Rede von
Dr.
Antje
Vollmer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt auf, daß wir heute erneut über den schlanken Staat, dieses phantastische Fabelwesen, diskutieren,
ohne daß von der Koalition ein Gesetzentwurf dazu vorliegt. Dabei war der schlanke Staat eines der ersten und wichtigsten Reformversprechen dieser Legislaturperiode.
Die Regierung - das entnehme ich dem Beitrag des Kollegen Schlee - sinnt, denkt, plant, redet in allen möglichen Korporationen -
auch über ihre Herkulestätigkeit -, aber dies landet nicht in der Praxis, auch nicht in der Praxis von Gesetzesentwürfen in diesem Parlament.
Herr Kollege Schlee, wenn ich Sie eben richtig verstanden habe, haben Sie ja die Opposition direkt aufgefordert, das grundgesetzkonforme Verhältnis der Verfassungsorgane zueinander zu brechen, indem Sie gesagt haben, wir sollten Ihnen die Ministerien neu organisieren. Das halte ich allerdings wirklich für Ihre Aufgabe.
Der Herr Bundesminister Kanther, der in dieser Debatte nicht anwesend ist - was auch ein Hinweis darauf ist, daß er offensichtlich die Federführung bei diesem Thema bereits verloren hat -, meint, der Abbau von öffentlichen Leistungen sei eine ernsthafte Aufgabenkritik. Auch meint er, daß der Stellenabbau per se besseres Personalmanagement produziere. Wir sind nicht dieser Meinung. Im Gegenteil, man kann die Verwaltungsreform auf Grund setzen, indem man ihr von Anfang an den größten Widerstand von seiten der Beschäftigten entgegensetzt.
Daher heißt auch die erste Regel für kluge Reformer nicht, möglichst viel Widerstand gegen eine Reform, sondern die höchstmögliche Motivation für diese Reform gerade auf seiten der Beschäftigten zu organisieren.
Deswegen brauchen wir zuallererst Klarheit. Das Bundeskabinett hat sich zwar in einer Unterrichtung für die Straffung von Bundesbehörden ausgesprochen, und Herr Schlee hat ja vieles gesagt, was man sich alles vornimmt;
aber in der Praxis bleibt es vollkommen nebulös, wie denn die Behörden besser organisiert werden sollen. Es geht also um Entscheidungen. Das ist das wichtigste.
Der zweite Grundsatz heißt: Es muß ein grundsätzlicher Reformansatz und nicht ein Stückwerk einmal hier und einmal da her. Auf dem Weg befindet sich aber lediglich ein Entwurf zur Reform des öffentlichen Dienstrechtes und gerade nicht der von uns, und zwar von der gesamten Opposition, eingeforderte grundsätzliche Ansatz einer Reform aller öffentlichen Verwaltungen.
Der dritte Grundsatz betrifft das Tempo. Wir diskutieren hier nicht über das Jahr 2000 xy. Vom Berlin-
Dr. Antje Vollmer
Umzug - deswegen möchte ich jetzt unseren Antrag erklären - könnten ein deutliches Signal und auch das notwendige Tempo für diese Reformen ausgehen. Äußere Mobilität kann - das ist die Chance der Stunde, und man muß sie nutzen - große innere Mobilität und sogar Motivation bei den Beschäftigten erzeugen. Man muß das aber auch wollen und darf diese Stunde nicht verstreichen lassen.
Der vierte Grundsatz für kluge Reformer: Wir setzen auf gute Vorbilder. Deswegen haben wir in unserem Antrag auch all das aufgegriffen, was der Bundesrechnungshof der Regierung ins Stammbuch geschrieben hat, nämlich was die öffentlichen Institutionen auf Bundesebene an Vorbildfunktion für die Verwaltungen auf Landes- und kommunaler Ebene erfüllen könnten, wenn sie es denn praktizierten. In diesen Bereich gehört unser Vorschlag, den wir das letzte Mal gemacht haben: Sie müssen eine Musterbehörde, meinetwegen das Innen- oder das Finanzministerium, benennen, die einmal zeigt, wie es geht.
In Wahrheit wissen aber alle: Der Frühling der Reformen der Verwaltungen ist in den Kommunen und auch in einigen Ländern ausgebrochen. Die Aktivitäten auf der Bundesebene fallen vor diesem Hintergrund dramatisch zurück.
Also: Die Chance für den großen Wurf gibt es nur jetzt. Leider macht die Regierung das, was sie sonst immer der Verwaltung vorwirft: Sie steuert nicht, sondern rudert.
Wir sind für eine Reform.
- Sie rudert, ohne voranzukommen. - Die konkreten Vorschläge finden Sie in unserem Antrag. In den vier Minuten Redezeit, die mir zur Verfügung stehen, kann ich dazu leider nichts sagen.
Ich möchte aber noch auf das Grundprinzip hinweisen. Grundprinzip aller unserer Überlegungen muß sein: Jeder, der umzieht, schleppt entweder das gesamte alte Gerümpel unsortiert mit, oder er tut, was vernünftig ist: Er entrümpelt, schafft Platz für neue Aufgaben und neue Perspektiven und setzt darauf, daß es in den Verwaltungen eine Menge intelligenter Leute gibt, die genau diese Chance zu nutzen verstehen. Wer unseren Mitarbeitern diese Perspektive nicht zutraut, der unterfordert sie total. Eine solche Unterforderung wäre aber töricht und läge übrigens unterhalb der Intelligenz, die auch vom öffentlichen Arbeitgeber dringend gefordert ist.
Danke.