Rede von
Wolfgang
Bierstedt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Können Sie es denn lesen, wenn ich das aufs Internet gebe?
Ich bedanke mich sehr, Herr Präsident.
Die Argumentationskette, die oftmals bemüht wird, nämlich Forschungsförderung, Innovation, Aufschwung, Arbeitsplätze, hat sich bisher aus unserer Sicht als eindeutig falsch erwiesen. Die meisten Innovationen ziehen die Einsparung lebendiger Arbeit nach sich und bewirken nur in wenigen Fällen zusätzliche Beschäftigungseffekte. Wir von der PDS ziehen in diesem Zusammenhang den Schluß: Innovation ja, aber begleitend dazu eine notwendige Umverteilung von Arbeit.
Meine Damen und Herren, einige Bemerkungen zu dem vorliegenden SPD-Antrag „Risikokapital für junge Technologieunternehmen" . Die Förderung von neuen oder jungen Technologieunternehmen in dieser Form ist begrüßenswert. Jeder weiß heute, daß die Kosten für die Markteinführung eines neuen Produktes von Fachleuten auf über 100 Prozent der Entwicklungskosten geschätzt werden.
Ich frage Sie: Wer stellt schon in ausreichender Größenordnung Risikokapital in Deutschland zur Verfügung, damit ein junges Technologieunternehmen in der Lage ist, die ersten zwei Jahre zu überleben? Solange es in dieser Bundesrepublik leichter ist, mit Geld und nicht mit Arbeit Reichtum zu erzielen, bleibt dies alles nur eine zwar wünschenswerte, aber hilflose Überlegung.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf unsere Anträge zur Unterstützung von KMU bei der Markteinführung neuer Produkte, Drucksache 13/ 2095, in dem Vorschläge für Fördermittel zur Markteinstiegsförderung unterbreitet worden sind, sowie auf den Antrag „Flexiblere Gestaltung der Förderprogramme", Drucksache 13/1798, verweisen. Hier wurde von uns gefordert, daß man bei der Innovationsförderung von dem starren Prinzip der Jährlichkeit bei der Ausreichung der Fördermittel abkommen muß. Bei einer Förderung junger Technologieunternehmen muß man einen Förderzyklus von fünf bis acht Jahren im Auge behalten, um den Unternehmen in allen Stufen des Innovationsprozesses behilflich zu sein. Ansonsten, so unsere Einschätzung und unsere Erfahrung, wird es für diese Newcomer oft ein Sterben auf Raten geben.
Meine Damen und Herren, uns beschäftigt heute auch noch der Bericht der Bundesregierung „Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" . Den im Bericht genannten Aufgaben, Zielen und Empfehlungen für die Errichtung der Informationsgesellschaft - ich verweise auf die Seite 111 - kann ich voll zustimmen. Es heißt dort:
Der Übergang von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft hängt entscheidend davon ab, ob und in welchem Maße es gelingt, auch die nichttechnischen Bedingungen für erfolgreiche Innovationen zu beherrschen. Es gilt, die Potentiale und Herausforderungen der wissenschaftlich-technischen Entwicklungen in Wechselwirkung mit den politischen Zielen, wirtschaftlichen Interessen, sozialen Forderungen, gesellschaftlichen Werten, rechtlichen Regelwerken, kulturellen Prägungen im lokalen und globalen Aktionsfeld zu begreifen und einer breiten Öffentlichkeit deutlich zu machen.
Ich würde noch gerne einfügen: und zu beeinflussen. Ein hehrer Anspruch, der von der Bundesregierung bei der Entwicklung der Informationsgesellschaft verfolgt wird!
Das wesentlichste Element ist aber aus unserer Sicht die Gewichtung der einzelnen Forderungen und Ziele, die hier aufgestellt werden. Ich will einmal ein Beispiel anführen: Wenn die Bundesregierung auf Seite 116 exemplarisch feststellt - ich zitiere -:
Diese Technik hat einen wesentlichen Anteil daran, daß es der Verwaltung gelungen ist, eine zunehmende Zahl von Funktionen und einen nahezu stetig wachsenden Aufgabenumfang bei stagnierendem und rückläufigem Personalbestand zu bewältigen,
ohne aber Konsequenzen für die Beschäftigten, Heim- und Telearbeiter, zu ziehen, dann muß sie sich schon fragen lassen, wie ernst die obengenannten Prämissen gemeint sind.
Eine Regierung, die alle ordnungspolitischen Rahmenbedingungen für die Unternehmen vorbereiten und regulieren will - besser gesagt: dereguliert -, stellt sich bei der sozialen Sicherung der Beschäftigten und Scheinselbständigen an den Rand des Geschehens und will nur eine Beobachterrolle einnehmen -
- ein bißchen müssen Sie sich schon noch gedulden -,
da sie zum Beispiel die Auffassung vertritt, daß
Wolfgang Bierstedt
die Rechtsbeziehungen zwischen Auftraggeber und selbständigen Telearbeitern nicht nach dem Arbeitsrecht, sondern nach den Vorschriften über privatrechtliche Verträge geregelt werden sollen. Das widerspricht allen Beteuerungen, die die Bundesregierung in diesem umfangreichen Papier macht, nämlich in die Untersuchungen alle sozialen Risiken einzubeziehen.
Wir fordern für die neu entstehenden Formen der Telearbeit einen neuen gesetzlichen Rahmen. Dabei muß sichergestellt werden, daß Telearbeit nur im 'Rahmen sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse erfolgen kann, in den Geltungsbereich von Tarifverträgen und Arbeitsschutzvorschriften fällt, der Mitbestimmung der betrieblichen Interessenvertretungen unterliegt, nur in Formen erfolgt, die sozialer Isolation entgegenwirken und das Anbinden an den Betrieb ermöglichen, auf Freiwilligkeit beruht und den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern - ich weiß, hier gibt es einen kleinen Dissenspunkt - das Recht auf Rückkehr in den betrieblichen Arbeitsplatz einräumt.
Meine letzte Bemerkung zum Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen: Auch wenn dieser Entschließungsantrag nach unserem Verständnis nur Teilbereiche abdeckt - wenn auch sicherlich wichtige -, hat er zumindest den Charakter eines Schnellschusses. Aber wir werden ihm trotzdem unsere Zustimmung nicht verweigern, verehrter Kollege Kiper, denn Retourkutschen sind letztendlich nicht unser Stil.
Danke schön.