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    Plenarprotokoll 13/78 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 78. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 6869 A Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1996 (ERPWirtschaftsplangesetz 1996) (Drucksachen 13/2480, 13/3144) 6869B Dagmar Wöhrl CDU/CSU 6869 C Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD 6871 B Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 6873 B Paul K. Friedhoff F.D.P 6874 B Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . 6875 A Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . 6876 A Tagesordnungspunkt 13: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler (Drucksachen 13/3102, 13/3244) . . . . . . . . . . . . . 6877 B Tagesordnungspunkt 14: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mikrozensusgesetzes und eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes (Drucksachen 13/3107, 13/3131, 13/3245) . . . . . 6877 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU 6877 D Dorle Marx SPD 6879 A Dr. Burkhard Hirsch FD P. 6880 B Ulla Jelpke PDS 6881 A Tagesordnungspunkt 11: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten (Drucksachen 13/3121, 13/3240, 13/3242) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gerald Häfner, Werner Schulz (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Abgeordnetenbezüge für den Deutschen Bundestag und das Europäische Parlament (Drucksachen 13/3139, 13/3240, 13/3251) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Jörg van Essen und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksachen 13/3154, 13/ 3240, 13/3252) 6882 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Gerald Häfner, Werner Schulz (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vermeidung von Interessenkollisionen und Doppelalimentationen bei Bundestagsabgeordneten (Drucksachen 13/3137, 13/3240) 6882 C Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU 6882 D Peter Conradi SPD 6884 A Dieter Wiefelspütz SPD 6884 C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6886 B Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 6888 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS 6889B Hans Klein (München) CDU/CSU . . . 6890 B Norbert Gansel SPD 6892 A Horst Kubatschka SPD 6892 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 6893 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) 6895 B Horst Eylmann CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 6896 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 6900 B Namentliche Abstimmungen . . . 6897B, 6900 A Ergebnisse 6897 C, 6901 C Tagesordnungspunkt 16: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (2. BtMG-Änderungsgesetz) (Drucksache 13/3216) 6900D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Sielaff, Heidi Wright, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Legalisierung des Anbaus von rauschmittelarmem Hanf und Förderung von Hanf als nachwachsendem Rohstoff zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufhebung des Anbauverbots von Hanf und Förderung des Anbaus von THC-armen Hanfsorten als nachwachsende Rohstoffe (Drucksachen 13/811, 13/1425, 13/2672) 6901 A Zusatztagesordnungspunkt 11: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu erheblich ansteigenden Insolvenzen in den neuen Bundesländern und zur Politik der Treuhand-Nachfolgeeinrichtungen 6904 A Wolfgang Bierstedt PDS 6904 A Dr. Hermann Pohler CDU/CSU 6905 A Sabine Kaspereit SPD 6906 A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6907 A Paul K. Friedhoff F.D.P 6908 A Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 6909 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 6910 B Wolfgang Ilte SPD 6911 C Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . 6912 D Manfred Hampel SPD 6913 D Manfred Kolbe CDU/CSU 6914 D Rolf Schwanitz SPD 6916 B Wolfgang Bierstedt PDS 6917 B Josef Hollerith CDU/CSU 6918 D Nächste Sitzung 6920 A Berichtigung . . . . . . . . . . . . 6920 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6921* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 14 (Entwurf eines Mikrozensusgesetzes und eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes) Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6921* C Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten auf Drucksache 13/3241 Gila Altmann •(Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6922* B Ingrid Matthäus-Maier SPD 6922* C Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten, Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Abgeordnetenbezüge für den Deutschen Bundestag und das Europäische Parlament und Entwurf eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Friedhelm Julius Beucher SPD 6922* C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 6923* B Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 6923* C Ernst Kastning SPD 6923* D Gerhard Scheu CDU/CSU 6924* A Dr. Erika Schuchardt CDU/CSU 6924* C Anlage 5 Amtliche Mitteilungen 6924* C 78. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Dezember 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 77. Sitzung, Seite 6808 D, 4. Zeile: Zwischen den Worten „Chancen des" sind die Worte „der Aufklärung" einzufügen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Belle, Meinrad CDU/CSU 8. 12. 95 Berger, Hans SPD 8. 12. 95 Böttcher, Maritta PDS 8. 12. 95 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 8. 12. 95 ** Dietzel, Wilhelm CDU/CSU 8. 12. 95 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 8. 12. 95 * Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 8. 12. 95 Höfer, Gerd SPD 8. 12. 95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 8. 12. 95 Irber, Brunhilde SPD 8. 12. 95 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 8. 12. 95 Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 8. 12. 95 Klemmer, Siegrun SPD 8. 12. 95 Dr. Knake-Werner, Heidi PDS 8. 12. 95 Köhne, Rolf PDS 8. 12. 95 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 8. 12. 95 Lederer, Andrea PDS 8. 12. 95 Meißner, Herbert SPD 8. 12. 95 Neumann (Berlin), Kurt SPD 8. 12. 95 Papenroth, Albrecht SPD 8. 12. 95 Purps, Rudolf SPD 8. 12. 95 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 8. 12. 95 Hermann Schultz (Everswinkel), SPD 8. 12. 95 Reinhard Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 8. 12. 95 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 8. 12. 95 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 8. 12. 95 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 8. 12. 95 Wohlleben, Verena SPD 8. 12. 95 Zierer, Benno CDU/CSU 8. 12. 95 * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 14 (Entwurf eines Mikrozensusgesetzes und eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes) Manfred Such (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das geltende Mikrozensusgesetz, auf Grund dessen zu Planungszwecken jährlich 1 Prozent der Bevölkerung repräsentativ befragt wurden, läuft zum 31. Dezember 1995 aus. Durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung soll ein solcher Zensus unter Ausweitung des Frageprogramms ab 1996 bis zum Jahr 2004 weiter durchgeführt werden. Das heißt im Klartext: Erfragt werden sollen etwa 100 zum Teil hochsensible Themen (wie Einkommen, Vermögen, Krankheitsanfälligkeit, Rauchgewohnheiten, Arbeitswilligkeit von Erwerbslosen, Aufenthalt von Ausländern): etwa 74 Themen bei 1 Prozent (§ 4 Abs. 1 Nr. 1), zirka 27 weitere Themen nur mit halbierter Stichprobe von 0,5 Prozent (§ 4 Abs. 1 Nr. 2). Zusätzlich sollen ab 1996 jährlich zirka 56 weitere Themen im vierjährigen Wechsel bei 1 bzw. 0,5 Prozent der Bevölkerung abgefragt werden (§ 4 Abs. 2 bis 4). Parallel dazu kann die EG-Stichprobenerhebung über Arbeitskräfte weiterhin durchgeführt werden (§ 12). Die Auskünfte sind nur zum geringsten Teil freiwillig (§ 7 Abs. 4), nämlich nach § 4 - Wohn-/Lebensgemeinschaft; Eheschließungsjahr (Abs. 1 Nr. 1 a); - Höchster Schul- oder Ausbildungsabschluß (Abs. 1 Nr. 1 d), wenn der Befragte älter als 51 Jahre ist; - Aufenthaltsdauer von Ausländern (Abs. 1 Nr. 1 k); - Wohnsitz, Nicht-/Erwerbstätigkeit 95; Pflegebedürftigkeit und und Pflegeleistungen 1996 bis 1998 (Nr. 2 d/e); - Ausbildung, Weg zur Arbeit, im Ausland lebende Verwandte von Ausländern (Abs. 2 Nr. 1/2); - Lebensversicherung, vermögenswirksame Leistungen (Abs. 3 Nr. 1, 2 b); - Krankheit, Risiko, Vorsorge, Unfall, Behinderung, Pflegebedürftigkeit (Abs. 5 Nr. 2); - Telefonnummer (§ 5 Nr. 2). Im übrigen kann die Auskunftspflicht per Zwangsgeld und Erzwingungshaft durchgesetzt werden. Hieran erheben wir Kritik: Erstens, zum Umfang der Fragen: Um die Stichprobe hochrechnen und die Angaben als politische Planungsgrundlage verwenden zu können, fehlen einerseits wichtige Fragen (zum Beispiel zur Ausländerstatistik, wo derzeit große Unsicherheiten und Dunkelfelder existieren). Andererseits gehen die Fragen zu weit: zum Beispiel die Pflicht für unter 51jährige, Angaben zu ihrer Formalausbildung zu machen, welche für Erwerbsfähigkeit in dem Alter wohl eine geringere Rolle spielt. Zweitens zur Auskunftpflicht: Die Bundesregierung ignoriert den Hinweis des Bundesdatenschutzbeauftragten auf ausländische positive Erfahrungen genauso wie den auf wissenschaftliche Untersuchungen, wonach bei freiwilligen Auskünften der mögliche Ausfall von Antworten geringer als befürchtet und für eine Nutzung der Daten im Rahmen politischer Planung jedenfalls tolerierbar ist. Der Auskunftszwang hingegen wird vielmehr Befürchtungen weitere Nahrung geben, daß die erhobenen Daten reanonymisiert und für staatliche Exekutivmaßnahmen verwendet werden könnten. Schon aus Furcht oder Protest werden sich daher absehbar in signifikantem Umfang Antwortverweigerungen, Falschauskünfte und somit Verzerrungen der DatenStichprobe ergeben, die sich nach der Hochrechnung zu „Datenschrott" auswachsen könnten. - Unser Änderungsantrag soll diesen absehbaren statistischen Mißerfolg ebenso wie darauf aufbauende politische Fehlplanungen vermeiden helfen. Hier hätte die Regierung von den USA lernen können: Die von anderen Regierungsstellen demonstrativ abgeschottete Zensus-Behörde führt seit 1790 alle 10 Jahre freiwillige Befragungen mit hohem und validem Rücklauf (geschätzte Unterzählung: unter 5 Prozent) durch. Ohne Befürchtung vor exekutiver Nutzung der Daten und aufgrund breiter Einsicht in den Nutzen dieses anonymen Zensus geben die meisten Befragten Auskunft; wer zweifelt, kann einfach schweigen, so daß weniger Falschangaben die Datenvalidität verringern. Selbst „illegale" Ausländer geben daher Auskunft - in Deutschland mit den vorgeschlagenen Mitteln kaum vorstellbar. Wir haben in Ausschußberatungen beantragt, die Vorlage dahin gehend zu ändern, daß die Auskünfte für die Erhebungen insgesamt freiwillig sein sollen. Ein eventuell notwendiger Folgeantrag könnte lauten: Die in § 4 genannten Stichproben-Sätze (1 Prozent/0,5 Prozent) werden zum Ausgleich des bei Freiwilligkeit der Auskünfte begrenzt steigenden Ausfallrisikos auf das Doppelte erhöht. Da bei Freiwillligkeit die Ausfälle/Auskunftsverweigerungen nicht linear gleichmäßig anfallen, sondern regional und schichtenspezifisch variieren werden, müßten die Statistiker vor der Hochrechnung diese Faktoren berücksichtigen bzw. bereinigen. Dies gelingt zum Beispiel in den USA offenbar ohne weiteres. Das aber hat die Mehrheit des Hauses leider abgelehnt. Der Änderungsvorschlag des Bundesrates ist schon durch § 17 BStatG abgedeckt und daher unbeachtlich. Deshalb entspricht der vorgelegte Entwurf in keiner Weise unseren Vorstellungen. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Gesetzentwurf es der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten auf Drucksache 13/3241 Gila Altmann, (Aurich) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD-Fraktion - Drucksache 13/3241 - zum Gesetz zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten wollte ich teilnehmen und mit Ja stimmen. Leider konnte ich nicht rechtzeitig zur Stimmabgabe den Plenarsaal erreichen. Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Dem Änderungsantrag der SPD-Bundestagsfraktion (Drucksache 13/ 3241) zur Offenlegung der Einkünfte von bestimmten Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten stimme ich trotz Bedenken zu. Meine Bedenken gehen in zwei Richtungen: Zum einen habe ich trotz der Änderungen in dem nun vorliegenden Antrag gegenüber seinen Vorläufern noch verfassungsrechtliche Zweifel, ob eine solche Offenlegungspflicht - für nur eine Berufsgruppe - mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Zum anderen halte ich es auch politisch für falsch, eine solche Offenlegung ausschließlich von Abgeordneten zu verlangen. Eine solche sondergesetzliche Regelung für Abgeordnete erweckt den unzutreffenden Eindruck, als ob Abgeordnete mehr als andere Berufsgruppen anfällig seien für finanzielle Einwirkungen und Abhängigkeiten. Ich hielte daher - bei Ausräumung der verfassungsrechtlichen Zweifel - eine Regelung wie z. B. in den USA oder Schweden für besser, nach der auch Wirtschaftsführer, Selbständige und hohe Beamte ihre Einkünfte offenlegen müssen. Obwohl ich also gegen ein derartiges Sonderrecht für Abgeordnete grundsätzliche Vorbehalte habe, stimme ich dem Antrag zu, weil er ein erster Schritt in Richtung von mehr Transparenz ist, mehr Transparenz insbesondere über die Unabhängigkeit bzw. wirtschaftlichen Interessenverknüpfungen von Abgeordneten aber für die Glaubwürdigkeit der Politik dringend notwendig ist und der vorliegende Antrag der derzeitig einzig praktikable und am ehesten mehrheitsfähige ist. Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten, Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Abgeordnetenbezüge für den Deutschen Bundestag und das Europäische Parlament und Entwurf eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Friedhelm Julius Beucher (SPD): Ich werde der geplanten Diätenerhöhung erneut nicht zustimmen. Für die Erhöhung der Abgeordnetenbezüge ist nach meiner Überzeugung ein breiter öffentlicher Konsens notwendig. Der ist weder unter den im Bundestag vertretenen Parteien möglich geworden noch in der veröffentlichten Meinung festzumachen. Dabei meine ich nicht die Heucheleien und scheinbaren Entrüstungen einiger „Meinungsführer" unter den Journalisten, sondern vor allem den Protest und das mir entgegengebrachte Unverständnis aus verschiedenen Teilen der Bevölkerung über den sogenannten Deal der beiden großen Koalitionen des Hauses. Ich bin selbstbewußt genug bezüglich der Wertschätzung und vor allem des Umfangs meiner eigenen Arbeitsleistung, daß ich jedem erklären kann, daß ich die augenblickliche Diätenregelung von der Höhe her für unbefriedigend halte und hier eine Veränderung angezeigt ist. Nur meine ich mit gleichem Selbstbewußtsein und guter Überzeugung, daß das Parlament diese Entscheidung über die Höhe der Abgeordnetenbezüge einer „unabhängigen Kommission" übertragen soll, die gegen Ende der Legislaturperiode die Höhe der Bezüge für die nächste Wahlperiode festlegt. Nach dem - zwar gescheiterten - Versuch im September 1995, mit Hilfe einer Verfassungsänderung die Höhe der Bezüge zu verändern, kann der von mir vorgeschlagenen Lösung der Entscheidungsübertragung aus dem Bundestag heraus nicht mit Verfassungsgründen begegnet werden. Hier müßte dann eben auch der Versuch gemacht werden, den Teil der Verfassung durch Mehrheitsentscheidung im Parlament zu verändern. Ich bin fest davon überzeugt, daß die grundsätzliche Entscheidung, daß Abgeordnete zukünftig nicht mehr über ihre eigenen Bezüge abstimmen könnten, auf breite Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen würde. Leistungsbeurteilungen werden in unserer Gesellschaft in anderen Bereichen außerhalb der Politik in der Regel auch nicht selbst, sondern von Dritten vorgenommen. Es stünde dem Parlament, insbesondere in diesen Zeiten der allgemeinen gesellschaftlichen Verweigerung, gut an, selbstbewußt diesen Weg zu gehen und so die parlamentarische Arbeitsleistung auf den „öffentlichen Prüfstand" zu stellen. Auch nach dieser Debatte werde ich weiterhin für diese Grundsatzüberzeugung streiten. Die mir im Falle des wahrscheinlich erneuten Unterliegens meiner Meinung bzw. Ablehnung der Diätenerhöhung dennoch zufallende „Mehreinnahmen" werde ich zum großen Teil sozialen, gemeinnützigen und politischen Zweckbestimmungen zuführen. Für selbstverständlich halte ich im übrigen die Offenlegung der Einkünfte von Abgeordneten und werde deshalb einer entsprechenden Regelung zustimmen. Hildebrecht Braun (Augsburg) (F.D.P.): Ich werde die vorliegenden Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten ablehnen. Ich begründe mein Abstimmungsverhalten wie folgt: Alle Gesetzentwürfe unterstellen, daß die Abgeordneten höher honoriert werden müßten, als dies gegenwärtig der Fall ist. Alle Gesetzentwürfe versuchen, Anknüpfungspunkte für die angemessene Bezahlung der Abgeordneten bei der Entlohnung für andere berufliche Tätigkeiten zu finden. Ich halte diesen gedanklichen Ansatz für falsch: Die Tätigkeit eines Abgeordneten stellt zwar in weiten Bereichen Anforderungen, die anderen Berufsbildern vergleichbar sind. Dennoch unterscheidet sich die Stellung eines Abgeordneten grundlegend von „normalen" Tätigkeiten, bei denen einer wie auch immer bestimmbaren Leistung ein entsprechendes Entgelt gegenübersteht. Die Leistung der Abgeordneten ist kaum meßbar. Sie ist nach meinem Dafürhalten auch nicht der Maßstab für das richtige Entgelt. Schon gar nicht darf die Honorierung der Abgeordneten unter Karrieregesichtspunkten gesehen werden dürfen. Sie darf nicht finanziell „interessant" sein, da sonst ungeeignete Personen das Amt der/des Abgeordneten erstrebten. Ich meine, in der Entlohnung für unsere Tätigkeit muß sich für jedermann erkennbar ausdrücken, daß es eine Ehre, ja eine Auszeichnung ist, im Auftrage der Wähler die Geschicke dieses Landes maßgeblich mitzubestimmen. Ich halte es für naheliegend, daß wir weniger bekommen als das, was nach den verschiedenen denkbaren Maßstäben uns „zustehen" müßte. Gewiß haben wir kein Armutsgelübde abgelegt, als wir uns um den Posten eines Abgeordneten bemühten. Aus meiner Sicht reicht es aber vollauf, wenn wir ein auskömmliches Einkommen haben, welches uns einen üblichen Lebensstandard ermöglicht. Dieser Anforderung genügt das gegenwärtige Einkommen eines Abgeordneten ohne weiteres. Eine Erhöhung ist somit nicht erforderlich. Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Ich werde der von der CDU/CSU und SPD vorgeschlagenen Erhöhung der Diäten zustimmen, weil eine angemessene Entschädigung der Abgeordneten auch Voraussetzung für eine ausschließlich den Interessen der Bürger verpflichtete Arbeit ist. Gleichzeitig halte ich es jedoch für nicht hinnehmbar, daß der Deutsche Bundestag im Umfeld dieser Entscheidung darüber debattiert, den Solidarzuschlag abzubauen und Kürzungen bei Empfängern von Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld vorzunehmen. Ich erkläre hiermit, daß ich gegen jegliche Kürzungen in diesen Bereichen stimmen werde. Ich bitte alle meine Kolleginnen und Kollegen, die, wie ich, der Diätenerhöhung heute zustimmen, sich bei den kommenden Abstimmungen über die sogenannte Reform der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe ebenso zu verhalten. Desgleichen halte ich es für erforderlich, daß sich Abgeordnete ebenso wie Bezieher gleicher oder höherer Einkommen noch so lange durch einen Solidarzuschlag auf die Einkommensteuer an der Finanzierung der Angleichung der Lebens- und Sozialverhältnisse in Deutschland beteiligen, bis dieses Ziel erreicht ist. Auch hier bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen, eine vorzeitige Streichung des Solidaritätszuschlages für Bezieher von Einkommen in der Größenordnung von Abgeordneten und darüber abzulehnen. Ernst Kastning (SPD): Seit Beginn meiner Zugehörigkeit zum Deutschden Bundestag, das heißt seit 1983, bemängele ich die fehlende Kraft des Parlaments, seine eigenen Angelegenheiten und damit auch die seiner Mitglieder in souveräner Weise angemessen zu regeln. Mit der 19. Änderung zum Abgeordnetengesetz wird die 18. Anderung materiell teilweise wieder zurückgenommen. Ich halte unter an- derem die vorgesehene Regelung der Abgeordnetenentschädigung und der Kostenpauschale für unzureichend. Deshalb stimme ich dem Gesetz nicht zu. Gerhard Scheu (CDU/CSU): Die Neuregelungen des Gesetzentwurfes (Drucksache 13/3121) in der Fassung der Beschlußempfehlung des 1.. Ausschusses (Drucksache 13/3240) lassen sich von praktischer Vernunft und von den tatsächlichen Gegebenheiten leiten. Die stufenweise Anhebung des seit 1. Juli 1992 nicht mehr veränderten Mandatsgehalts eines Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf bis zu 12 875 DM (zwölfmal jährlich) ab 1. Januar 1998 hält auch der kritischsten Betrachtungsweise stand. Damit wird lediglich ein Defizit korrigiert, das verfassungsrechtlich (Art. 48 Abs. 3 GG) nicht mehr länger tolerabel war, und insoweit legitimieren sich die maßvollen Anpassungsschritte aus sich selbst. Die gravierenden Absenkungen und Einschnitte beim Übergangsgeld und bei der Altersversorgung belegen den Willen des Bundestages zur darüber hinausgehenden Selbstbeschränkung auf das Notwendigste. Ob dieses Beispiel allerdings anderen Verfassungsorganen als der Nachahmung wert erscheinen kann, bezweifle ich wie ebenso, ob es eine faire Würdigung durch Medien und Öffentlichkeit finden wird. Meine Ablehnung des Gesetzentwurfes der Mehrheit gründet allein darauf, daß das Gesetz erstmals und ohne ausreichende Überlegung der Folgen von dem - aus meiner Sicht verfassungsrechtlich aus den Art. 48 Abs. 3 und 14 des Grundgesetzes folgenden - Grundsatz abweicht, daß die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Status als Abgeordneter für die gesamte Wahlperiode unverändert Geltung behalten müssen und daß strukturell eingreifende Neuregelungen immer nur zu Beginn einer neuen Legislaturperiode in Kraft gesetzt werden können (vgl. „Kissel" -Kommission, Drucksache 12/5020, Tz. 11I.8). Ein Abgeordneter muß sicher sein können, daß die statusrechtlichen Vorschriften, unter deren Geltung er gewählt worden ist - dazu rechnet gerade auch die gesetzliche Zusage einer an der angemessenen Entwicklung des Mandatsgehalts teilnehmenden Versorgung -, nicht ohne zwingenden Grund oder besonderes ausgleichendes Aquivalent während einer laufenden Wahlperiode zu seinem Nachteil verändert werden. Aus eben diesem Grunde hat auch das Bundesverfassungsgericht davon abgesehen, selbst verfassungswidriges Statusrecht für nichtig zu erklären (BVerfGE 40, 296/329; insoweit zust. auch Sondervotum Seuffert, a. a. O., S. 347). Diesen m. E. für das Abgeordnetenrecht essentiellen Grundsatz verletzt die Übergangsregelung des § 35 a. Hinzu kommt, daß Abs. 1 dieser Vorschrift im 1. Ausschuß am 5. Dezember noch einmal kurzfristig eine substantiell-nachteilige Veränderung erfahren hat. Die Übergangsvorschriften des Gesetzentwurfes auf Drucksache 13/3154 beachten die sich aus den Art. 48 Abs. 3 und 14 GG ergebenden spezifischen Anforderungen. Wegen der ungewöhnlichen, keinen weiteren Aufschub duldenden Besonderheit der Lage (Aufhebung des Gesetzesbeschlusses zum „ 18. Änderungsgesetz") stimme ich daher diesem Gesetz zu, auch wenn die darin festgesetzten absoluten Beträge (§ 11) für einen um der Mandatsausübung willen auf außerparlamentarisches Einkommen verzichtenden Abgeordneten nur im Zusammenhang mit dem Übergangsgeld und der Altersversorgung (75 v. H. nach 20 Jahren) nach diesem Gesetzentwurf als noch angemessen erscheinen. Dr. Erika Schuchardt (CDU/CSU): Wegen eines Unfalls war ich leider nicht in der Lage, an den namentlichen Abstimmungen teilzunehmen. Ich hätte dem Gesetzentwurf (Drucksachen 13/3121 und 13/ 3240) zugestimmt und den Änderungsantrag der SPD-Fraktion (Drucksache 13/3241) abgelehnt. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EUVorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zu Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 13/2306, Nr. 2.53 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/2674, Nr. 2.16 Drucksache 13/2674, Nr. 2.20 Drucksache 13/2674, Nr. 2.34 Drucksache 13/2674, Nr. 2.41 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/725, Nr. 156 Drucksache 13/1096, Nr. 2.19 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/2306, Nr. 1.4 Berichtigung: In dem Anhang zum Stenographischen Protokoll der 59. Sitzung vom 29. September 1995 ist unter dem Titel Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union der Punkt Drucksache 13/1614, Nr. 1.10 und 1.11 ersatzlos zu streichen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir Sozialdemokraten unterstützen die Zielrichtung und die Schwerpunktsetzung des ERP-Wirtschaftsplans 1996 ausdrücklich, ist doch ein nicht geringer Teil der neuen Prioritätensetzung auf unsere Initiative hin entwickelt und dann einmütig im Unterausschuß ebenso wie im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages beschlossen worden. Auch deswegen ist es mir ein Vergnügen, als Unterausschußvorsitzende an dieser Stelle allen Mitgliedern für ihre konstruktive und intensive Arbeit in diesem Jahr herzlich zu danken.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)

    Der Unterausschuß hat in den letzten Jahren stets darauf gedrängt und es auch erreicht, daß die Regierung eine mittelfristige Vorausschau mitsamt einem Bericht über die Kreditaufnahme und Verschuldung des ERP-Sondervermögens vorlegt. Nur dadurch können wir dem Anspruch auf eine beständige und für die Unternehmen kalkulierbare Wirtschaftsförderung gerecht werden.
    Vor diesem Hintergrund halten wir es auch für gerechtfertigt und tragen es als Opposition ausdrücklich mit, wenn sowohl das Gesamtvolumen als auch einzelne Planansätze in den nächsten Jahren zurückgeführt und konsolidiert werden: Bei einem Planvolumen von rund 16 Milliarden DM für 1996, wovon 13 Milliarden DM allein im Osten benötigt werden, ist die Rückführung von 1 Milliarde DM im Vergleich zum laufenden Jahr nicht zu beanstanden, vor allem, wenn man die zurückhaltende Inanspruchnahme im laufenden Jahr berücksichtigt.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wo war denn das der Fall?)

    - Für die zurückhaltende Inanspruchnahme der Kredite? In Einzelbereichen ist in diesem Jahr keine volle Ausschöpfung erfolgt. Da es sich, Herr Kollege, wenn ich Sie aufklären darf, um eine Kreditfazilität handelt, die wir anbieten und die von den Unternehmen nachgefragt werden muß, ist dies keine Frage, die - etwa als eine Folge fehlenden Mittelabflusses - zum Beispiel dem Wirken des Wirtschafts- oder des Finanzministeriums zuzuschreiben ist. Vielmehr müssen die Unternehmen prüfen, ob sie es riskieren können, Kredite abzufragen, die sie zurückzahlen und auch verzinsen müssen.

    (Rolf Kutzmutz [PDS]: Das kann der Kollege nicht wissen!)

    Für die neuen Bundesländer stehen zwei Drittel des Fördervolumens, das heißt rund 8,5 Milliarden DM, zur Verfügung. Damit ist ein ausreichender Zusagespielraum geschaffen, um tragfähige Unternehmen nachhaltig zu fördern. Eine Fortsetzung dieses Schwerpunktes im Osten ist sicherlich auch im Jahre 1996 zwingend geboten, um gerade die gewerbliche Produktion und hochqualifizierte produktionsorientierte Dienstleistungen zu fördern.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Aber innerhalb dieses Volumens, das für die neuen Bundesländer zur Verfügung steht, werden wir beginnen müssen, sorgfältiger als bis jetzt die bisherigen Erfahrungen auszutauschen, systematisch zu erfassen, auszuwerten und zu evaluieren. Wir hatten deswegen auf eine sorgfältige Untersuchung der Wirksamkeit des ERP gedrängt.
    Über die besonderen Probleme, vor denen wir im Osten stehen, haben wir wichtige Aufschlüsse aus einer Studie von Roland Berger erhalten, die uns im

    Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
    Frühjahr dieses Jahres geliefert wurde. Diese Studie ergab, daß die ERP-Gründungsförderung mit 160 000 Neugründungen von 1990 bis 1995 im wesentlichen richtig eingesetzt worden ist und von den kleinen und mittleren Unternehmen gut angenommen wurde.
    Aber bei der Diskussion dieser Studie stellte sich eine Fülle von Fragen, denen wir gerade im Osten dringend nachgehen müssen:
    Erstens. Die Einschätzung nahezu aller Unternehmensgründer war außerordentlich optimistisch. Ob sich die Einschätzung im Lichte der sich deutlich verschlechternden Binnenkonjunktur und der Schwächung der Masseneinkommen halten läßt, bleibt offen.
    Zweitens. Die Bewährung steht vielen Gründern bevor, weil sie nun verstärkt in die Tilgungsphase für ihre Kredite kommen oder das Eigenkapital bei dynamischen, stark wachsenden Unternehmen nicht ausreicht.
    Drittens. Viele Unternehmensgründer haben Probleme, die sich nicht mit einer geringen Eigenkapitalausstattung erklären lassen - auch nicht mehr mit einer unzureichenden oder veralteten Technikausstattung oder dem oft zitierten „kaufmännischen Defizit", obwohl es auch das noch häufiger gibt, als uns allen lieb ist.
    Viertens. Die Probleme der Unternehmen liegen zunehmend im strategischen Bereich: bei der Unternehmensteuerung, der Arbeitsorganisation, beim Marketing der Produkte und bei der Innovation. Darauf müssen wir bei unserer ERP-Förderung reagieren. Es genügt nicht mehr, wie bisher, Neugründungen zu fördern.
    Für manche Branchen werden wir uns sogar fragen müssen, ob die erreichte Unternehmensdichte im Osten, die gelegentlich höher ist als im Westen, die Unternehmen langfristig wirtschaftlich tragen kann. Wir werden also neue Wege beschreiten und Prioritäten neu justieren müssen.
    Im Haushalt 1996 haben wir das mit dem neuen ERP-Programm getan, das mit 1 Milliarde DM Zusagemöglichkeiten ausgestattet ist und die Fortführung des 1995 ausgeschöpften KfW-Innovationsprogramms ermöglicht. Dafür mußten Mittel aus anderen Programmteilen umgeschichtet werden.
    Wir werden beim Mittelabfluß aber darauf achten müssen, daß die Darlehen aus diesem neuen Programm, das für alle Technologiefelder zur Verfügung steht, seine Anwender auch im Osten findet; dabei gibt es bisher einige Probleme. Denn ohne erhebliche Innovationsanstrengungen in den neuen Bundesländern wird die ohnehin sehr schwache industrielle Basis nicht zu halten sein.
    Deswegen müssen wir mit neuen Wegen den Bestand junger, wettbewerbsfähiger Unternehmen stabilisieren.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Wir können und müssen die vorhandenen Arbeitsplätze sichern. Der erste Schritt muß sein, vermehrt
    den Gründen nachzugehen, warum junge Unternehmen im Osten wie im Westen ins Schlingern geraten sind. Wir regen daher dringend an, uns nicht mit der Auswertung des Berger-Gutachtens zufriedenzugeben, sondern weitere gründliche Evaluierungen mit Sachverstand von außen vorzunehmen.
    Ein weiterer Schritt muß sein, den kleinen Unternehmern, Handwerkern und Selbständigen ein einfach zu handhabendes Instrument an die Hand zu geben, mit dem sie auf Fehlentwicklungen frühzeitig reagieren und vorausschauend steuern können.
    Wir brauchen - das haben wir übereinstimmend festgestellt - ein System von spezifischen Frühwarnindikatoren zur Selbsteinschätzung für kleine und mittlere Unternehmen, das Handwerk und die Selbständigen. Denn: Wenn Liquiditätsengpässe auftreten, die Bank Alarm schlägt, dann ist es fast immer zu spät, dann sind die Probleme nur mehr sehr schwer, wenn überhaupt noch zu lösen.
    Für die Entwicklung solcher Frühwarnindikatorsysteme, die wir sehr schnell brauchen, bedarf es der aktiven Mitarbeit und Unterstützung der Wissenschaft, der Industrie- und Handelskammern, des Handwerks und einschlägiger Institutionen wie etwa des RKW und von Praktikern wie Steuerberatern.
    Mit der traditionellen Unternehmensberatung gehen wir häufig am Bedarf vieler kleiner Unternehmer, Handwerker und Selbständigen vorbei. Außerdem kommt die Unternehmensberatung häufig erst zustande, wenn die Probleme kaum mehr lösbar sind bzw. die Unternehmen bereits sanierungsbedürftig sind.
    Ohne zu dramatisieren, möchte ich in diesem Zusammenhang auf die jüngste, sich beschleunigende Insolvenzentwicklung in Ostdeutschland hinweisen. Mit Genehmigung der Präsidentin zitiere ich dabei aus einer jüngst erschienenen Creditreformuntersuchung über Insolvenzen, Unternehmenslöschungen und Unternehmenseintragungen:
    Während in Westdeutschland die Zahl der wirtschaftsaktiven Unternehmen, die 1995 gegründet wurden, gegenüber dem Vorjahr noch einmal um 30 Prozent zugenommen hat, ist in den neuen Ländern eine mehr als zehnprozentige Abnahme zu registrieren.
    Der Saldo aus Gewerbean- und -abmeldungen betrug im Osten noch 45 000, in 1995 nur noch 35 000. Das ist sicher ein Stück Normalisierung, aber gleichzeitig ist - das ist beunruhigend - auch die Insolvenzhäufigkeit gestiegen.
    Bei Unternehmenszusammenbrüchen liegt man im Osten mit 5 600 Fällen um 43,2 Prozent über dem Vorjahr. Die Insolvenzhäufigkeit für Unternehmen lag im Osten fast doppelt so hoch wie im Westen. Für das ERP-Programm gilt das übrigens nicht; hier haben wir offensichtlich durch die bessere Beratung und Auswahl akzeptablere Zahlen.
    Für das Jahr 1996 ist sicherlich keine Entwarnung zu geben, ganz im Gegenteil. Deswegen sollten wir uns fragen, ob wir daraus nicht Konsequenzen für die Wirtschaftsförderung ziehen müssen. Sicher:

    Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
    Man soll gutes Geld nicht dem schlechten nachwerfen,

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    und Betriebsschließungen und Insolvenzen gehören wie Gründungen von Unternehmen zur Marktwirtschaft. Aber viele Insolvenzen sind nicht unausweichlich dem Markt geschuldet, sondern wären vermeidbar. Viele Anschlußkonkurse, wenn ein Betrieb Pleite gegangen ist - wir erinnern uns an die Konkurse größerer Betriebe, die vor allem Handwerksbetriebe mitgerissen haben -, wären vermeidbar gewesen. Das zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen, die wir mit dem Instrument der Liquiditätshilfe in den neuen Bundesländern gesammelt haben. Wir müßten uns ernsthaft überlegen, ob wir das Instrument der Liquiditätshilfe nicht auch in den alten Bundesländern einsetzen.

    (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Richtig!)

    Wir Sozialdemokraten stimmen dem ERP-Wirtschaftsplangesetz 1996 zu und erhoffen uns mit seiner mittelfristigen Konsolidierung, den neuen Prioritäten und dem Beschreiten neuer Wege wichtige Impulse für eine dynamische Entwicklung kleiner und mittlerer Betriebe und der bei ihnen gesicherten Arbeitsplätze.
    Wer die Arbeitsplatzentwicklung bei den großen Unternehmen ansieht, kann nur sagen: Nie waren die Kleinen so wertvoll wie heute.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort erteile ich jetzt der Kollegin Margareta Wolf.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Margareta Wolf-Mayer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine kurze Vorbemerkung. Ich denke, daß die letzte Woche deutlich gemacht hat, daß das bürgerliche Lager in diesem Hause dringend eine Wertedebatte braucht.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Eine was?) - Eine Wertedebatte, Herr Hörster.

    Ich finde es wirklich schade, daß der Herr Minister heute nicht anwesend ist.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Da hat er sicher keinen Nachholbedarf!)

    Aber der Staatssekretär Dr. Kolb kann ihm das ja übermitteln. Ich weiß, daß Sie, was Wertedebatten angeht, sehr empfindlich sind, aber ich würde dem Staatssekretär doch erstens gerne die Aufgabe übertragen, seinem Minister das Mitleid für den Sittenverfall in der F.D.P., dessen Opfer er geworden ist, zu übermitteln.

    (Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der F.D.P.)

    Zweitens hätte ich gerne einmal eine Antwort des Ministers auf die letzte Arbeitsplatzstatistik gehabt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Schließlich hat er Anfang dieses Jahres noch behauptet, in diesem Land gäbe es 300 000 neue Arbeitsplätze in diesem Jahr. 150 000 weniger Arbeitsplätze haben wir im Moment zu verzeichnen!
    Aber jetzt möchte ich zum eigentlichen Thema kommen.

    (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist ja schön! Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Hervorragend! Na endlich!)

    Herr Hinsken, auch wir halten die ERP-Kredite für einen unverzichtbaren Bestandteil einer wirkungsvollen Politik für kleine und mittlere Unternehmen. Sie sind ein unverzichtbares und gleichzeitig effizientes Element der Wirtschaftsförderung in den alten Bundesländern, aber vor allen Dingen auch in den neuen Bundesländern.
    Zu würdigen ist insbesondere die volkswirtschaftliche Bedeutung. Die Stichworte sind schon gefallen: angestoßene Investitionen, gesicherte Arbeitsplätze, Umweltschutzinvestitionen und Hilfe bei Existenzgründungen. Das kam besonders den fünf neuen Ländern zugute.
    Wir begrüßen ausdrücklich, daß die parlamentarischen Anregungen aus dem letzten Jahr aufgenommen wurden und daß jetzt auch Innovationsprojekte mit ERP-Krediten gefördert werden können. Innovationen sind für den Zukunftsstandort Deutschland ausgesprochen wichtig, und das gerade vor dem Hintergrund, daß, wie Sie letzte Woche einer Pressemitteilung von Herrn Rüttgers entnehmen konnten, die Bundesrepublik Deutschland inzwischen im Bereich Forschung und Entwicklung und somit bei den Innovationen auf Platz vier abgerutscht ist.
    Hier bedarf es einer besonderen Anstrengung der Bundesregierung und des gesamten Hauses. Ich denke, daß wir mit diesem Gesetzentwurf einen Schritt in die richtige Richtung tun.
    Der Mittelstand hat aber trotz ERP-Krediten Finanzierungsprobleme. Um sich auf eine dauerhaft tragfähige wirtschaftliche Grundlage zu stellen, benötigen kleine und mittlere Unternehmen in diesem Lande über Kredite hinaus Eigenkapital. Insbesondere der vielbeschworene Zugang zum Risikokapitalmarkt ist in der Bundesrepublik nach wie vor unzureichend. Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Novellierung des GmbH- und Kapitalmarktrechtes, um den kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern.
    Ich möchte Ihnen sagen, daß ich gestern mit dem Vorstand des HDE geredet habe. Es hat mich ausgesprochen besorgt gestimmt, daß der HDE sagt, er gehe davon aus, daß in den neuen Bundesländern im nächsten Jahr 20 000 kleine und mittlere Unternehmen pleite gehen. Ich denke, der Zugang zum Kapitalmarkt für kleine und mittlere Unternehmen muß gerade für die neuen Bundesländer erheblich

    Margareta Wolf (Frankfurt)

    erleichtert werden. Daß es dort keine ausreichende Eigenkapitalbasis gibt, liegt in der Natur der Sache. Hier muß dringend etwas getan werden.
    Aber wirksame Mittelstandspolitik muß nicht nur die Finanzierungsprobleme regeln, meine Damen und Herren. Gleichzeitig müssen umweltschädliche und wettbewerbsverzerrende Subventionen dringend abgebaut werden. Da kann ich Ihnen nur die Lektüre des Artikels von Herrn Pohl vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle empfehlen, der gestern in der „Zeit" stand. In Monopolbranchen wie der Energiewirtschaft muß der Marktzugang für kleine Anbieter erleichtert werden. Neben dem Mittelstand fördert das auch den Umweltschutz.
    Wir müssen zu einer Reform der öffentlichen Verwaltung kommen. Wir müssen Beratungs- und Qualifikationsprogramme auflegen, und wir müssen zu mehr Transparenz von Genehmigungsverfahren zur Unterstützung des Mittelstandes kommen.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber mit Ihrer Politik machen Sie genau das Gegenteil!)

    - Wir machen das Gegenteil mit unserer Politik? Ganz und gar nicht! Wir haben die erste Mittelstandsdebatte vor ein paar Wochen in diesem Hause gehabt, Herr Hinsken. Die haben wir auf Anregung der Opposition und nicht auf Ihre Anregung hin gehabt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS Zuruf von der SPD: Nur war das nicht Herr Hinsken!)

    Gleichzeitig müssen Marktzutrittsbarrieren gesenkt werden, und wegen der Unerfahrenheit sowie der Fremdheit auf den neuen Märkten gerade in den neuen Bundesländern brauchen wir eine Qualifizierungsoffensive.
    Meine Damen und Herren, meine Fraktion unterstützt den hier vorliegenden Gesetzentwurf.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS Zuruf von der CDU/ CSU: Alle oder nur teilweise?)