Rede von
Cornelia
Yzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir angesichts einiger Zwischenrufe aus der Opposition die Bemerkung: Herr Bundesminister Rüttgers kann heute an dieser Debatte wegen eines Trauerfalls in der Familie nicht teilnehmen. Ich möchte Sie sehr herzlich um Verständnis bitten.
Meine Damen und Herren, Wettbewerbe gewinnt bekanntlich nicht der, der liebevoll seine Schwäche pflegt. Gewinner kann nur sein, wer sich seiner Stärken bewußt ist und sie auch nutzt. Wir haben in der Tat alle Chancen, den Innovationswettbewerb der Zukunft erfolgreich zu gestalten. Im Jahr 1995 haben Bund, Länder und Wirtschaft insgesamt 81 Milliarden DM für Forschung und Entwicklung aufgewandt. Der Anteil von Industrien mit überdurchschnittlich viel Forschung und Entwicklung ist in Deutschland mit einem Anteil von 13,5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt größer als in den USA und auf gleichem Niveau wie in Japan. In manchen Wachstumsindustrien bestehen zugegebenermaßen Defizite; deutsche Unternehmen besetzen aber auf Märkten für höherwertige Technologien dynamische Hochpreissegmente.
Das Systemprodukt Auto zum Beispiel ist ohne Einsatz von Spitzenelektronik und Mikrotechnik nicht denkbar. Auch dank der Forschungspolitik der Bundesregierung verfügen wir über herausragende wissenschaftlich-technische Grundlagen für die Technologien des 21. Jahrhunderts.
Meine Damen und Herren, es fehlt also nicht an Ideen und Know-how. Wir müssen aber unsere Potentiale für neue Märkte und Arbeitsplätze in der Tat besser nutzen. Deshalb werden wir mit innovativen Konzepten Technologiepolitik zur Innovationspolitik erweitern.
Beispiel 1: Deutschland ist, gemessen an seinen Patentanmeldungen, mit weitem Abstand der drittgrößte Technologieproduzent der Welt. Aber wir müssen diese Basis ausbauen und werden daher in Kürze eine Patentinitiative starten.
Beispiel 2: Junge Technologieunternehmen sind Katalysatoren bei der Entstehung neuer Märkte. Ob wir die Chancen von Multimedia oder Biotechnologie nutzen können, hängt nicht von wenigen Großunternehmen ab, sondern von der Gründungsdynamik in neuen Feldern.
Wer Ideen, Kompetenz und die Bereitschaft zum unternehmerischen Risiko hat, darf in Deutschland nicht an fehlendem Kapital scheitern.
Der fehlende Zugang zu Fremdkapital für Sprunginnovationen ist für kleine und mittlere Unternehmen bislang ein zentrales Innovationshemmnis. Viele Banken scheuen das Risiko, weil sie auch die technologische Seite nicht bewerten können. Deshalb haben wir mit dem Innovationsdarlehensprogramm einen neuen Typ der Innovationsförderung geschaffen. Nachdem die Notifizierung durch die Europäische Union erfolgt ist, wird jetzt 1 Milliarde DM an Innovationsdarlehen bereitgestellt werden.
Als ebenso problematisch erweist sich das Fehlen eines leistungsfähigen Beteiligungskapitalmarktes. Hierin liegt eine Bremse für Wachstum und Beschäftigung. Wir haben bereits im letzten Jahr das Programm „Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen" aufgelegt.
170 Millionen DM Beteiligungskapital wurden bereits im vergangenen Jahr bewegt, davon im übrigen 30 Millionen DM aus dem Ausland. Dieses Programm zeigt: Es ist ein großes Potential vorhanden. Es gibt hier eine exponentielle Entwicklung, wobei allerdings eines richtig ist: Mit Förderprogrammen kann die Bundesregierung die Chancen junger Technologieunternehmen nur demonstrieren. Sie kann auch eine beachtliche Zahl von Unternehmen errei-
Parl. Staatssekretärin Cornelia Yzer
chen - insgesamt rund 1 000 in den vergangenen zehn Jahren. Aber wir brauchen eine Steigerung der Gründungszahlen bei Technologieunternehmen mindestens um den Faktor 10. Deshalb wollen wir den Venture-capital-Prozeß in Deutschland attraktiver gestalten. Wir brauchen verbesserte Rahmenbedingungen.
Kapitalreserven sind genügend vorhanden. Allein 4 Billionen DM liegen in Deutschland auf der hohen Kante. 21 Prozent der Ersparnisse fließen in Lebensversicherungen. Bis zu 35 Prozent könnten in Risikokapital angelegt werden. Diese Marge wird bislang nicht ausgeschöpft.
Warum machen wir es nicht wie andere Länder,
die Pensionsrückstellungen als größte Kapitalsammelstelle nutzen? Auch in Deutschland gibt es Pensionsrückstellungen, die sich auf über 300 Milliarden DM belaufen.
- Warum, das sage ich Ihnen, Herr Glotz: Da muß man natürlich auch gönnen können. Da muß man den Anlegern auch sagen, daß sie verdienen können. Zu diesem Gönnen sind doch Sozialdemokraten bislang nicht fähig gewesen.
Wir brauchen spezialisiertes Technologie-Knowhow für Beteiligungsgesellschaften, für Kreditinstitute. Das müssen wir zur Verfügung stellen, um eine bessere Entscheidungsbasis zu ermöglichen. Wir initiieren Kooperationen, die wir inzwischen eingegangen sind, beispielsweise die Fraunhofer-Gesellschaft mit dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband und der Deutschen Bank. Das ist der Ansatz.
Ich freue mich auch, wenn die SPD heute die Bereitschaft zeigt, in einen Wettstreit um das beste Konzept für mehr Risikokapital mit uns einzutreten.
Ein Ideenwettbewerb um das beste Konzept ist nie verboten. Aber eines sage ich Ihnen: Es muß um die Verbesserung der Kapitalmarktstrukturen gehen, die Sie nicht in dem erforderlichen Ausmaße vorschlagen. Bei Ihnen finde ich vielmehr Zulagenmodelle. Wer angesichts knapper Kassen und internationaler Konkurrenz von den Finanzmärkten meint, daß aufwendig verwaltete Zulagenmodelle Modelle der Zukunft sind, der hat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt.
- Ich habe die heutige Debatte verfolgt. Wenn ich aus Ihrem Mund, meine Damen und Herren von der Opposition, höre, eine neue Existenzgründungswelle muß entfacht werden, kann ich Ihnen nur sagen: Diese Forderung klingt aus Ihrem Mund hohl,
weil Ihr Bekenntnis zu unternehmerischer Leistung fehlt.
Wer hohe persönliche Risiken eingeht und für zwei schuftet
- von Ihnen zum Beispiel -, wer für drei oder mehr Leute Arbeitsplätze schafft, der hat auch ein Anrecht auf hohe Anerkennung und darauf, daß sich seine Leistung lohnt. Die Neiddiskussion, die Sie immer wieder als Sozialdemokraten entfacht haben, hat manches in diesem Land blockiert.
Ich nenne Ihnen ein weiteres Beispiel aus Ihrem Antrag. Wir müssen künftig entlasten statt belasten. Ich darf nicht mit einer Hand etwas geben und es mit der anderen wieder nehmen. Sie sagen, wir müssen die Arbeitskosten entlasten. Ja, das ist richtig, aber wir können nicht zur gleichen Zeit eine Ökosteuer einführen, die innovationshemmend sein wird. Glauben Sie eigentlich, eine Ökosteuer belastet nicht die betriebliche Kostenbilanz?
Nationen sind stark in Aktivitäten, die die Menschen bewundern und anerkennen. Wir brauchen ein anderes Klima für das Heranwachsen einer neuen Generation von Unternehmerpersönlichkeiten, und ich kann Sie nur herzlich bitten: Tragen Sie hierzu bei.
Wir setzen mit konkreten Maßnahmen an. Ein Beispiel dafür ist das Engagement für innovative Ausgründungen aus Forschungseinrichtungen und Hochschulen, das von uns stärker unterstützt wird. Ein zweites Beispiel: Wir wollen mehr Ausbildung zur Selbständigkeit bzw. Heranführung zur Selbständigkeit während der Ausbildung. Hierfür schlagen wir Pilotprojekte vor; allerdings brauchen wir dazu auch die Mitwirkung der Länder.
Das Meister-BAföG, das lange Zeit blockiert worden ist,
enthält auf Grund unseres Vorschlags eine Existenzgründungskomponente und ist deshalb eine wichtige Basis für Unternehmensgründungen.
Mit Spitzentechnologien wollen wir die Basis für technologische Leistungsfähigkeit im 21. Jahrhundert
Parl. Staatssekretärin Cornelia Yzer
legen. Es geht nicht nur um Gentechnik, nicht nur um Informations- und Kommunikationstechnik, sondern auch um Umwelttechnik, Lasertechnik, Plasmatechnik, Mikrosystemtechnik und neue Werkstofftechnologien. Ich könnte die Liste noch fortsetzen.
Sie, Herr Kiper, haben die Umwelttechnologien angesprochen. Sicher, wir hatten weltweit Platz 1 und sind auf Platz 2 zurückgefallen, aber man darf kein Grenzwertfetischist sein und den Leuten nicht auch noch den Weg zum Ziel im Detail vorgeben, sondern es muß Manövrierspielraum für die Unternehmen bleiben. Das bedeutet, produktionsintegrierten Umweltschutz, auf den wir bei unseren konkreten Fördermaßnahmen setzen.
- Wenn Sie etwas sagen wollen, dann melden Sie sich und stellen eine Frage. Aber die Antwort darauf wollen Sie hier nicht zu Protokoll gegeben wissen; wir kennen das doch.
Wir wollen Netzwerke bilden. Bio-Regio-Wettbewerb ist ein Stichwort; es ist ein überzeugendes Gesamtkonzept, bei dem wir Regionen auszeichnen, bei dem Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Verwaltungen Hand in Hand arbeiten. Wir haben damit eine Initialzündung regionaler Kooperation in der Biotechnologie entfacht.
Wir werden die Fähigkeiten zur Netzwerkbildung ins Zentrum von Reformen der institutionellen Forschungsförderung stellen. Viele Forschungseinrichtungen können und müssen eine erheblich größere Rolle als technologische Dienstleister übernehmen.