Herr Kollege Glotz, ich bin gern bereit, zu sagen - das weiß ich auch aus Gesprächen, die wir beide geführt haben -, daß Sie - das sage ich ad personam, und ich will es auf einen Großteil der Arbeitsgruppe im Ausschuß ausdehnen - wirklich das Anliegen haben, ein Gesetz über das Meister-BAföG zu bekommen.
Um so unverständlicher ist das Verhalten und um so unverständlicher ist es, daß wir heute hier über einen Sachverhalt diskutieren müssen, der mir, unabhängig von den Sachfragen, über die wir ja im Verfahren Einigkeit erzielt haben, nun wirklich schwere Besorgnis macht.
Wenn man die Debatten im Vermittlungsausschuß betrachtet, dann erkennt man zwei politische Punkte, die da von Bedeutung sind. Der eine Punkt ist, daß jeder, der im Vermittlungsausschuß arbeitet - ich gebe gern zu, daß das auch für mich vor vier Jahren einmal galt, als ich die Verantwortung für die CDU/CSU-Fraktion hatte -, lernen muß, daß man im Vermittlungsausschuß, egal, mit welcher Mehrheit, die Mehrheit in einer Kammer der gesetzgebenden Körperschaften, sei es Bundestag oder Bundesrat, nicht zu etwas zwingen kann. Man muß sich die Mühe machen, die Positionen so zusammenzubekommen, daß alle zustimmen.
Gegen diesen fundamentalen Grundsatz, der aus dem Geist des Grundgesetzes im Hinblick auf den Vermittlungsausschuß folgt, hat Herr Voscherau in diesen Verhandlungen verstoßen. Ich habe es ihm selber gesagt. Ich hoffe, daß das in Zukunft, da wir demnächst schwierige Gesetzgebungsverfahren haben werden, nach diesen Erfahrungen nicht mehr passiert.
Der zweite Punkt ist aber noch gravierender. Der zuständige Minister, der darauf zu achten hat, daß die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, unser Grundgesetz, eingehalten wird - das ist der Bundesjustizminister -, hat im Vermittlungsausschuß vorgetragen, daß der Antrag, den die SPD-regierten Länder dort gestellt, zur Abstimmung gebracht und mit einer Mehrheit versehen haben, gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verstößt.
Trotz dieses klaren Hinweises hat die Mehrheit gesagt: Wir wollen das, wir setzen uns durch. Das ist der entscheidende Punkt, über den wir hier reden. Es ist richtig, was Kollege Lensing gesagt hat. Man mußte wissen, nachdem die Aussage des zuständigen Ministeriums dort vorlag, daß der Herr Bundespräsident nie in der Lage gewesen wäre, dieses Gesetz auszufertigen.
Das ist nun einmal die Lage nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Und, lieber Herr Thönnes, jetzt kann man filibustern, soviel man will - ich habe Ihre Rede mehr so verstanden, daß das der Aufschrei einer gequälten Seele war, die noch versucht hat, durch irgendwelche Argumentationsketten diese Position gesundzureden.
Übrigens habe ich den Vortrag des Kollegen Struck heute morgen ähnlich interpretiert. Wir wissen ja, daß er etwas zu Verbalradikalismus neigt. Aber die Wahrheit ist, wir müssen uns wirklich alle darauf konzentrieren, dieses Meister-BAföG-Gesetz durchzubekommen, und dies heißt im Klartext: Es muß in eine Form gebracht werden, die mit der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar ist.
Ich will das, verehrter Herr Thönnes, hier gar nicht mehr lange ausbreiten. Es mag irgend jemanden aus dem Handwerk in Niedersachsen geben,
der sagt, das hätte man so machen können wie die SPD. Die Wahrheit ist, auch wenn es der verehrte Herr Präsident aus Niedersachsen ist, daß der Zentralverband des Deutschen Handwerks genauso wie der Deutsche Industrie- und Handelstag schriftlich und öffentlich erklärt hat, die Koalition sollte jetzt so schnell wie möglich ein neues Gesetzgebungsverfahren einbringen, damit die jungen Leute nicht weiter warten müssen.
Lassen Sie mich Ihnen abschließend zu diesem Punkt sagen, daß ich natürlich bereit bin, im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens darüber nachzudenken, wie das denn aussieht. Ich habe nach wie vor ein Interesse daran, daß sowohl die Opposition wie auch der Bundesrat so schnell wie möglich diesem Gesetz zustimmen. Wenn wir wollen, können wir das bis zum 22. März im Bundesrat abschließend behandeln, so daß der Zeitverzug, der vom Vermittlungsausschuß ausgeht, wieder eingeholt werden kann. All das geht.
Aber, verehrter Herr Thönnes, ich hoffe, daß ich Sie vorhin falsch verstanden habe. Ich hoffe nicht, daß Sie gemeint haben, Ihr Aufruf, alle Rechtsausschüsse mögen das nun sehr ausgiebig prüfen und Gott weiß was veranstalten, solle eine Ankündigung sein, im Rahmen des jetzt beginnenden Gesetzgebungsverfahrens weiter zu blockieren.
Lassen Sie mich einen weiteren Gedanken vortragen. Es ist in der Politik natürlich so - das gehört ein
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
wenig zu den Ritualen -, daß die Redner der Opposition herkommen, den Minister beschimpfen, die Koalition beschimpfen und sagen, wir sähen das alles falsch. Sie stellen die These auf, daß die Bundesanstalt für Arbeit nun fulminant dazu geeignet sei, dies alles zu machen, obwohl jeder weiß, daß die zuständigen Stellen der Bundesanstalt für Arbeit seit 1993 aufgelöst sind.
Lassen wir doch einmal jemanden sprechen, der das vielleicht viel besser beurteilen kann als Herr Thönnes mit seinem gewerkschaftlichen Hintergrund oder andere mit ihrem Hintergrund aus dem Bereich der Berufsbildung. Lassen wir einfach eine junge Frau aus Hessen sprechen, die in einem Amt für Ausbildungsförderung arbeitet und mir in diesen Tagen geschrieben hat.
Diese Frau schreibt auf Grund ihrer langjährigen beruflichen Erfahrung:
Die kommunalen Ämter führen jetzt schon kompetent das BAföG für Schüler des zweiten Bildungsweges, der Kollegs, Berufsfachschulen, Fachschulen und anderer beruflicher und allgemeiner Schulen aus. Da das Meister-BAföG AFBG an die nicht einfachen Regelungen des BAföG anknüpft, sollte unter Berücksichtigung von Aufwand, Effizienz, Bürgernähe und des Begriffs der schlanken Verwaltung die Übertragung der Ausführung auf die bereits in allen Landkreisen und kreisfreien Städten existierenden kommunalen Ämter für Ausbildungsförderung vorgenommen werden.
Sie schreibt dann weiter:
Schon seit Beginn der Meister-BAföG-Diskussion werden interessierte Bürgerinnen
- übrigens, Frau Kollegin Altmann, „Bürgerinnen" mit großem I -
zum Beispiel von den Arbeitsämtern an die kommunalen Ämter für Ausbildungsförderung vermittelt. In dem Amt, wo ich arbeite, umfaßt die Interessenliste schon über 120 Namen. Die kommunalen Ämter müssen bereits jetzt Schülerinnen und Studierende der unterschiedlichen
Schul- und Ausbildungsformen beraten, zum Beispiel Fachschulen, Berufsfachschulen, zweiter Bildungsweg etc., während die Studentenwerke lediglich mit Hochschulen und Fachhochschulen zu tun haben. Die kommunalen Ämter sind die Ansprechpartner vor Ort, sei es für Schüler allgemein oder Studenten, die sich unbestrittenermaßen vor Ort an ihrem Wohnort bei den kommunalen Ämtern erste Informationen holen.
Meine Damen und Herren, wenn das unten vor Ort so gesehen wird, dann weiß ich nicht, warum wir uns dieser Erkenntnis verweigern.
Vielen Dank.