf dem Tisch. Sie haben in Ihrem Etat - wenn ich das richtig gesehen habe - nicht eine müde Mark dafür ausgewiesen.
Sie haben noch nicht einmal das Programm der nachhaltig zukunftsverträglichen Art des Wirtschaftens für die chemische Industrie durchbuchstabiert. Dies ist nicht etwas, was nur mit Gentechnologie und großer Eindringtiefe zu tun hat, sondern diese Enzyme sind in freier Umwelt überhaupt nicht lebensfähig, sondern können nur in geschlossenen Systemen produzieren und nur in geschlossenen Systemen abbauen. Da werden nicht Grenzen überschritten, um die wir erst mühsam ringen müßten, die es uns auch mit der Akzeptanz bei der Bevölkerung so schwer machen. Dies ist eine neue Basis einer neuen Technologie. Das haben Sie überhaupt nicht erkannt. Statt dessen kommen Sie mit Sprüchen wie: Wir machen dieses, oder wir machen jenes.
Ich will Ihnen einfach einmal sagen: Dies ist über und über in den Köpfen der Unternehmer und insbesondere auch in den Köpfen der jungen Menschen, die sagen: Mit dieser Regierung und mit diesem Staat bekommt man die Ideen, die man hat, nicht verwirklicht.
Bei uns bleiben jene 70 oder 80 Prozent der Hochschulabgänger, die am liebsten in den öffentlichen Dienst hineingehen. Jene, die risikobereit sind, und jene, die neue Wege gehen wollen, bekommen nicht die Chance geboten. Die gehen woandershin - nicht deshalb, weil die Hochschulen hier schlechter sind oder weil die Unternehmen hier schlechter sind, sondern deshalb, weil sie einfach kein Vertrauen darin haben, daß sie diesen Weg - bei aller Notwendigkeit des Einziehens von Grenzen - ein Stück gehen können.
Ich will Ihnen einen zweiten Punkt sagen. Sie reden von Risikokapital, von venture capital. Ich habe manchmal den Eindruck: Sie wissen gar nicht, wovon Sie reden. Im Grunde reden Sie von Krediten, die sofort nach der Kreditgewährung zurückgezahlt werden müssen und verzinst werden müssen. Genau dies ist die Phase, in der junge Technologieunternehmen eigentlich nicht in der Lage sind, Kredite zu verzinsen und zurückzuzahlen, weil sie schon den nächsten Kapitalschub brauchen, um in der Wachstumsphase dann auch tatsächlich am Markt Platz finden zu können.
Das ist eine andere Art des Kapitals, das man anlocken muß. Dies wird man nicht nur mit öffentlichen Mitteln machen können. Man müßte aber den Rahmen dafür schaffen, daß privates Kapital, das in ausreichendem Maße vorhanden ist, in diese Art der Finanzierung gelenkt wird. Da sind steuerliche Anreize hilfreich.
Herr Minister Rexrodt, ich widerspreche Ihnen. Natürlich kosten Steuervergünstigungen Geld. Das ist durch die Ticker gegangen. Das war so eine Äußerung wie: Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt. Sie sind eben immer für ein Bonmot gut, auch wenn es falsch ist.
Man muß diese Art der Finanzierung viel mehr ins Visier nehmen. Man muß von Investitionen in Beton und Boden umdenken in Investitionen in Technologie, Köpfe und Risikokapital, welches als Eigenkapitalersatz in den Jahren des Wachstums ohne Verzinsung bereitgestellt werden muß. Wenn dieses Kapital an der Börse oder wo auch immer erlöst wird, Muß natürlich auch ein Anreiz vorhanden sein. Es muß sich auch rentieren. Hierzu ist eine veränderte steuerliche Rahmensetzung erforderlich. Das hat nichts mit Eigenkapitalhilfeprogrammen und anderen Dingen zu tun, die notwendig sind und die Sie erst vor wenigen Jahren abgebaut und auf unseren Druck hin wieder aufgebaut haben. Ich finde, auch dies sollten Sie der Ehrlichkeit halber einmal eingestehen. Risikokapital ist also wichtig.
Warum denken Sie nicht, wie dies in anderen Ländern geschieht, zum Beispiel in Amerika, auch über die Null-DM-Aktie nach, mit der nur auf eine gute Idee hin Kapital gesammelt wird? Dies geht mit Ihrer Philosophie, daß man eine möglichst große Börse in Frankfurt braucht, aber nicht. Nein, da müssen Börsen auch in regionalen Bezügen arbeiten, und da brauchen wir eine Stärkung der regionalen Börsen. Ich finde, das gehört zusammen und muß miteinander verknüpft werden. Wenn Sie diese Verknüpfung nicht leisten und diesem Problem nur mit schnoddrigen Antworten gerecht werden wollen, dann, finde ich, treffen manche Leute die richtige Entscheidung: entweder anders zu wählen oder in ein anderes Land zu gehen. Ich kann nur appellieren, anders zu wählen.