Rede von
Karsten D.
Voigt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Bevor ich zum Antrag der Bundesregierung spreche, möchte ich erst einmal auch namens der SPD-Bundestagsfraktion Hans Koschnick unseren Dank aussprechen. Er ist ein Mann, der aus seinen humanistischen Prinzipien praktische Konsequenzen zieht, ein ehemaliger Parlamentarier, der deutlich macht, daß Zivilcourage Leitmotiv nicht nur von Bürgern in unserem Lande, sondern auch von Politikern im Parlament sein kann.
Im Gegensatz zu vielen Leuten der Presse geben er und wir seine Aktion, seinen Auftrag noch nicht als gescheitert auf; denn wir sind ins Gelingen verliebt. Es wird noch viele solcher Schwierigkeiten geben - nicht nur in Mostar -, und trotzdem sollte man nicht jedesmal vom Scheitern reden, sondern von Schwierigkeiten, die es zu überwinden gilt.
Nun zum Antrag der Bundesregierung. Wir haben darauf bestanden, daß er im Bundestag erneut beraten wird, nicht weil wir wollen, daß immer nur militärische Fragen im Vordergrund der Debatte stehen - die zivilen Fragen sind wichtiger -, sondern deshalb, weil wir vor dem Verfassungsgericht erkämpft und erstritten haben, daß beim Einsatz der Bundeswehr das Parlament jeweils zu beteiligen ist. Das wollen wir auch heute verwirklicht sehen.
Wir werden dem Antrag der Bundesregierung zustimmen, und es werden auch zahlreiche derjenigen aus der SPD-Fraktion, die noch im November mit Nein gestimmt haben, diesmal mit Ja stimmen, und zwar aus folgenden Gründen: Es geht hier bei diesem erweiterten Einsatz der Bundeswehr nicht um zusätzliche militärische Maßnahmen; kein einziger Soldat, kein einziges Flugzeug wird zusätzlich eingesetzt. Deshalb ist jedes Gerede von einem weiteren Schritt der Militarisierung der Außenpolitik in diesem Zusammenhang schlicht und ergreif end Blödsinn.
Es geht einerseits darum, daß der Einsatz der IFOR in Bosnien-Herzegowina unterstützt wird, ohne daß es zu einem Einsatz zusätzlicher Soldaten oder Flugzeuge kommt, und es geht andererseits um die Absicherung von UNTAES. UNTAES ist eine Maßnahme der Vereinten Nationen; es handelt sich um eine Maßnahme, mit der präventiv verhindert werden soll, daß die Serben, die in diesem Gebiet gelebt haben, bevor serbische Truppen das Gebiet erobert haben, oder die Serben, die dorthin aus Bosnien geflüchtet sind, nachdem serbische Truppen es erobert haben, von dort vertrieben werden, und mit der sichergestellt werden soll, daß Kroaten in dieses Gebiet, aus dem sie vertrieben worden sind, zurückkehren können, ohne daß sie gefährdet sind. Eine solche präventive Verhinderung von Vertreibung und möglichem Völkermord kann doch nur im Sinne dieses Hauses insgesamt liegen.
Ich habe über diesen Einsatz lange mit Jacques Klein, dem Leiter der zivilen Administration in Ostslawonien, gesprochen. Er hat mir gesagt, er rechnet gar nicht mit militärischen Auseinandersetzungen, weil das Risiko für jeden, insbesondere für die Kroaten, sehr groß sei, solange die Versorgungslinien der Amerikaner durch Ostslawonien führen.
Allerdings wünscht er sich diese zusätzliche Absicherung durch IFOR und auch durch die Luftstreitkräfte als eine präventive Warnung an jeden, der vielleicht versucht sein könnte, irgend etwas zu unternehmen. Wenn ein solcher Wunsch von dem Leiter der zivilen Administration an mich gerichtet wird, kann ich nur sagen: Ein ziviler Administrator möchte, daß seine zivile Maßnahme Erfolg hat. Nicht die Militärs haben ihm diese Zielsetzung aufgedrängt; vielmehr kam der Wunsch von der zivilen Seite. Das haben wir zu respektieren.
Karsten D. Voigt
Nun zu dem Zivilen selber; denn darin sehe ich das Hauptproblem nicht nur für Ostslawonien, sondern auch für Bosnien-Herzegowina. Ich glaube, daß die IFOR-Maßnahmen in den letzten Tagen und Wochen sehr viel gebracht haben; sie haben dazu geführt, daß es eine schrittweise militärische Entflechtung gegeben hat, daß es auch zu einem Gefangenenaustausch gekommen ist und daß die ersten halb zivilen, halb militärischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Rüstungskontrolle und der Abrüstung vorbereitet werden konnten, zum Beispiel hier auf dem Petersberg. Dafür auch Ihnen, Herr Bundesaußenminister, herzlichen Dank und unsere Unterstützung!
Allerdings fehlt im zivilen Bereich vieles. Manche Verzögerung ist unvermeidlich, weil die Vorbereitung in bezug auf das Zivile erst nach den Entscheidungen des UNO-Sicherheitsrates begonnen werden konnte und für die zivilen Bereiche keine etablierten Strukturen - so wie innerhalb der NATO - zur Verfügung stehen. Manches ist unentschuldbar. Es ist gut, daß die Bundesregierung sich verpflichtet hat, 200 Polizisten nach Bosnien-Herzegowina zu schikken. Es ist ein inakzeptabler Skandal, daß von diesen 200 Polizisten noch kein einziger in Bosnien-Herzegowina angekommen ist.
Es ist ein Versagen des kooperativen Föderalismus, daß es durch Streit zum Teil innerhalb der Bundesregierung, zum Teil zwischen Bund und Ländern dazu gekommen ist. Das ist unentschuldbar.
Es gibt viele bürokratische Gründe dafür; es gibt keinen einzigen, den ich als Bundestagsabgeordneter und den die SPD akzeptieren kann, keinen einzigen.
Ich kann auch nicht akzeptieren, daß die OSZE bisher noch nicht ausreichend unterstützt wird, um die Wahlen, die schwierig genug sein werden, vorzubereiten.
Ich kann auch nicht akzeptieren - bei allem Drängen, daß die Amerikaner, die Japaner und die islamische Welt am finanziellen Wiederaufbau beteiligt werden müssen -, daß die Bundesregierung auf eine Anfrage hier im Bundestag erklärt, keine zusätzlichen Maßnahmen über die deutschen Anteile an den EU-Hilfen hinaus zu beabsichtigen. Darum werden wir nicht herumkommen.
Man kann zehnmal sagen, daß wir mit der Übernahme einer großen Zahl von Flüchtlingen - der größten von allen Ländern überhaupt - unseren Anteil schon geleistet haben. Das ist aber keine Entschuldigung, beim Wiederaufbau nicht auch bilaterale Maßnahmen zusätzlich abzusichern. Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, bei diesem Wiederaufbau nicht nur darauf zu drängen, daß die EU schneller entscheidet, sondern auch darauf zu drängen und zu überlegen, was wir darüber hinaus in bilateralem Rahmen machen können. Das ist ein wichtiger Beitrag.
Ich denke dabei auch an die Aufgabe unserer Stiftungen. Wir müssen verhindern, daß es zu Wahlen nur zwischen faktisch ethnischen Parteien kommt.
Das war schon einer der Gründe für das Auseinanderfallen Bosnien-Herzegowinas nach der Erklärung der Selbständigkeit. Wir haben jetzt alle Interesse daran - alle parteinahen Stiftungen gleichermaßen -, daß durch die Unterstützung von zivilen, vielleicht auch säkularen, von multiethnischen Strukturen und solchen, bei denen nicht immer nur eine Partei - der Kroaten, der Muslime oder der Serben - eine Rolle spielt, ein Pluralismus nicht nur zwischen den verschiedenen Völkern, sondern auch innerhalb der verschiedenen Völker entsteht.
Wir haben ein Interesse daran - da geht mein Appell an die verschiedenen deutschen Rundfunk-und Fernsehanstalten; übrigens nicht nur die öffentlichen, sondern auch die privaten können da mal was tun -, daß sie beim Aufbau von zivilen Informationsmitteln, von pluralistischen Informationsmitteln helfen.
Das gilt für Rundfunk und Fernsehen; das gilt aber auch für Zeitungen. Wir müssen darauf drängen, daß die Information nicht so parteiisch stattfindet, wie das zur Zeit der Fall ist. Faktisch gibt es dort zwar Rundfunksendungen der verschiedenen Nationen; aber der Pluralismus innerhalb dieser Sendungen ist nicht gewährleistet.
Wir haben eine ungeheuer schwierige Aufgabe, bei der ich glaube, daß wir als Parlamentarier unseren Beitrag leisten können. Ein Beispiel: Bei der OSZE geht es um die parlamentarische Begleitung dieses gesamten Wahlvorgangs. Ich glaube, daß sich die Parlamentarische Versammlung der OSZE, die sich schon in ihrer letzten Sitzung mit den Wahlen befaßt hat - Freimut Duve ist da, der Kollege Wimmer ist da; ich treffe mich demnächst mit dem Vorsitzenden der OSZE-Parlamentarierkonferenz, Herrn Swaelen -, an der vorbereitenden Begleitung des Wahlprozesses selber aktiv beteiligen sollte. Wer sonst als Parlamentarier hat eine Verantwortung dafür, daß die Wahlen unter demokratischen Vorzeichen und fairen Bedingungen stattfinden?
Ich möchte der Kollegin Leni Fischer hier im Plenum noch einmal zu ihrer Wahl als Vorsitzende der
Karsten D. Voigt
Parlamentarischen Versammlung des Europarates gratulieren.
Ich glaube, daß der Europarat mit seinen zahlreichen Traditionen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte sowohl auf der Exekutivebene wie auf der parlamentarischen Ebene eine ungeheure Aufgabe und Chance hat, zivilisierend auf diesen Konflikt einzuwirken.
Ich selber werde in meiner Eigenschaft als Präsident der Nordatlantischen Versammlung Seminare in dem Gebiet mit durchführen, bei denen es um die zivile Kontrolle der militärischen Faktoren geht und an denen Parlamentarier aus kroatischen, serbischen und muslimischen Gebieten gemeinsam beteiligt werden, die mit ost- und westeuropäischen Parlamentariern über die zivile Kontrolle des militärischen Bereichs und den Schutz von Minderheiten reden.
Was will ich damit sagen? Die militärische Komponente beschließen wir heute. Sie wird möglicherweise nach einem Jahr enden. Aber an der zivilen Komponente müssen wir alle mitwirken. Dafür muß viel mehr getan werden. Es wird leider mehr brauchen als das eine Jahr. Ich wünsche uns allen viel Erfolg. Wir werden zustimmen.