Rede von
Dr.-Ing.
Rainer
Jork
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn nicht gerade Wahlkampf wäre, könnte man das Vorgehen der SPD für reine Nachlässigkeit halten. Am 18. Januar dieses Jahres hat der Deutsche Bundestag über die Große Anfrage der SPD zum Thema „Forschungspolitik für eine zukunftsverträgliche Gestaltung der Industriegesellschaft" debattiert. In dieser Anfrage wie in dem dazugehörigen Entschließungsantrag war ausführlich von Maßnahmen die Rede, die die SPD jetzt erneut in ihren Anträgen formuliert und vorstellt, wobei sie vor lauter Einfallslosigkeit bereits bei sich selber abschreibt.
Worum geht es? Vielleicht sollte man besser fragen: Worum geht es nicht? Die angesprochenen Themen beziehen sich auf Innovation, auf Arbeit, Umwelt, Finanzen, Steuerpolitik, Informationstechnik usw.
Natürlich ist jeder Antrag förderlich, der der Sache dient. Wenn wir über Innovation sprechen, dann meinen wir doch wohl Leistung, Leistungsfähigkeit, Leistungsmöglichkeit, Leistungsbereitschaft in Deutschland. Wir reden gerade in der gegenwärtigen Situation auch über neue Technologien, über innovative Unternehmen, über Existenzgründungen und Arbeitsplätze. Wir müssen also darüber sprechen, wie wir Leistung bewerten, wie wir Leistungsmöglichkeiten verbessern, wie wir eine größere Technikakzeptanz schaffen, wie wir junge, innovative Unternehmen fördern und damit neue, qualifizierte Arbeitsplätze schaffen.
Dabei ist doch wohl klar, daß Innovation nie abgeschlossen ist, daß das ein fortlaufender, dynamischer Prozeß ist, der an aktuelle Situationen anzupassen ist. Wir brauchen Innovationen im Bildungs- und Hochschulbereich. Innovation beginnt in den Köpfen. Kreative Verhaltensweisen werden in allen Bereichen zuerst von Bildung und Ausbildung geprägt.
Insofern stellt die Aufstiegsförderung, die wir nun endlich auf den Weg gebracht haben, eine Innovation dar, die die Schaffung von Arbeitsplätzen fördert.
Ich erinnere daran, daß jeder neue mittelständische Betrieb durchschnittlich fünf neue Arbeitsplätze schafft.
Auch bei den Lehrstellen müssen wir neue Wege gehen. Der Freistaat Sachsen hat hier eine Vorreiterposition übernommen. In einem „Bündnis für Ausbildung" wurden mehrere Programme entwickelt, mit denen viele zusätzliche betriebsnahe Ausbildungsstellen geschaffen worden sind. Ich bin gern bereit, auf eine Zwischenfrage hin dieses Programm darzustellen; ich denke aber, in der nächsten Zeit werden wir ohnehin dazu kommen.
Die Hochschulen fordern zu Recht die Sicherung ihrer finanziellen Handlungsfähigkeit. Über deren Finanzierbarkeit müssen Bund und Länder gemeinsam reden. Aber auch die Hochschulen selbst müssen ihren Teil dazu beitragen. Sie müssen die Attraktivität des Studiums und den Praxiskontakt verbessern.
Kreativität hängt auch, aber bei weitem nicht nur vom Geld ab. Es muß doch zu denken geben, wie sehr die Attraktivität des Studienstandorts Deutschland für ausländische Studenten nachgelassen hat.
Vor zwei Tagen sprach ich mit einer Gruppe ausländischer Studenten, die im Rahmen des DAAD hier waren. In der Diskussion, die ich im einzelnen nicht darstellen möchte, kamen wesentliche Hinweise zum Ausdruck, was verbesserungswürdig ist: die Beratung am Anfang des Studiums, die Qualität der Lehrer, der Praxiskontakt. Natürlich, Freiheit der Lehre muß auch Freiheit zur Innovation sein. Möglicherweise können wir hier auch mit einem neuen Hochschulrahmengesetz geeignete Richtlinien und Ziele formulieren.
Es geht in den Anträgen der SPD neben dem ökologischen Umbau der Marktwirtschaft auch um die Förderung von jungen, innovativen Unternehmen. Die SPD ist hier, mit Verlaub, wieder dabei, den Mond zum zweiten Mal zu entdecken. Sie fordert unter anderem die Verbesserung der Eigenkapitalförderung - das hatte vorhin auch Herr Thierse gesagt - und die Bereitstellung von Risikokapital.
Wir von der CDU handeln schon längst entsprechend. Die Regierungskoalition hat im Rahmen des Jahressteuergesetzes zwei neue, übrigens auf die spezifischen Bedürfnisse der meistens noch finanzschwachen ostdeutschen Unternehmen zugeschnittene Förderprogramme in Kraft gesetzt. Sie umfassen ein jährliches Gesamtfördervolumen von 500 Millionen DM und unterstützen nachhaltig den Bereich Forschung und Entwicklung. Es handelt sich dabei erstens um das Eigenkapitalergänzungsprogramm der deutschen Ausgleichsbank und zweitens um den Beteiligungsfonds Ost der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der die eigentliche Risikokapitalförderung darstellt. Drittens ist Anfang März von der EU-Kommission ein neues ERP-Innovationsprogramm genehmigt worden, mit dem die Entwicklung und Vermarktung - und Vermarktung; das war vorhin auch Thema - neuer Produkte gefördert werden soll.
Ich möchte Ihnen einmal etwas aus einem Vorbereitungspapier des Vereins der Ingenieure, Techniker und Wirtschaftler in Sachsen für einen Kongreß vorstellen, der am 11. April in Dresden stattfinden wird. Darin heißt es unter anderem:
Zur Finanzierung von Innovationen existieren zahlreiche Förderprogramme. Sie reichen zur Unterstützung der Finanzierung von Forschung und Entwicklung völlig aus.
Weiter heißt es:
Vielfach bereitet es jedoch noch Schwierigkeiten, ausreichend die Markteinführung und das Marketing finanzieren zu können. Künftige Förderprogramme sollten deshalb mehr den Gesamtzyklus von der Idee bis zum Markteintritt zum Gegenstand haben.
Genau dies tut unter anderem das eben genannte ERP-Programm.
Natürlich ist hier weitere Förderung situationsbezogen und aktualisierend nötig. Die Industriefor-
Dr.-Ing. Rainer Jork
schung in den neuen Bundesländern ist nur noch in unvertretbar geringem Maß vorhanden, so daß wir uns dringend um die Wiederansiedlung von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in den Betrieben bemühen müssen.
Deshalb denken wir ja auch über neue Maßnahmen nach, zum Beispiel eine Personalförderung Ost, ein Programm zur marktvorbereitenden Industrieforschung, ein Programm zur Unterstützung risikoreicher Forschungen und ein Programm zur Gründung innovativer Einrichtungen.
Es ist aber auch festzuhalten: Es geht um eine bessere Nutzung von vielfach schon vorhandenem innovativem Potential, um die schnelle und marktgerechte Umsetzung neuer Ideen in Produkte.
Der Erfolg junger Unternehmen und neuer Produkte hat aber nicht nur mit staatlicher Förderung zu tun. Genauso erforderlich sind eben markt- und betriebswirtschaftliches Wissen, Akzeptanz von Technik und Anerkennung von Leistung. Diese Qualitäten sind das Gegenteil von rot-grüner Innovationsverhinderung.
Hier ist die Politik gefordert, ebenso wie das Bildungswesen, die Unternehmen und die Medien. Es nützt jedenfalls nichts, von den Unternehmen einen größeren Einsatz zu fordern, die Arbeitgeber aber verbal zu verprügeln und die Betriebe finanziell zu strangulieren.
Es ist auch wenig hilfreich, über die Einrichtung von Stellen zur sozialökologischen Zukunftsforschung - eine Forderung im SPD-Antrag - zu debattieren, wenn am Ende nur eine neue Analyse der Gründe von Handlungsunfähigkeit und fehlendem Erfolg steht. In welche Zielkonflikte man kommt, wenn man die Forderung nach einer, wie es die SPD formuliert, für „uns und die nachfolgenden Generationen lebenswerten Umwelt" - sehr richtig - und nach „Sicherung von Wohlstand und sozialem Frieden im internationalen Wettbewerb" voneinander abkoppelt und gegeneinander ausspielt, erlebt man gerade in Nordrhein-Westfalen.
Ja, reden wir über Umschichtungen im Haushalt des Forschungsministers zugunsten der Förderung innovativer Technologien! Wir dürfen aber nicht vergessen, daß bei Mehrausgaben in Innovationsbereichen anderswo reduziert werden muß. Insgesamt muß für eine Entlastung sowohl der Unternehmen als auch der Arbeitnehmer gesorgt werden.
Der Weg zu mehr Ausgaben für Forschung und Entwicklung, insbesondere zu mehr Industrieforschung, führt über eine Unternehmensentlastung und eine bessere Wertschöpfung in den Betrieben. Einfach mehr Geld durch den Bund auszugeben ist kontraproduktiv.
Reden wir über Subventionsabbau. Ich meine, wir müssen gemeinsam handeln. Das betrifft Bund und Länder, das betrifft die Tarifparteien, das betrifft die Unternehmen und ihre Investitionen für Forschung und Entwicklung. Soweit die Politik dabei in der Pflicht ist, wollen wir gern das Nötige tun. Das heißt aber, daß zögern, zweifeln und abwarten, daß Besitzstandswahrung und Erbenmentalität keine geeigneten Wege sind.
Ich danke.