Rede von
Werner
Dörflinger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Was die Kolleginnen und Kollegen von der SPD bewogen hat, uns die Chance zu eröffnen, zu solch später Stunde noch Wind zu machen, darauf bekommen wir nachher noch eine Antwort. Im übrigen hoffe ich darauf, daß wir diesen zugegebenermaßen etwas schwierigen Fragenkomplex so sachlich wie bisher miteinander diskutieren.
Ich halte die Debatte allerdings für sinnvoll,
egal, aus welchen Motiven heraus sie entstand. Denn es gibt Bedarf an Klärung, auch an Aufklärung, und zwar sowohl innerhalb des Hauses als auch außerhalb des Hauses - auch wenn die Präsenz hier über die Präsenz bei einer Ausschußsitzung nicht hinausgeht.
Ich halte die Aussprache für notwendig, weil es tatsächlich eine kontroverse, quer durch die Fraktionen gehende Diskussion gibt.
Sie kennen die Initiativen kommunaler Mandatsträger. Sie kennen das Engagement von Menschen, die sich für Umweltschutz engagieren, gegen die Privilegierung beispielsweise von Windrädern.
Heute lese ich in meiner Heimatzeitung die Schlagzeile: „Die Küsten-SPD sperrt sich gegen Windkraftprivileg. " Da wird auf eine Initiative von fünf Kolleginnen und Kollegen der SPD Bezug genommen.
Wir haben es in der Tat zum Teil auch mit einer pikanten Konstellation zu tun gehabt und haben noch damit zu tun, die ein Sachverständiger in der gemeinsamen Anhörung so charakterisiert hat: es stehe quasi Umweltschutz gegen Umweltschutz. Das heißt, daß Menschen, die sich für Umweltschutz engagieren, aus guten Gründen für und gegen die Privilegierung derartiger Einrichtungen votieren können.
Es gibt also Befürchtungen, die wir ernst nehmen müssen. Dabei geht es - darin sind wir uns einig - nicht um das grundsätzliche Pro und Kontra zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien.
Werner Dörflinger
Die Koalition hat sich hier eindeutig entschieden, und zwar nicht erst seit gestern oder seit heute, sondern konsequent vom Jahr 1982 an, weil nämlich ganz unbestritten ist, daß die Koalition den regenerativen Energien erst richtig Schub gegeben hat. Ich kann das belegen.
- Doch, doch, Frau Kollegin Gleicke, und zwar durch die Ausgaben des Bundes für regenerative Energien, die von 271 Millionen DM im Jahre 1982 auf 368 Millionen DM im Jahre 1993 gesteigert wurden.
In Teilbereichen wurde bereits ein hoher technologischer Stand erreicht: die Entwicklung der Photovoltaik, seit 1982 gefördert mit 1 Milliarde DM; spezielle Programme, wie das 250-MW-Windenergieprogramm, das Tausend-Dächer-Programm für die Photovoltaik; die Förderung nachwachsender Rohstoffe; Marktanreize durch Programme des Bundeswirtschaftsministeriums.
Es zeigt sich hier auch, daß die Windenergie eine explosive Entwicklung durchlaufen hat, was die installierte Leistung angeht. Nimmt man unsere Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Ausstößen hinzu, dann ergibt das durchaus ein in sich schlüssiges energiepolitisches Konzept.
Als ein wichtiges, nach unserer Meinung unverzichtbares Instrument für die weitere Förderung der regenerativen Energien hat sich das Stromeinspeisungsgesetz erwiesen. Es ist schon einmal verbessert worden.
Selbst wenn man mit Fug und Recht darüber diskutieren kann, ob gewisse regionale Sonderbelastungen vielleicht ausgeglichen werden können, glaube ich doch, daß niemand von diesem Stromeinspeisungsgesetz weg will.
Nun zur Ergänzung des Baugesetzbuches. Vielfach wird in der öffentlichen Diskussion vergessen, warum wir uns überhaupt damit befaßt haben und befassen. Denn vor dem 16. Juni 1994, vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, war eigentlich klar, daß Windkraftanlagen genauso wie die standortgebundene Wasserkraft baurechtlich privilegiert waren.
Dann ist eine rechtliche Unsicherheit eingetreten. Insofern bewegen wir uns als Gesetzgeber eigentlich nur dorthin, daß wir den früher bereits vorhandenen Zustand wiederherstellen wollen, nämlich daß regenerative Energieträger, insbesondere Windkraft, privilegiert sind.
Ich darf daran erinnern, daß vor einiger Zeit in diesem Hause die Privilegierung fast geräuschlos durchgesetzt worden ist. Sie ist dann an einem Einspruch des Bundesrates gescheitert. Da wir inzwischen Bundestagswahlen hatten, ist das Ganze der Diskontinuität verfallen.
Nun haben die Koalition, unsere Kolleginnen und Kollegen von der SPD und auch der Bundesrat einen neuen Anlauf genommen. Man kann sagen, wir alle
haben uns außerordentliche Mühe bei der Beratung aller drei Vorlagen gegeben.
Niemand kann behaupten, wir hätten insbesondere den Einwänden der kommunalen Seite nicht das notwendige Gewicht eingeräumt. Das geschieht schon deswegen nicht, weil die meisten Baupolitiker eigentlich Kommunalpolitiker sind.
Das heißt, sie kennen die kommunale Wirklichkeit. Deswegen heißt der Bauausschuß oft auch Kommunalausschuß.
Mir, der ich in der kommunalen Praxis stehe und aus einer Landschaft - dem südlichen Schwarzwald - komme, die hochsensibel ist, wird man mit Fug und Recht Sensibilität für die Themen unterstellen können, die von außen an uns herangetragen worden sind.
Es geht nicht darum, Kompetenzen der Gemeinden zu beschneiden. Es geht schon gar nicht darum, die Faktoren Landschaft, Naturschutz und Fremdenverkehr unterzubewerten. Darum kann es nicht gehen.
Niemand will Wildwuchs, niemand will die Entmachtung kommunaler Planungshoheit. Aber wir wollen auch nicht, daß die Gemeinden die Frage der besseren Nutzung von regenerativen Energieträgern undifferenziert ohne jegliche Begründung wegschieben und sich mit einem solchen Problem überhaupt nicht auseinandersetzen; denn auch Gemeinden müssen sich Fragen der Struktur der Energieversorgung und der Ökologie stellen, beim Bauen genauso wie bei der Planung und der Energieversorgung.
Es gibt draußen im Land viele positive Beispiele dafür, daß die Kommunalpolitik sich aus eigener Initiative derartigen neuen Problemen stellt. Es gibt auch viele positive Beispiele überörtlicher Planung, bei denen derartige Dinge in einen größeren Zusammenhang gestellt und entsprechend verarbeitet worden sind.
Ziehen wir ein Zwischenresümee und betrachten die verschiedenen Gesichtspunkte: Ich bin der Meinung, daß wir zu einer vernünftigen, zu einer optimalen Lösung gefunden hatten.
Deswegen verwundert es gar nicht, daß zum Beispiel die kommunalen Spitzenverbände, die ursprünglich betont skeptisch reagiert hatten, nun zu verstehen geben, mit dieser Lösung könne man leben, weil sie die Gemeinden in ihrer Planungshoheit nicht entmachtet. Die wesentlichen Elemente dieser Lösung, zu denen auch das BMBau durch seine fachliche Assistenz beigetragen hat, sind die folgenden.
Wir schaffen wieder die Privilegierung, die für die Wasserkraft, weil standortgebunden, ohnehin schon gilt. Wir installieren einen umfassenden Planungsvorbehalt, und zwar einen solchen, der sowohl die gemeindliche als auch die überörtliche Ebene erfaßt.
Werner Dörflinger
Wir schaffen, um die Gemeinden nicht unter Druck zu setzen, die Möglichkeit der Zurückstellung von Bauanträgen bis zum 31. Dezember 1997. Damit das Problem aber nicht versauert, hatten wir vorgesehen, das Gesetz als solches zum 1. Oktober 1996 in Kraft zu setzen.
Ich bin davon überzeugt, daß die jetzt angebotene Lösung, wenn man sie insgesamt betrachtet, den Gemeinden mehr Steuerungsmöglichkeiten gibt als die frühere. Das muß man betonen, weil manchmal ein anderer Eindruck erweckt wird.
Diese Lösung - davon bin ich überzeugt - schafft im Prinzip auch mehr Rechtssicherheit. Noch einmal: Es gibt keinen absoluten Vorrang für regenerative Energien. Es gibt kein totales Aushebeln anderer Belange, die bei regenerativen Energiequellen mit gesehen werden müssen.
Insofern habe ich Verständnis dafür, daß gerade engagierte Umweltpolitikerinnen und -politiker, auch in unserer Fraktion, mit besonderer Sensibilität an diese Frage herangegangen sind und herangehen. Wir haben signalisiert, daß wir noch Beratungsbedarf hätten. Ich bin bei der traditionell guten Atmosphäre im federführenden Fachausschuß sicher, daß wir letztlich, wenn der Wind den Nebel des Wahlkampfes vertrieben hat, gemeinsam zu einer vernünftigen Regelung kommen.
Dazu möchte ich alle einladen, und ich bin sicher, daß die Nachfolgenden, die vortragen, durch Inhalt und Ton ihres Vortrags eine gemeinsame Lösung nicht verhindern.
Vielen Dank.