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    Plenarprotokoll 13/81 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 81. Sitzung Bonn, Freitag, den 19. Januar 1996 Inhalt: Nachruf auf das Mitglied des Deutschen Bundestages Rainer Haungs 7131 A Erweiterung der Tagesordnung 7147 A Tagesordnungspunkt 12: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stabilisierung der Krankenhausausgaben 1996 (Drucksachen 13/3061, 13/3498) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Rudolf Dreßler, Klaus Kirschner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines GesundheitsstrukturKonsolidierungsgesetzes (Drucksachen 13/3039, 13/3498) 7131 C Eva-Maria Kors CDU/CSU 7131 D Dr. Martin Pfaff SPD 7133C, 7146 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 7135D Dr. Paul K. Friedhoff F D P. 7137 A Dr. Ruth Fuchs PDS 7138 A Ulf Fink CDU/CSU 7138 D Dr. Martin Pfaff SPD 7139C, 7143B, C Waltraud Lehn SPD 7140A Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 7142 B, 7146 B Dr. R. Werner Schuster SPD 7144 C Zusatztagesordnungspunkt: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Übernahme befristeter Kündigungsmöglichkeiten als Dauerrecht (Drucksachen 13/1693, 13/2942, 13/3362, 13/3527) 7147A Tagesordnungspunkt 13: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über Kinderarbeit in der Welt (Drucksachen 13/1079, 13/1233 Nr. 1.6, 13/1857) 7147 B Wolfgang Meckelburg CDU/CSU 7147 C Petra Ernstberger SPD 7148 C Johannes Singhammer CDU/CSU 7149 B Wolfgang Meckelburg CDU/CSU 7150 A Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 7150 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 7151 D Rosel Neuhäuser PDS 7152 D Marlies Pretzlaff CDU/CSU 7153 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 7154 B Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 7155 C Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Strafverfahrensänderungsgesetzes 1994 (Drucksache 13/194) 7156 C b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Strafverfahrensänderungsgesetzes - DNA-Analyse („genetischer Fingerabdruck") (Drucksache 13/667) 7156 C c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Strafverfahrensänderungsgesetzes - Genetischer Fingerabdruck (Drucksache 13/ 3116) 7156 C Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 7156 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 7158 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 7159 D Heinz Lanfermann F.D.P 7161 A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 7162 A Ronald Pofalla CDU/CSU 7163 B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 7163 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 7165 A Nächste Sitzung 7166 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 7167* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 7167* C 81. Sitzung Bonn, Freitag, den 19. Januar 1996 Beginn: 10.15 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Belle, Meinrad CDU/CSU 19. 1. 96 Borchert, Jochen CDU/CSU 19. 1. 96 Brandt-Elsweier, Anni SPD 19. 1. 96 Deß, Albert CDU/CSU 19. 1. 96 Doss, Hansjürgen CDU/CSU 19. 1. 96 Eymer, Anke CDU/CSU 19. 1. 96 Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 19. 1. 96 Glücklich, Wilma CDU/CSU 19. 1. 96 Gröhe, Hermann CDU/CSU 19. 1. 96 Großmann, Achim SPD 19. 1. 96 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 19. 1. 96 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 19. 1. 96 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 19. 1. 96 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 19. 1. 96 90/DIE GRÜNEN Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 19. 1. 96 Hornung, Siegfried CDU/CSU 19. 1. 96 ' Junghanns, Ulrich CDU/CSU 19. 1. 96 ' Koschyk, Hartmut CDU/CSU 19. 1. 96 Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 19. 1. 96 Leidinger, Robert SPD 19. 1. 96 Lemke, Steffi BÜNDNIS 19. 1. 96 90/DIE GRÜNEN Meißner, Herbert SPD 19. 1. 96 Michels, Meinolf CDU/CSU 19. 1. 96 ' Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 19. 1. 96 Neumann (Berlin), Kurt SPD 19. 1. 96 Neumann (Gotha), SPD 19. 1. 96 Gerhard Otto (Erfurt), Norbert CDU/CSU 19. 1. 96 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 19. 1. 96 ' Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 19. 1. 96 Hermann Reschke, Otto SPD 19. 1. 96 Rixe, Günter SPD 19. 1. 96 Dr. Scheer, Hermann SPD 19. 1. 96 ' Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 19. 1. 96 Seuster, Lisa SPD 19. 1. 96 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 19. 1. 96 Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 19. 1. 96 Vogt (Duren), Wolfgang CDU/CSU 19. 1. 96 Wallow, Hans SPD 19. 1. 96 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 19. 1. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 692. Sitzung am 15. Dezember 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Zweites Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes im Bereich des Baugewerbes - Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASRG-AndG) - Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Fünftes Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Krankenversicherungsrechtlicher Vorschriften (Fünftes SGB V-Änderungsgesetz - 5. SGB V-ÄndG) - Gesetz zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes und des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes - Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe - Erstes Gesetz zur Änderung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes - Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1996 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1996) - Gesetz zu dem Vertrag vom 19. Mai 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über Erleichterungen der Grenzabfertigung im Eisenbahn-, Straßen- und Schiffsverkehr - Gesetz zu dem Abkommen vom 18. April 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Autobahnzusammenschluß und den Bau einer Grenzbrücke über die Mosel im Raum Perl und Schengen - Gesetz zu dem Protokoll vom 10. Mai 1984 zur Änderung des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt (9. Änderung des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt) - Gesetz zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 1994 - Gesetz zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten - Mikrozensusgesetz und Gesetz zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes - Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1995 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungs - gesetz 1995 - BBVAnpG 95) - Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Zweites Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) - Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über den Abbau von Salzen im Grenzgebiet an der Werra - ... Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (. . . SGB V-Anderungsgesetz - ... SGB V-ÄndG) - Zweites Gesetz zur Änderung des Fleischhygienegesetzes - Gesetz zur Ergänzung des Jahressteuergesetzes 1996 und zur Änderung anderer Gesetze - Jahressteuer-Ergänzungsgesetz (JStErgG) 1996 - - Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) Zu den vier letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat die folgenden Entschließungen gefaßt: Entschließung des Bundesrates zum ... Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (. . . SGB V-Änderungsgesetz -): Die vom Deutschen Bundestag mit Koalitionsmehrheit beschlossene Änderung des § 311 SGB V widerspricht der einstimmig beschlossenen Initiative des Bundesrates vom 22. September 1995 zur unbefristeten Verlängerung der kirchlichen Fachambulanzen. Die vorgesehene Umwandlung der Ambulanzen in Gemeinschaftseinrichtungen niedergelassener Vertragsärzte und das erleichterte Niederlassungsrecht für an den Fachambulanzen tätige Ärzte bedeutet die Auflösung der Fachambulanzen. Dies bedauert der Bundesrat. Der Beschluß des Bundestages berücksichtigt in keiner Weise, daß die kirchlichen Fachambulanzen in der ehemaligen DDR unter schwierigsten Bedingungen Hervorragendes für die Bevölkerung geleistet haben, daß sie sich auch nach der Vereinigung bewährten und bei den Menschen in einem hohen Ansehen stehen, daß sie einen festen Platz in der ambulanten Versorgung haben, wirtschaftlich und effizient arbeiten und außerdem dem gesundheitspolitisch gewollten Wettbewerbsgedanken und der Wahlmöglichkeit von Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung Rechnung tragen. Mit der Auflösung wird zugleich ein Modell für die Verzahnung von stationärer und ambulanter Behandlung zerschlagen. Die Auflösung der 45 bestehenden Fachambulanzen bedeutet auch eine Ungleichbehandlung gegenüber den rund 200 kommunalen und staatlichen Polikliniken. Diese sind weiterhin unbefristet zugelassen. Dies ist um so unverständlicher, als eine Umwandlung der kirchlichen Fachambulanzen in den Polikliniken vergleichbare eigenständige ambulante Einrichtungen, die ein auch von den kirchlichen Fachambulanzen mitgetragener Kompromiß gewesen wäre, nicht zugelassen wurde. Der Bundesrat verzichtet dennoch auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses, weil ansonsten die kirchlichen Fachambulanzen aufgrund der bestehenden Rechtslage schon zum 31. Dezember 1995 aufzulösen wären und dies zum aktuellen Verlust von mehreren hundert Arbeitsplätzen führen würde. Entschließung des Bundesrates zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Fleischhygienegesetzes: Die Anwendung des Fleischhygienerechts in der Praxis hat gezeigt, daß insbesondere im Zusammenhang mit dem illegalen Einsatz von Stoffen mit pharmakologischer Wirkung bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen und in Teilbereichen erhebliche Probleme bei der Ahndung und einer effektiven Überwachung bestehen. Da die Verbraucherschutzmaßnahmen schon am lebenden Tier einsetzen müssen und eine strafrechtliche Verfolgung von rechtswidrig handelnden Tierbesitzern unabdingbar ist, müssen die Rechtslücken - den §§ 8, 15 und 17 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes vorgelagert - geschlossen werden. Dazu ist es erforderlich, grundsätzliche Beschaffenheitsanforderungen für die der Lebensmittelgewinnung dienenden Tiere festzuschreiben. Dieses auch deshalb, weil die Stoffe beim lebenden Tier angewendet werden und die fleischhygienerechtliche Genußtauglichkeitskennzeichnung nicht die allgemeine Verkehrsfähigkeit des Fleisches, sondern lediglich das dokumentiert, was die amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchung einschließlich der Trichinenuntersuchung sowie der stichprobenweisen Rückstandsuntersuchungen nach den rechtlich fixierten Vorgaben zu leisten vermögen. Es ist nicht tolerierbar, daß Tiere mit Rückständen von verbotenen Stoffen oder Schlachttiere innerhalb festgesetzter Wartezeiten in den Verkehr gebracht oder geschlachtet werden. Da es praktisch unmöglich ist, die gesamte Palette von Rückständen im Rahmen der routinemäßigen Schlachttier- und Fleischuntersuchung abzudecken, der Besitzer aber über die eingsetzten Stoffe unterrichtet ist, muß sich ein entsprechendes Verbot schon im Vorfeld der Lebensmittelgewinnung an ihn richten. Es muß die Möglichkeit geschaffen werden, die für die Manipulation am lebenden Tier Verantwortlichen wirksam zur Rechenschaft ziehen und einer Ausuferung krimineller Machenschaften begegnen zu können. In diesem Zusammenhang wird auch an die Forderung nach Maßnahmen bei mangelhafter Kennzeichnung der Schlachttiere nach dem Beschluß des Bundesrates vom 17. Februar 1995 (- BR-Drucksache 1895 [Beschluß] -) erinnert. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die aufgezeigten Rechtslücken durch entsprechende Änderung des Fleischhygienegesetzes bei nächster Gelegenheit zu schließen und ergänzende Vorschriften bei der anstehenden Änderung der Fleischhygiene-Verordnung aufzunehmen. Der Bundesrat bittet ferner, in bezug auf das Geflügelfleischhygienerecht analog zu verfahren und zu prüfen, ob zur Sicherstellung des Verbraucherschutzes vor Rückständen von Stoffen mit pharmakologischer Wirkung auch die Ergänzung anderer Rechtsvorschriften erforderlich ist. Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Ergänzung des Jahressteuergesetzes 1996 und zur Änderung anderer Gesetze - Jahressteuer-Ergänzungsgesetz (JStErgG) 1996-: 1. Mit dem Jahressteuergesetz 1996 ist eine Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts erfolgt, die im Hinblick auf die nicht erfolgte Anpassung der außersteuerlichen Bestimmungen des Reisekostenrechts in Bundes- und Landesgesetzen in vielen Fällen zu einer Besteuerung des Auslagenersatzes bei Dienstreisen führt. Der Bundesrat hält die damit verbundene erhebliche Verwaltungsmehrarbeit für nicht vertretbar. Er bittet die Bundesregierung, in Abstimmung mit den Ländern unverzüglich eine Neuregelung zu erarbeiten, die den nach der Regelung des Jahressteuergesetzes 1996 auftretenden Verwaltungsaufwand vermeidet. Dazu verweist er auf seinen Beschluß vom 3. November 1995 zu Punkt 39 (Drucksache 600/95 - Beschluß -). Der Bundesrat sieht trotz seiner Bedenken gegen den vorliegenden Gesetzesbeschluß davon ab, aus dem o. g. Grund den Vermittlungsausschuß anzurufen, damit das Gesetz rechtzeitig zum 1. Januar 1996 in Kraft treten kann. 2. Das Jahressteuergesetz 1996 sieht vor, daß ab 1. Januar 1996 sowohl im unternehmerischen Bereich als auch bei der Gestellung von Kraftwagen durch Arbeitgeber an Arbeitnehmer der Vorteil aus der privaten Pkw-Nutzung pauschaliert wird. Für reine Privatfahrten sollen monatlich 1 v. H. des Listenpreises und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeits-/ Betriebsstätte monatlich 0,03 v. H. des Listenpreises je Entfernungskilometer angesetzt werden. Eine weitere Prüfung der Auswirkungen dieser Neuregelung auf die Automobilindustrie hat ergeben, daß bei der im Vermittlungsverfahren getroffenen Regelung nicht alle Einzelheiten bedacht worden sind. Insgesamt wird die neue Regelung - besonders bei Fahrzeugen der gehobenen Preisklasse - gegenüber dem geltenden Recht zu einer deutlich höheren Besteuerung führen. Hinzu kommen Auswirkungen auf die Arbeitnehmer in der Automobilindustrie, die sich dadurch ergeben, daß die Automobilhersteller ihren Mitarbeitern - als Alternative zum Kauf eines Jahreswagens - verschiedentlich ein Fahrzeug zur Miete anbieten. In diesen Fällen war unter Zugrundelegung der geltenden Bestimmungen bei den Arbeitnehmern, die von diesem Angebot Gebrauch gemacht haben, regelmäßig kein geldwerter Vorteil zu erfassen. Nach der vorgesehenen Neuregelung würde sich dies ändern. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, diese neuen Regelungen im Rahmen der geplanten Unternehmenssteuerreform noch einmal zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Entschließung des Bundesrates zum Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996): 1. Der Bundesrat weist hinsichtlich der im Etatentwurf 1996 vorhandenen Finanzierungslücke und der zur Deckung dieses Defizits ergriffenen Maßnahmen auf folgendes hin: a) Der Bundesrat hat bereits in seiner Stellungnahme vom 22. September 1995 zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) - BR-Drucksache 450/95 - und zu dem Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 - BR-Drucksache 451/95 - hervorgehoben, daß die Ausgabenkürzungen 1996 für den gesamten Bereich Arbeitsmarkt und Arbeitsschutz die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt verkennt. Soweit nunmehr in dem Bundeshaushalt ein Zuschuß von 4,3 Milliarden DM an die Bundesanstalt für Arbeit eingestellt ist, trägt auch dieser Ansatz nach wie vor der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt nicht hinreichend Rechnung. Die wirtschaftliche Entwicklung läßt bedauerlicherweise erwarten, daß die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau weiterhin Bestand haben wird. Seit der Vorlage des Haushaltsentwurfs hat sich hieran nichts geändert. Damit verbleibt es dabei, daß kein besonderer Grund zu der Annahme besteht, der bisherige Zuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit i. H. v. 8 Milliarden DM könne gekürzt werden. b) Die Aufstockung des Ansatzes für die Arbeitslosenhilfe um 2,2 Milliarden DM gegenüber dem ursprünglichen Ansatz von 14,8 Milliarden DM berücksichtigt die vom Bundesrat bereits erhobenen Einwände gegen die Pläne zur Kürzung der Leistungen im Bereich der Arbeitslosenhilfe nicht. Der Bundesrat weist nochmals daraufhin, daß er insbesondere folgende - z. T. erst jetzt konkretisierte - geplante Maßnahmen ablehnt: - Die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe, - die Senkung der Bemessungsentgelte für die Arbeitslosenhilfe jährlich um 5 Prozent bis auf den durchschnittlichen Tariflohn der untersten Lohngruppe, - die Einbeziehung von Arbeitslosen in die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erst nach 12 Monaten (bisher nach 6 Monaten). Diese Maßnahmen führen zu Kostenverlagerungen auf die Länder und Gemeinden. Der Bund will damit Etatsanierung auf Kosten dieser Gebietskörperschaften durchführen. Dies gilt auch für die Schiffsbauhilfen. Nachdem die Bundesregierung bedauerlicherweise bereits bei den Wettbewerbshilfen eine Reduzierung des Bundesanteils von 50 v. H. auf 33,3 v. H. vorgenommen hat, ist nunmehr auch der Bundesanteil an den Zinszuschüssen zur Finanzierung von Aufträgen an die deutschen Schiffswerften trotz sektoraler Förderzuständigkeit auf die Hälfte reduziert worden. c) Die Deckung der Defizite durch geplante Privatisierungen, welche Erlöse von 9 Milliarden DM erbringen sollen, stellt eine Maßnahme dar, die ausschließlich zur Finanzierung der Ausgaben des Jahres 1996 dienen soll. Maßnahmen zur nachhaltigen Ausgabenplanung angesichts verminderter Einnahmen und eines strukturellen Defizits fehlen. d) Der Bundesrat hält insbesondere die angekündigte Veräußerung der Bundesanteile an der „Frankfurter Siedlungsgesellschaft mbH" und der „Gemeinnützigen Deutschen Wohnungsbaugesellschaft - Deutschbau -" für bedenklich. Die erwarteten Privatisierungserlöse i. H. v. 4 Milliarden DM sind mit dem Verkauf der beiden Wohnungsgesellschaften im Jahre 1996 nicht zu erzielen. Unter derartigem Zeit- und Erlösdruck sind seriöse Privatisierungen nicht erreichbar. Es werden lediglich Ängste und Unsicherheiten bei den betroffenen rund 50 000 Haushalten ausgelöst. 2. Der Bundesrat nimmt mit Befremden zur Kenntnis, daß von ihm wegen der erheblich angewachsenen Aufgaben geforderte Personalstellen und geltendgemachter Sachmittelbedarf nicht in vollem Umfang berücksichtigt worden sind. Die Anforderungen sind zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Bundesrates erforderlich. Bundestag und Bundesrat sind nach dem Grundgesetz souveräne Verfassungsorgane. Hiermit ist die Nichtberücksichtigung der Anforderungen des Bundesrates durch den Bundestag nicht vereinbar. Denn diese Nichtberücksichtigung ist gleichbedeutend mit der Beschneidung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des einen Gesetzgebungsorgans durch das andere. Der Bundesrat erwartet, daß bei künftigen Haushaltsplanungen den guten parlamentarischen Gepflogenheiten entsprechend seine für eine effektive Arbeit erforderliche sächliche und personelle Ausstattung im Bundeshaushalt angemessen dotiert wird. 3. Im übrigen verweist der Bundesrat auf seinen Beschluß vom 22. September 1995 - Drucksache 450/95 (Beschluß) -. Die Gruppe der PDS hat mit Schreiben vom 16. Januar 1996 ihren Gesetzentwurf „Entwurf eines Gesetzes über den Tag der Mahnung und Erinnerung an die jüdischen Opfer des Massenmordes während der Nazidiktatur zwischen 1933 und 1945 in Deutschland" - Drucksache 13/810 - zurückgezogen. Des weiteren hat die Gruppe der PDS mit Schreiben vom 18. Januar 1996 ihren Gesetzentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs" - Drucksache 13/1726 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksachen 13/2109, 13/2402 Nr. 1 Drucksachen 13/2139, 13/2402 Nr. 2 Drucksachen 13/2248, 13/2402 Nr. 4 Drucksachen 13/2144, 13/2643 Nr. 1 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksachen 13/1718, 13/2275 Nr. 1.1 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksachen 12/7539, 13/725 Nr. 133 7170* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1996 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksachen 12/7144, 13/725 Nr. 170 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/3002, 13/725, Nr. 12 Drucksachen 13/1096 (Berichtigung) Drucksache 13/1338, Nr. 2.13 Drucksache 13/2674, Nr. 2.12 Finanzausschuß Drucksache 13/2306, Nr. 1.1 Drucksache 13/2674, Nr. 2.22 Drucksache 13/2674, Nr. 2.24 Drucksache 13/2674, Nr. 2.32 Drucksache 13/2674, Nr. 2.42 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/2306, Nr. 2.32 Drucksache 13/2306, Nr. 2.43 Drucksache 13/2306, Nr. 2.89 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/2494, Nr. 1.7 Drucksache 13/2494, Nr. 1.11 Drucksache 13/2674, Nr. 2.30 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/218, Nr. 91 Drucksache 13/614, Nr. 2.10 Drucksache 13/614, Nr. 2.11 Drucksachen 12/7741, 13/725, Nr. 1.50 Drucksache 13/2306, Nr. 2.52 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/2306, Nr. 2.48 Drucksache 13/2306, Nr. 2.88 Drucksache 13/2306, Nr. 2.99 Drucksache 13/2494, Nr. 1.8 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/2306, Nr. 2.4 Drucksache 13/2426, Nr. 1.6 Drucksache 13/2674, Nr. 2.29
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    Rede von Prof. Dr. Jürgen Meyer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der genetische Fingerabdruck - in diesem Punkt stimme ich mit dem Kollegen Dr. Mahlo überein - bedarf dringend einer gesetzlichen Regelung. 1987 erstmals in England angewandt, ist er inzwischen als moderne Methode zur Gewinnung von Sachbeweisen und zur Überführung von Straftätern auch in Deutschland weitgehend anerkannt.
    Gegenstand der Spurenuntersuchung ist ein Riesenmolekül, welches das gesamte Erbmaterial eines Menschen enthält und in jeder kernhaltigen Körperzelle zu finden ist. Durch die Untersuchung läßt sich nachweisen, ob am Tatort gefundenes Spurenmaterial wie Haare, Blut, Hautpartikel oder Sperma vom Tatverdächtigen stammt. Das von dem Engländer Alec Jeffrey entwickelte Verfahren dient seit über zehn Jahren auch zur Klärung von Abstammungsfragen.
    Weltweit bekannt wurde der genetische Fingerabdruck durch den Fall Pitchfork, den Fall eines Beschuldigten, der mit diesem Verfahren der Vergewaltigung und Ermordung von zwei jungen Mädchen in den Jahren 1983 und 1986 in Leicestershire überführt werden konnte. Die Polizei hatte 5 511 Männer, die zur Tatzeit in jener Gegend wohnten, aufgefordert, sich zur Blutprobe zur Verfügung zu stellen. Unter ihnen war auch Colin Pitchfork, der zunächst einen Arbeitskollegen für 200 Pfund mit falschem Ausweis zur Blutabnahme geschickt, sich dann aber selbst zur Verfügung gestellt hatte.
    Warum erwähne ich diese Vorgeschichte? Sie macht deutlich, daß es die größten Erfahrungen mit dem genetischen Fingerabdruck in England gibt. So war es nur konsequent, daß die ersten deutschen
    Gerichte, die sich dieser Methode bedienten, nämlich die Landgerichte Berlin und Darmstadt, das Spurenmaterial zur Durchführung der Analyse nach England geschickt haben.
    Deshalb stützt sich auch der von der SPD-Bundestagsfraktion erstmals 1992 und erneut 1995 eingebrachte Gesetzentwurf auf eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Einbeziehung der Erfahrungen in Großbritannien, die auf meine Anregung im Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht durchgeführt und 1993 von Birgit Klumpe veröffentlicht worden ist. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß es zum Zeitpunkt unserer Gesetzesinitiative im Jahre 1992 immerhin auch einen Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums gegeben hat.
    Warum also bedarf der genetische Fingerabdruck dringend einer gesetzlichen Regelung? Die Untersuchung des menschlichen Erbmaterials ist ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, für die nicht zuletzt das 1983 vom Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil entwickelte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gilt. Für derartige Eingriffe bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. Diese fehlt bisher.
    Zu Unrecht verweist die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf pauschal auf §§ 81 a und 81 c StPO; denn diese decken nur den Eingriff in die körperliche Integrität durch die Entnahme von Körperzellen. Der entscheidende zweite Schritt, nämlich die Untersuchung des menschlichen Erbmaterials durch die sogenannte Genomanalyse, bedarf noch einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Das gilt um so mehr, als mit fortschreitender technischer Entwicklung nicht nur die Identität und Abstammung, sondern durch Untersuchung der kodierenden Teile des Spurenmaterials auch Gendefekte wie Erbkrankheiten oder gar bestimmte Charaktereigenschaften festgestellt werden könnten. Wir sind der Auffassung, daß der Gesetzgeber das erlaubte Ziel der Genomanalyse eindeutig bestimmen und verfassungskonform einschränken sollte.
    Übrigens, Herr Kollege Dr. Mahlo, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt ohnehin im Strafverfahren, ob man ihn ausdrücklich nennt oder nicht.

    (Dr. Dietrich Mahlo [CDU/CSU]: Im Ermittlungsverfahren nicht!)

    - Er gilt auch im Ermittlungsverfahren.
    Die gesetzliche Regelung muß die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Datenschutzes beachten und durchsetzen. Sie kann sich also nicht darauf beschränken, eine Praxis, die sich inzwischen entwickelt hat, ohne nähere Prüfung zu legitimieren. Das ist die Hauptschwäche des vorliegenden Bundesratsentwurfs, der allen Ernstes meint, die möglicherweise über das Schicksal des Angeklagten entscheidenden Untersuchungen könnten von Sachverständigen durchgeführt werden, die der ermittlungsführenden Behörde angehören. Gemeint sind offenbar die Landeskriminalämter.

    Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

    Mit Recht fordert auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, daß Strafverfolgung und DNA- Analyse funktionell getrennt werden müssen, um Mißbrauchsgefahren einzudämmen. Mehr Einsicht zeigt hier schon die Bundesregierung, die immerhin fordert, daß die Forschungsabteilung des Kriminalamtes von der ermittlungsführenden Organisationseinheit zumindest abgeschottet sein sollte.
    Ich finde es übrigens befremdlich, daß der Bundesrat seinen unter anderem in diesem wichtigen Punkt abweichenden Gesetzentwurf in der heutigen Debatte anscheinend nicht vertreten will. Ich hätte es gut gefunden, wenn wir eine Debatte über den Entwurf des Bundesrates und eine Begründung durch den Bundesrat hätten hören können.

    (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Das ist ein altes Problem!)

    Alle drei Entwürfe sprechen eine Vielzahl von Problemen mit unterschiedlichen Lösungsvorschlägen an. Ich will beispielhaft nur acht Punkte nennen, aber bereits jetzt feststellen, daß überzeugende Lösungen nur auf der Grundlage einer Sachverständigenanhörung zu finden sein werden, die zumindest die Mitglieder des federführenden Rechtsausschusses und der mitberatenden Ausschüsse mit der außerordentlich komplexen Materie vertraut macht.
    Erstens. Während SPD und zumindest ursprünglich die Bundesregierung die ausschließliche Anordnung der Genomanalyse durch einen Richter vorschlagen, möchte der Bundesrat den Richtervorbehalt durch eine Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft relativieren. Der Kollege Dr. Mahlo scheint dem folgen zu wollen.
    Hier wird möglicherweise die erste Stufe der Sicherung des Spurenmaterials, bei der Eile geboten sein kann, nicht deutlich genug von der zweiten Stufe, der Genomanalyse, getrennt. Uns ist jedenfalls kein einziger Fall bekannt, bei dem die Analyse so rasch angeordnet werden mußte, daß für die zu treffende Entscheidung ein Richter nicht aufzufinden war. In aller Regel kann das Spurenmaterial auch nach längerer Zeit noch problemlos analysiert werden. Die in der Praxis gelegentlich festzustellende allzu voreilige Annahme von Eilbedürftigkeit darf nach unserer Auffassung nicht dazu führen, den Richtervorbehalt zu unterlaufen oder den zuständigen Richter bei einer nach einigen Tagen erforderlichen Bestätigung vor vollendete Tatsachen zu stellen.
    Zweitens. Mit dem Bundesrat ist meine Fraktion der Auffassung, daß sich die strafprozessuale Untersuchung nicht auf Bereiche erstrecken darf, die Aufschluß über Erbanlagen des Betroffenen geben können. Das kann nicht Sache des Strafverfahrens sein.
    Drittens. Kurioserweise sehen Bundesrat und Bundesregierung im Unterschied zur SPD-Bundestagsfraktion keine Einsatzschwelle für die Anordnung der Untersuchung vor. Soll etwa sogar auf das Erfordernis eines einfachen Tatverdachts bei der Untersuchung von Spurenmaterial verzichtet werden, obwohl doch nach der Rechtsprechung des BGH eine Beweisführung allein durch die DNA-Analyse ohnehin nicht möglich ist? Soll die Untersuchung des Erbmaterials von Tausenden von Personen aus der Region des Tatortes ohne den sonst im Strafverfahren erforderlichen einfachen oder dringenden Tatverdacht möglich sein? Auch dies werden wir näher prüfen müssen.
    Viertens. Wie steht es um die Zweckbestimmung der im Strafprozeß gewonnenen Daten? Sollen diese allen Ernstes entsprechend dem Vorschlag der Bundesregierung nicht nur für andere Strafverfahren, sondern auch für Zivilverfahren verwandt werden können?
    Fünftens. Eine dringend regelungsbedürftige Frage ist auch die Vernichtung des gewonnenen Datenmaterials. Sollten die gewonnenen Untersuchungsergebnisse nicht ausnahmslos entsprechend unserem Vorschlag bei Wegfall des Tatverdachts ebenso vernichtet werden wie das untersuchte Spurenmaterial selbst? Der Entwurf der Bundesregierung sagt nichts zum Verbleib der Ergebnisse und zur eventuellen Vernichtung des erstellten Gutachtens.
    Sechstens. Wie steht es um den Schutz der Opfer von Straftaten vor Untersuchungen, die nichts bringen und deshalb als weitere Schikane empfunden werden könnten? Sollte im Zeitpunkt der Anordnung einer Untersuchung nicht bereits - entsprechend dem Vorschlag der SPD - zumindest Vergleichsmaterial eines Tatverdächtigen vorhanden sein?
    Siebtens. Mit der Bundesregierung fordern wir die Überwachung des Verfahrens durch die Datenschutzbeauftragten. Der Streichungsvorschlag des Bundesrates - es tut mir leid, dies so deutlich feststellen zu können - belegt insoweit ein weniger entwikkeltes Problembewußtsein.
    Und schließlich achtens. Wer den Datenschutz ernstnimmt, sollte unserem Vorschlag folgen, die unbefugte Weitergabe von genetischen Daten durch eine Erweiterung von § 203 Strafgesetzbuch zu pönalisieren. Der Schutz dieser besonders empfindlichen Daten sollte auch strafrechtlich gewährleistet werden.

    (Vorsitz : Vizepräsident Hans Klein)

    Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die wenigen Hinweise, die ich ohne Ausschöpfung meiner Redezeit vorgetragen habe, zeigen: Wir beraten heute drei Gesetzentwürfe in erster Lesung, die zumindest teilweise deutlich unterschiedliche Vorschläge für die Regelung des genetischen Fingerabdrucks machen. Erfreulich ist, daß die überfällige Entscheidung durch den Gesetzgeber heute einen Schritt näherrückt, aber gefunden haben wir die Entscheidung noch nicht.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege Volker Beck, Sie haben das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Beck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den

    Volker Beck (Köln)

    drei Entwürfen geht es vermeintlich darum, den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Volkszählungsurteil Rechnung zu tragen. Den Sprengstoff, den diese Entwürfe für die Bürgerrechte enthalten, kann man in sieben Minuten leider nur andeuten.
    Im Entwurf des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1994 des Bundesrates wird verharmlosend von Akteneinsichtsrechten und Dateiregelungen gesprochen. Seit dem ersten Referentenentwurf zu einem Strafverfahrensänderungsgesetz von 1988 wollen Sicherheitspolitiker jedoch vor allem den Informationsfluß von allen staatlichen Behörden und die umfassende Verwendbarkeit der persönlichen Daten ermöglichen.
    Der damalige Entwurf ist zu Recht, wie ich meine, an einer starken Opposition und lautstarken öffentlichen Protesten gescheitert. Den Wunschzettel von 1988 finden wir nun im Entwurf eines Justizmitteilungsgesetzes und im vorliegenden Bundesratsentwurf wieder.
    Mit einer Öffnungsklausel will man Informationen aus Strafverfahren auch für präventiv-polizeiliche Zwecke nutzen können. Die strikte Bindung der Daten an den Erhebungszweck Strafverfolgung wird aufgehoben, eine gefährliche Entwicklung, wie ich meine. Staatsanwälte und Richter sollen noch mehr als bisher in die ausufernde Arbeit der Polizei im Vorfeld eingebunden werden, im krassen Gegensatz zur gesetzlichen Situation.
    Die Richterinnen und Richter in der ÖTV haben recht, wenn sie feststellen: Wenn der Bürger keinen Überblick mehr hat, an wen die hochsensiblen Erkenntnisse aus den Strafakten gehen, wird das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerichte untergraben.
    Nach dem Entwurf des Bundesrates müssen künftig Verdächtige wie Opfer, Zeugen und sogar Unbeteiligte mit der Weitergabe von Informationen aus Strafakten an Dritte rechnen: Psychiatrische oder medizinische Gutachten, familiäre Hintergründe, aus Ermittlungen und Abhörprotokollen von Abertausenden jährlicher Telefonüberwachungen stünden interessierten Personen offen.
    Nur scheinbar einschränkend nimmt die Ländermehrheit auf ihre eigenen Polizeigesetze Bezug: Polizeibehörden dürften Daten aus Strafverfahren nach Maßgabe der Polizeigesetze verwenden. Dabei öffnen gerade diese heute alle Möglichkeiten zur Nutzung. Schlicht zur Gefahrenabwehr dürfen Daten aus Akten verwendet und - wie etwa in NordrheinWestfalen - bis zu zehn Jahren gespeichert werden.
    Wohlgemerkt: Wir wollen der Polizei nicht die Informationen verwehren, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt. Wir halten aber gar nichts von dieser Art Blankoscheck zu Lasten der Bürgerrechte.
    Die Sorglosigkeit im Umgang mit hochsensiblen Daten offenbart sich auch in den beiden anderen Entwürfen. Bereits der Begriff „genetischer Fingerabdruck" im Titel ist irreführend: Echte Fingerabdrücke sind einmalig. Sie ermöglichen eine zweifelsfreie Identifizierung einer Person. Bei der DNA-Analyse gibt es keine absolute Sicherheit. Sie erlaubt lediglich eine statistische Aussage.
    Meine Fraktion hat bereits in der 11. Legislaturperiode schwerwiegende ethische, medizinische und rechtliche Bedenken gegen die DNA-Analyse im Strafverfahren geäußert und auf die Gefahren hingewiesen, die von einer lückenlosen Erfassung des Menschen ausgehen. Beide Entwürfe können diese Bedenken nicht ausräumen.
    Immerhin erkennt die Bundesregierung heute selbst an: Eine Trennung von kodiertem und nicht kodiertem Bereich der DNA ist nicht möglich. Auch im nicht kodierten Bereich der DNA sind Erbinformationen enthalten, die Aufschluß über Eigenschaften eines Menschen geben können.
    Die Regierungskoalition will den Ängsten der Bevölkerung durch Einführung eines Richtervorbehalts lediglich Sand in die Augen streuen und im wesentlichen der heutigen Ermittlungspraxis den Segen des Gesetzgebers erteilen. Die SPD stellt wenigstens auf einen dringenden Tatverdacht ab, läßt aber völlig offen, für welche Delikte ein solcher bestehen muß. Der Regierungsentwurf enthält noch nicht einmal eine Einsatzschwelle.
    Der Analyse einer Vielzahl von Personen ist damit Tür und Tor geöffnet. Unter dem Vorwand, Tatverdächtige möglichst früh auszuscheiden, ist zu vieles erlaubt. Ein Beispiel: In Basel fing die Polizei im letzten Jahr alle Dunkelhäutigen auf der Straße und an der Grenze ein, um sie einem Bluttest zuzuführen. Der Grund: Viermal wurden Frauen von einem Dunkelhäutigen vergewaltigt. - Das macht deutlich: Verdächtig sind damit alle, die testbar sind.
    Auch die vorgesehenen Vernichtungsregelungen in beiden Entwürfen gehören auf den Prüfstand. Was soll etwa mit den Untersuchungsergebnissen, die nach dem Regierungsentwurf nicht von der Vernichtung erfaßt sind, geschehen? Sollen diese etwa auch schlicht abgespeichert werden dürfen und so dem permanenten Zugriff interessierter Kreise preisgegeben werden?
    Unberücksichtigt bleibt bei dem Gesetzentwurf der SPD wie bei dem der Bundesregierung die extreme Fehleranfälligkeit der DNA-Analyse. Winzige Verunreinigungen wie Pilze und Bakterien reichen aus, um das Ergebnis zu verfälschen. Es fehlen verbindliche Standards für die zu testende Anzahl von DNA-Banden und die Beurteilung der Analyseergebnisse. Auch in der Bundesrepublik hat es deshalb schon Verfahren gegeben, in denen Unschuldige auf Grund der trügerischen Sicherheit dieser Methode hinter Gitter kamen.
    Nur mit einer generell vorgeschriebenen Zweituntersuchung könnte man erreichen, daß im Prozeß wenigstens mögliche methodische Bedenken, Kritik und Fehlerquellen überhaupt zur Sprache kommen. Die Überprüfung der Institute durch Datenschutzbeauftragte ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es fehlt aber an Regelungen, wie bei festgestellten Mängeln zu verfahren ist. Es reicht doch nicht aus, daß auf Abhilfe gedrängt wird.

    Volker Beck (Köln)

    Meine Damen und Herren, wir dürfen uns die Entscheidung für die gesetzliche Fixierung der DNA- Analyse im Strafverfahren nicht leichtmachen. Die Ergebnisse der Anhörung von 1988 sind angesichts des rasanten technischen Fortschritts nur noch begrenzt verwertbar. Wir werden daher im Rechtsausschuß auf eine erneute Anhörung zu den Risiken der DNA-Analyse im Strafverfahren drängen.
    Für die Behandlung aller drei vorliegenden Entwürfe gilt: Unsere Aufgabe als Gesetzgeber besteht nicht darin, den Ermittlungsbehörden alles technisch Mögliche und ohne gesetzliche Grundlage bereits Praktizierte mit leicht handhabbaren Regelungen zu legalisieren. Wir müssen unter Achtung der Bürgerrechte klare Vorgaben für ihr Handeln schaffen.
    Vielen Dank.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS])