Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Ergänzung des Auftrags für die im Rahmen der multinationalen Friedenstruppe in Bosnien-Herzegowina eingesetzten Bundeswehrkontingente auch zur Unterstützung der UN-Mission im Ostslawonien ist politisch wie militärisch sinnvoll; politisch deswegen, weil es hier um die Stabilisierung der gesamten Region geht, bei der man einzelne Gebiete nicht isoliert betrachten darf.
Denn eine friedliche Lösung des Konfliktes um Ostslawonien ist für den Friedensprozeß als Ganzen von entscheidender Bedeutung. Herr Kollege Lippelt, wenn Sie das hier bestätigen und auch erkannt haben, dann frage ich Sie, warum Sie dem Antrag, der heute vorliegt, nicht zustimmen wollen oder können.
Wir Liberalen begrüßen ausdrücklich, daß hier heute eine Beschlußfassung des Parlaments zu dieser Frage herbeigeführt wird. Ich denke, es ist nicht nur das Recht des Parlaments, sondern auch die Pflicht des Parlaments, sich an solch wichtigen Entscheidungen zu beteiligen, dies um so mehr, als aus unserer Sicht absolute Rechtssicherheit für die Soldaten und deren Familien geschaffen werden muß. Das tun wir heute.
Es ist auch gut, daß unsere Soldaten hier eine breite Unterstützung durch das Parlament erfahren.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Zitat bringen:
Die Konsequenz aus dem Scheitern der UN wäre nicht nur ein Sieg der nackten Gewalt, sondern daraus würde weltweit auch die Erkenntnis gezogen, daß man im Einzelfall die Vereinten Nationen vergessen könne, wie Bosnien gezeigt habe, und daß eben allein das Setzen auf nationale Stärke zähle.
Meine Damen und Herren, diese Ausführungen, die aus einem Brief stammen, den der Kollege Fischer im vergangenen Jahr an seine Freunde in Partei und Fraktion schrieb, sind durchaus richtig. Ich will das unterstützen. Tatsächlich wäre ein Rückzug der Völkergemeinschaft aus dem Konflikt in Bosnien politisch, vor allem aber menschlich gesehen eine Katastrophe.
Das Nordatlantische Bündnis hat diese Katastrophe auf Bitten der UN verhindert. Der Friedensprozeß ist bei allen Schwierigkeiten, die es noch gibt, eingeleitet. Der NATO, den sie unterstützenden Nicht-NATO-Staaten und den Vereinten Nationen müssen wir hierfür Anerkennung zollen.
Wir alle hoffen, daß Hans Koschnick seine schwere Aufgabe erfolgreich fortführen kann. Herr Kollege Voigt, Herr Kollege Seiters, ich will für meine Fraktion ausdrücklich das unterstützen, was Sie für den Bereich der zivilen Komponente gesagt haben. Ich will das hier noch einmal betonen.
Aber, meine Damen und Herren, als falsch hat sich ja denn auch die Auffassung des Kollegen Fischer und seiner Fraktion erwiesen, wonach sich ein deutsches Engagement als konfliktverschärfend auswirken würde. Dies traf weder für den Einsatz in der Adria noch für den Einsatz unserer Tornados, noch
Günther Friedrich Nolting
für das Feldlazarett zu, auch nicht für die logistische Unterstützung, die wir leisten.
Wenn denn die Wertschätzung der UN, die in dem Zitat zum Ausdruck kommt, zutrifft, dann können Sie sich, Kollege Lippelt, heute nicht hier hinstellen und einer Mission eben dieser UN die Unterstützung verweigern, gerade weil sie von enormer Wichtigkeit für den Friedensprozeß in der gesamten Region ist.
Ich möchte ausdrücklich festhalten, daß die Aufgabe, die in Ostslawonien wahrgenommen wird, eine UN-Mission ist. Diese Aufgabe ist um so bedeutender, als an der Ostslawonienfrage der gesamte Friedensprozeß auf dem Balkan scheitern könnte, womit dann auch die UN gescheitert wäre, was wir - Sie haben es selbst erwähnt - unbedingt verhindern wollen. Nur müssen wir dann auch etwas für die Erreichung der Ziele tun.
Die UN hat um Unterstützung der Bosnien-Friedenstruppe gebeten, somit ist auch eine solche Unterstützung in Ostslawonien möglich und sinnvoll. Bei dem engen politischen Zusammenhang beider Einsätze wäre es falsch, diese Unterstützung zu verweigern. Die von der NATO koordinierte Friedenstruppe wird den Blauhelmen in Ostslawonien Unterstützung gewähren.
Genaugenommen ist dies beinahe, so will ich sagen, eine Selbstverständlichkeit. Ebenso selbstverständlich ist für uns Liberale, daß sich Deutschland dabei auch deshalb nicht verweigern wird, weil wir unsere Freunde und Partner und die Vereinten Nationen nicht im Stich lassen können.
Meine Damen und Herren, unter diesen Freunden und Partnern - das ist für uns ein besonders wichtiger Aspekt - sind auch russische Einheiten, die sich an der Friedensmission in Bosnien wie auch an der in Ostslawonien beteiligen. Wir sehen hier also eine historisch bisher einmalige Konstellation, in der nämlich deutsche, amerikanische, britische und französische Flugzeuge für Einheiten eines ehemaligen Gegners Unterstützung aus der Luft sicherstellen. Der außenpolitische Effekt der Vertrauensbildung, der damit verbunden ist, kann meines Erachtens gar nicht hoch genug bewertet werden.
Herr Kollege Lippelt, während Sie von den Grünen ständig von der Militarisierung der deutschen Außenpolitik reden, kristallisiert sich hier in Wirklichkeit auch ein Baustein für eine zukünftige europäische Sicherheitsarchitektur unter Einschluß Rußlands heraus. Man muß allerdings auch fähig sein, dies zur Kenntnis zu nehmen.
Wenn Sie von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in aller Welt deutlich machen, was Sie von den Vereinten Nationen halten, wie wichtig oder unwichtig Ihnen der Friedensprozeß ist, wie tief zerrissen Sie in einer wichtigen europäischen Frage sind, wenn Sie heute Ihre Unterstützung verweigern, nachdem Ihre Fraktion doch noch im Dezember grundsätzlich für eine Unterstützung des Friedensprozesses gestimmt hat, dann kann ich dies hier nicht mehr nachvollziehen.
Meine Damen und Herren, auf einen Umstand möchte ich Sie an dieser Stelle noch einmal hinweisen. Das Massenmorden und Vergewaltigen, die Konzentrationslager in Bosnien-Herzegowina sind durch den Einsatz von Militär beendet worden. Sie sind ebenso durch den Einsatz von Militär beendet worden, wie die Konzentrationslager in Deutschland und Europa am Ende des Zweiten Weltkrieges durch Militär befreit worden sind.
Ich bitte Sie, dies bei der wahrlich nicht leichten Entscheidung, die uns gleich bevorsteht, mit zu berücksichtigen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.