Rede von
Siegmar
Mosdorf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich muß zunächst sagen, daß ich es ein bißchen traurig finde, in welchem Stil und in welcher Art wir diese wichtige Debatte führen. Ich bedaure, daß erstens nur sehr wenige Abgeordnete da sind.
Daß zweitens der Forschungsminister selber nicht da ist, finde ich auch nicht gut. Ich glaube, das ist bemerkenswert.
- Er soll bei der Cebit sein.
- Entschuldigung, das wußte ich nicht.
Ich finde es auch nicht gut, daß, wenn ich einmal von meinem Kollegen Schwanhold, Herrn Riesenhuber und Herrn Schauerte absehe, obwohl das Thema wichtig ist - denn Innovation ist heute nicht nur Forschungsthema, sondern auch Wirtschaftsthema -, aus dem Wirtschaftsausschuß nur wenige Mitglieder da sind.
- Doch, der Bundeswirtschaftsminister ist persönlich da. Das ist doch schon die halbe Miete.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ganz wichtig, daß wir, wenn wir uns mit der Wirtschaftskrise, in der wir uns befinden, und mit ihrer Dramatik beschäftigen, erkennen, daß wir natürlich konjunkturelle Probleme haben, die sich auch eher weiter zuspitzen werden; das wird eine gefährliche Gratwanderung sein. Daß wir auch eine Kostenkrise haben, ist ebenfalls nicht zu bestreiten.
Aber wir stecken eben auch in einer Innovationskrise. Ich denke, wir stecken in Deutschland insgesamt in einer Buddenbrook-Krise, und die fängt in den Köpfen an. Wenn man sich das vergegenwärtigt, heißt es für die Wirtschaft, daß wir früher - wenn man mit Unternehmern und mit Managern spricht, merkt man das heute schon - eigentlich mehr Robert
Siegmar Mosdorf
Boschs oder Gottlieb Daimlers der ersten Generation hatten und heute mehr Buddenbrooks der vierten Generation haben. Das heißt, es wird zuwenig bewegt, es wird zuwenig schöpferisch Neues getan. Daran hängen natürlich Arbeitsplätze, und zwar auch neue Arbeitsplätze.
Daraus resultieren Riesenprobleme für unsere Volkswirtschaft und für unsere Entwicklung.
Hinzu kommt, daß heute viele, die unternehmerisch tätig waren, eher in Finanzanlagen gehen als zum Beispiel in Fertigungsinvestments oder sich der Mühe zu unterziehen, sich wirklich unternehmerisch zu betätigen.
Nun kann man sagen - und das sagt die Wirtschaft auch -: Das liegt auch an den Rahmenbedingungen. Es ist wahr: Wir haben die höchste Staatsverschuldung, wir haben die höchste Steuer- und Abgabenquote, wir haben die höchste Arbeitslosenzahl. Die Frage, wie wir damit umgehen, müssen wir beantworten, wenn wir klären wollen, warum wir in dieser Innovationskrise stecken.
Es ist wahr: Es gab auch eine Reihe von Versäumnissen, die wir nicht vergessen dürfen. Was wir heute erleben, ist ja nicht vom Himmel gefallen, ist ja kein aktueller Tatbestand, sondern es gab dafür durchaus Vorlauf. Wenn die Bundesregierung in den letzten sechs Jahren den Forschungsetat um real 30 Prozent gesenkt hat, dann ist das eine Fehlentscheidung, die dem Standort Deutschland nicht dient.
Bei Herrn Riesenhuber hatten wir noch einen größeren Etat. Wenn man in einer Zeit, in der es auch um kleine Veränderungen, um kleine Verbesserungen geht, das Arbeitnehmererfindungsgesetz, das dem Facharbeiter, der einen Verbesserungsvorschlag macht, eine kleine Prämie zugesteht und diese nicht auch noch in die Progression hineinfließen läßt, aus kameralistischen, buchhalterischen Gründen, abschafft, dann ist das eine Fehlentwicklung. Dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Arbeitnehmer nicht mehr kreativ, nicht mehr schöpferisch sind. Das sind Weichenstellungen, die in die falsche Richtung gehen.
Das gleiche gilt für die alte Diskussion über die Patentgebühren. Es ist ein Fehler zu sagen: Weil das Patentamt beim Justizministerium ressortiert und weil es das einzige Amt ist, das durch Gebühren Einnahmen hat, muß man diese Gebühren erhöhen, damit das Justizministerium seinen Haushalt aufbessern kann. In einer Zeit, in der wir die Patentierung und damit auch den Innovationsprozeß eher erleichtern sollten, sind das Fehlentscheidungen.
Ich habe es mir noch einmal angesehen, Herr Rexrodt. Das ist eine Sache, über die wir ernsthaft reden müssen. Wir haben im Wirtschaftsausschuß darüber schon geredet. Bei Existenzgründern gibt es immer noch erhebliche Defizite - das hat eben auch Herr Laermann gesagt - im Dienstleistungsbereich. Wir haben technologieorientierte Existenzgründungshilfen; sie sind sinnvoll. Aber es gibt im Dienstleistungsbereich eine ganze Reihe von jungen Leuten, die sich engagieren und für die wir einen neuen Akzent im Existenzgründungsprogramm dringend brauchen, den es bisher nicht gibt.
Das gleiche gilt für das Risikokapital. Ich habe letzte Woche mit Existenzgründern zusammengesessen und mir das aufschreiben lassen. Die Programme, die wir heute haben - dabei handelt es sich zum Teil auch um Ergänzungen von Länderprogrammen - sehen wie folgt aus: Ein Existenzgründer - ich habe einen konkreten vor Augen, einen Nachrichtentechniker -, der eine bestimmte Produktidee hat, braucht, um sein Produkt an den Markt bringen zu können, 500 000 DM. Wenn er diese 500 000 DM bekommt - und er bekommt sie; dafür gibt es heute entsprechende Instrumente -, dann muß die Tilgung aber aus versteuerten Gewinnen erfolgen. Die entsprechende Steuer beträgt in diesem Fall 409 000 DM. Somit ergibt sich ein notwendiger Gewinn vor Steuern von 909 000 DM. Die übliche Umsatzrendite bei Existenzgründern etwa im Bereich der Meß- und Regeltechnik beträgt im Durchschnitt 2,3 Prozent.
Hochgerechnet heißt das - diese Rechnung ist durchaus realistisch - für die Rückzahlung der Beteiligung mit einem solchen Risikokapital, daß ein Geschäftsvolumen von rund 40 Millionen DM in zehn Jahren notwendig ist. Wer sich ein bißchen bei Existenzgründern auskennt, der weiß, daß sie im Schnitt in zehn Jahren - das sind die offiziellen Zahlen - etwa einen Umsatz von 30 Millionen DM haben. Nach zehn Jahren bleiben sie also mit einem Batzen Schulden hängen.
Wir haben nicht genügend finanzierbares Risikokapital. Das ist ein echtes Problem. Wir haben einen enormen Nachholbedarf beim „venture capital".
Weil sich da sowenig bewegt, habe ich den Eindruck, daß wir - salopp gesagt - ein Kabinett von „Drei-sechs-drei-Managern" haben: Herr Waigel besorgt sich für 3 Prozent Geld am Kapitalmarkt, für 6 Prozent vergibt Herr Rexrodt das Geld teuer an die Existenzgründer, und um drei gehen sie beide zusammen Golf spielen. So können Sie den Standort Deutschland nicht auf Vordermann bringen.
Sie habe ich gar nicht mitgerechnet. Ich glaube, Sie fangen ja schon morgens mit Golf an.
Jetzt ernsthaft: Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir beim „venture capital", beim Risikokapital, wirklich etwas tun müssen, Konditionen finden müssen, die sinnvoll sind und die uns weiterhelfen. Das gleiche gilt auch für die Frage - dazu habe ich ein paar Punkte angesprochen -, wie wir bei Existenzgründungen weiterhelfen können.
Siegmar Mosdorf
Wichtig ist: Das Bündnis für Arbeit und für Wettbewerbsfähigkeit muß auch ein Bündnis für Innovationen werden. Deshalb müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um in diesem Bereich die Kräfte zu fokussieren, auf das zu konzentrieren, was sich im Innovationsbereich tut. Ich denke, wir brauchen so etwas wie ein Sofortprogramm für Existenzgründer und für Innovationen, mit ganz konkreten Maßnahmen. Dies könnten wir, weil wir in vielen Punkten übereinstimmen, durchaus gemeinsam zusammenstellen.
Angesichts der Wirtschaftskrise, in der wir uns befinden, hat die Gewerkschaft dreimal überlegt, bevor sie etwas gesagt hat. Jetzt hat sie etwas gesagt. Sie hat ein „Bündnis für Arbeit" angeboten - ein, wie ich finde, mutiger Vorschlag von Herrn Zwickel, auch wenn man über Einzelheiten reden kann.
Die Wirtschaft überlegt dreimal, bevor sie nichts sagt: Bisher gibt es leider keine Gegenvorschläge zu dieser konkreten Initiative. Die Regierung hat bisher leider immer nur dreimal geredet, bevor sie angefangen hat zu überlegen.
Jetzt müssen wir überlegen und dann entscheiden. Wenn wir diese Entscheidung getroffen haben, dann bin ich auch nicht ängstlich, was die Zukunft des Standorts Deutschland angeht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.