Rede von
Dietmar
Schlee
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute, Herr Körper, nicht zum erstenmal über die Modernisierung der Verwaltung, über den schlanken Staat, über mehr Effektivität, mehr Kostenbewußtsein in eben dieser Verwaltung. Ich erinnere an unsere Debatte vom vergangenen Herbst. Ich habe damals einen ganzen Katalog konkreter Punkte genannt: von der Deregulierung über die Abschätzung der Gesetzesfolgekosten über neue Techniken bei der Gesetzgebung bis hin zum Haushaltsrecht und zum Kontrollrecht des Parlaments.
Ich finde, wir sollten über all die Vorschläge, die ich damals gemacht habe, noch einmal detailliert diskutieren. Ich glaube, daß dies ein Ansatz ist, den wir gemeinsam weiterverfolgen sollten.
Der jetzige Antrag der SPD zur Modernisierung der Bundesverwaltung enthält in der Zielsetzung
Dietmar Schlee
eine Reihe von Punkten, die man in ihrer Abstraktheit und in ihrer Allgemeinheit nur unterschreiben kann: so weit, so gut. Was in dem Antrag als Ziel formuliert ist, Herr Körper - das will ich aber gleich dazusagen -, ist natürlich alles andere als neu. Es gehört zum Allgemeingut jeder Debatte und jeder Veröffentlichung zu diesem Themenkomplex.
Dort, wo die SPD zum wiederholten Male allgemeine Ziele formuliert, verkennt sie, daß sie etwas formuliert, was die Bundesregierung in weiten Strekken bereits ins Werk gesetzt hat. Sie philosophieren über konsensfähige Projektarchitektur, während die Bundesregierung konkrete Projekte umsetzt und eine Vielzahl von konkreten Projekten bereits abgeschlossen hat.
Manchmal habe ich den Eindruck, Herr Körper - vielleicht tue ich Ihnen Unrecht -, daß Sie einfach nicht den Mut haben, konkret zu werden. Jetzt müssen wir aber gemeinsam konkret werden, nachdem man zugegebenermaßen viele Jahre die Dinge relativ abstrakt diskutiert hat. Solange die SPD in einem unendlichen Prozeß der Projektierung von Projekten bleibt, wird sich nichts ändern.
Politik bedeutet handeln, entscheiden, umsetzen.
Jetzt ist die Zeit des konkreten Handelns gekommen.
Ich will Ihnen das einmal an ein paar Beispielen verdeutlichen. Herr Kollege Schily, Sie bekommen die Möglichkeit, sich zu bewähren und zu entscheiden. Ich will Ihnen - wenn ich das darf - ein paar konkrete Punkte nennen.'
In den nächsten Wochen, meine Herren, werden hier Gesetzentwürfe über die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren zu debattieren sein. Ich habe in dieser Arbeitsgruppe mitgearbeitet. Ich will mich nicht selber loben, aber die Arbeitsgruppe hat höchst beachtliche Ergebnisse vorgelegt.
Jetzt werden Sie entscheiden müssen, ob Sie dem zustimmen wollen oder nicht.
Ich will Ihnen ein zweites Beispiel nennen. In den Projekten, die die Regierung vorlegt, geht es natürlich auch um Personalverringerungen. Ich frage Sie:
Wollen Sie das nach außen mittragen? Wollen Sie das auch in Richtung der Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung mittragen? Es geht um Auflösung und Zusammenlegung von Behörden. Daß das in den einzelnen Wahlkreisen an der einen oder anderen Stelle schwierig sein mag, will ich gar nicht wegdiskutieren. Aber wir müssen es jetzt, in den nächsten Wochen und Monaten, entscheiden; denn so konkret ist das. Über neue Steuerungselemente und Budgetierung zu reden hört sich ganz modern an. Aber um zu sagen, welchen Freiraum wir der Verwaltung geben wollen, wie es mit der Ergebnis- und Erfolgsverantwortung ganz konkret, Herr Körper, aussehen soll, brauchen wir Gesetze. Das muß entschieden werden. Da hilft das Diskutieren beim besten Willen überhaupt nichts.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Ihrem Antrag und auch in der Begründung antworten Sie auf unmittelbar anstehende Probleme nicht. Sie geben nicht zu erkennen, ob Sie den konkreten Gesetzesprojekten der Regierung - die sind nicht irgend etwas - zustimmen wollen oder nicht zustimmen wollen.
Nun legen Sie einen Antrag vor,
mit dem den Bundesministerien, Herr Körper, von außen ein neues Strukturkonzept aufgedrängt werden soll. Sie wollen einen besonderen Organisationsstab einsetzen. Er soll von den Ministerien völlig unabhängig sein. Er soll, wie Sie sagen, ein zukunftsorientiertes Reformkonzept vorlegen. Dann soll der Deutsche Bundestag beschließen.
Herr Kollege Schily, ich will das nicht vertiefen; Sie sollten sich die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Antrags noch einmal ansehen. Wir meinen, daß dieser Weg falsch ist.
- Ich will davon überhaupt nicht ablenken, Herr Kollege Schily. Ich will nur sagen: Sie müssen sich die verfassungsrechtliche Ausrichtung noch einmal überlegen.
Wir gehen einen anderen Weg. Ich skizziere ihn in wenigen Strichen. Wir haben uns dafür entschieden, das Organisationspotential in den obersten Bundesbehörden, in den interministeriellen Gremien, in den Behörden zu nutzen. Sie sind näher am Ball. Sie haben tagtäglich damit zu tun. Sie können das heutige Ist und das künftige Soll viel besser beurteilen, gerade auch, was ihre eigenen Arbeitsstrukturen angeht. Sie können ressortbezogene Besonderheiten besser aufnehmen.
Die jeweilige Behörde einzuschalten ist nach meinem Dafürhalten unerläßlich. Man sollte nicht an der Behörde vorbei von außen etwas installieren, von der rechtlichen Problematik einmal abgesehen.
Daß Sachverstand von außen zugeführt werden muß,
darüber können wir uns ganz rasch einigen - aber
Dietmar Schlee
doch nicht so institutionalisiert, wie Sie das mit diesem Organisationsstab machen wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das mit der Projektarchitektur klingt ganz gut. Aber das, was Sie dort installieren wollen, ist doch etwas Praxisfernes. Da muß es Reibungsverluste geben. Da entstehen natürlich Umsetzungsprobleme, wenn der Bundestag am Ende entscheiden muß und der Bundesregierung sagt: Ihr habt die Ministerien und die nachgeordneten Behörden A, B, C und D so und so zu organisieren. Das halte ich einfach nicht für in Ordnung.
Herr Kollege Körper, ich appelliere in dieser Stunde an Sie, nicht ständig mit neuen Modellen zu versuchen, das Rad neu zu schaffen, sondern mitzumachen bei all dem, was wir Ihnen in den letzten Monaten vorgeschlagen .haben und bei dem wir uns in der Realisierungsphase befinden.
Ich nehme das auf, was vorhin gesagt wurde: Ich glaube, daß die Bevölkerung jetzt von uns Entscheidungen erwartet.
- Herr Kollege Kemper, Sie müssen doch an die Länder denken. Sie werden doch nachvollziehen können, daß wir hier im Konsens etwas erreichen müssen. Da geht es nicht nur um die Zustimmung des Bundesrates; es geht in Teilbereichen auch um Verfassungsänderungen. Das ist in weiten Bereichen bereits jetzt absehbar. Das ist eine schwierige Aufgabe. Jemand hat einmal formuliert, das sei eine Herkulesaufgabe. Ich sage Ihnen, wir müssen uns da zusammenraufen.
Lieber Herr Körper, es gibt ganze Kataloge des Finanzministeriums und des Innenministeriums, was alles umgesetzt wurde, wie von 1992 bis 1995 Stellen abgebaut wurden, wie die Bundesvermögensverwaltung, wie die Zollverwaltung, wie die Bundeswehrverwaltung neu strukturiert wurde, wie die Oberfinanzdirektionen, wie das Technische Hilfswerk neu strukturiert wurden, wie eine Neuorganisation des Zivilschutzes vorgenommen wurde, um Ihnen nur ein paar Beispiele zu nennen. Es hat doch gar keinen Wert, vor diesem Hintergrund immer wieder den Eindruck zu erwecken, als ob überhaupt gar nichts geschehen wäre. Das ist doch einfach nicht sachgerecht.
Das wollen die Leute doch von uns auch nicht hören, sondern die Leute wollen von dem Parlament in dieser Legislaturperiode in dieser, wie ich meine, außerordentlich wichtigen Frage Entscheidungen haben. Die Politik kann ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen, und sie kann unter Beweis stellen, daß sie in einer so schwierigen Materie auch konsensfähig ist. Das ist nach meinem Dafürhalten der richtige Ansatz; alles andere ist doch eine Augenwischerei; das kann man doch mit dem besten Willen nicht anders sagen.