Rede von
Graf
Heinrich
von
Einsiedel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Ich habe nicht das Volk von Kroatien dafür verantwortlich gemacht, sondern ich habe das Kroatien, das heute von Herrn Tudjman nicht sehr demokratisch regiert wird, mit dem Jugoslawien des Poglavnik verglichen. Ich sehe dann keinen großen Unterschied mehr.
Der Kollege Fischer hat hier einmal von dem faschistischen Serbien gesprochen. In meinen Augen ist dieses Kroatien genauso faschistisch wie Serbien.
Hierzulande werden die Serben, wie man hier sieht, von der Mehrheit nicht nur in diesem Hause als die zu Recht besiegten Aggressoren angesehen. Wir sehen die Dinge etwas differenzierter und machen es uns nicht so einfach. Wer konnte denn realistischerweise erwarten, daß es die Serben widerstandslos hinnehmen würden, daß an die 4 Millionen von ihnen durch die internationale Anerkennung von Kroatien und Bosnien-Herzegowina als unabhängige Staaten - nebenbei unter Verletzung der für eine solche Anerkennung vorgesehenen Kriterien der Satzung der Vereinten Nationen - von eben auf jetzt zu Minderheiten in diesen Staaten gemacht worden sind? Diese Anerkennung war doch der Funke, der das Pulverfaß zum Explodieren brachte.
Wir haben es nicht begrüßt, daß die Serben - allerdings vielfach provoziert - zu den Waffen griffen. Aber wir stellen auch die Frage, ob die Europäische Gemeinschaft und speziell die Bundesrepublik genügend getan haben, um diese voraussehbare Explosion zu verhindern.
Wo war der politische Einsatz der Bundesrepublik, um die mit dieser Anerkennung automatisch verbundenen riesigen Minderheitenprobleme zu lösen, um die Minderheitenrechte der Serben, die da zu Minderheiten wurden, zu sichern, ehe sie einen Bürgerkrieg auslösten?
Der Aufstand der Serben ist niedergeschlagen worden, weil die internationale Gemeinschaft nach langem Zögern schließlich keinen anderen Ausweg aus der von ihr mitverschuldeten Situation mehr gesehen hat, als einseitig zugunsten der Kroaten und Bosnier in den Bürgerkrieg einzugreifen, um ihn zu beenden.
Wir sind die letzten, die das Schweigen der Waffen nicht begrüßen würden. Aber jetzt sollen die Serben auch noch Ostslawonien hergeben, eine Region, die heute nach den von allen Seiten vorgenommenen ethnischen Säuberungen und schrecklichen Flüchtlingsströmen, die meisten von ihnen Serben, ethnisch nahezu rein serbisch besiedelt ist. So teilt es jedenfalls das Verteidigungsministerium mit.
Was sich dort abspielen wird, wenn die IFOR-Truppen nach einem Jahr - wie heute allerdings unrealistisch versprochen wird - abrücken werden, kann man sich vorstellen, wenn man an die Eroberung der Krajina durch die Kroaten denkt.
Wir sind der Auffassung, daß es der vielbeschworenen neuen, größeren Verantwortung der Bundesrepublik weit besser angestanden hätte, ihr ganzes politisches und ökonomisches Gewicht für eine bessere und gerechtere Friedensregelung in die Waagschale zu werfen als für die jetzt diktierte, anstatt sich - wenn auch nur mit einem kleinen Kontingent - an der Durchsetzung eines Friedensdiktats zu beteiligen, das sehr kräftige Keime eines möglicherweise neuen und viel ausgedehnteren Balkankrieges in sich birgt, in den wir dann weiter mit hineingezogen werden.
Im übrigen sind wir der Überzeugung, daß die Beteiligung der Bundeswehr für den tatsächlichen Vollzug der Friedensimplimentierung im ehemaligen Jugoslawien ziemlich bedeutungslos ist. Aber alle diese Beschlüsse - angefangen von der deutschen Beteiligung an einem Waffenembargo, das, wie die Ereignisse gezeigt haben, vollkommen wirkungslos geblieben ist - sind nichts weiter als, man muß es zugeben, sehr geschickt eingefädelte Manöver, um das deutsche Volk an eine Außenpolitik seiner Regierung zu gewöhnen, in der Deutschlands Rolle als Militärmacht immer bedeutender wird.
Wir waren über die Greuel dieses Bürgerkrieges, die aber nicht nur von den Serben begangen worden sind, genauso entsetzt wie Sie alle in diesem Hause. Es ist kein Zweifel, daß dieser Krieg beendet werden mußte. Das heißt aber nicht, daß man die Art und Weise, wie er beendet worden ist, begrüßen muß.
Wir lehnen daher die Beteiligung der Bundeswehr an diesem Einsatz ab.