Rede von
Armin
Laschet
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Liste der Erklärungen, Pakte und Übereinkommen zum internationalen Menschenrechtsschutz ist lang und es ließen sich vorzügliche Zitate von der „unveräußerlichen Würde des Menschen" vortragen.
Darüber zu sprechen ist der Wunsch vieler Menschen gerade an diesem 10. Dezember. Das ist ein wichtiger Tag für die Menschenrechtsorganisationen, um in das öffentliche Bewußtsein zu kommen.
So sehr wir, wenn wir über die unveräußerliche Würde des Menschen sprechen, wissen müssen, daß in diesen Sekunden weltweit natürlich die Würde veräußert wird - so unveräußerlich, wie wir das fordern, ist sie ja gar nicht -, so wenig passen Ihre Bemerkungen gegen die Formulierungen, Herr Kollege Tippach, die man aus den unmittelbaren Erfahrungen des Krieges, des Völkermords und des Holocaust 1945 und 1948 in die Erklärungen der UNO hineingeschrieben hat. Damals haben die Menschen diese Formulierung aus dem tiefsten Inneren gefunden, ohne lange Konferenzen, ohne lange Beratungen, ohne lange Protokolle und Bedenken. Das hier so niederzumachen, ist nicht der richtige Stil.
Ich bin der Überzeugung, daß wir selbst unser Grundgesetz und das, was dort über die Würde des Menschen formuliert ist, heute mit all unseren Kommissionen und Bedenken nicht mehr so hinbekommen würden. Selbst wenn wir durch CNN und andere viel mehr Leiden sehen als die Menschen damals, sind wir doch abgestumpfter als die Generation, die 1945 und 1948 diese Texte formuliert hat.
- Sie haben das hier sehr lächerlich zitiert und gesagt, das sei alles Rhetorik. Ich weiß nicht, welche Rhetorik Sie 1987 gepflegt haben, als Sie der SED beigetreten sind. Diese Parolen und diese Sprüche lassen sich mit diesen aus tiefer Erfahrung geprägten Erfahrungen nicht vergleichen.
- Ich habe nicht gesagt 40 Jahre DDR, aber ich weiß nicht, welche Reden er 1987 gehalten hat.
Hatten wir nicht alle gehofft, daß mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes, in dessen Windschatten sich menschenrechtsverachtende Systeme bewegt haben, und nach dem Ende des Kommunismus eine neue Weltordnung beginnen würde? Aber ebenso wie das Jahr 1789, das Jahr der Franzöischen Revolution, mit den Begriffen Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität die Welt nicht nachhaltig verändert hat und der Rückfall immer wieder stattgefunden hat, ist es auch mit dem Jahr 1989.
Viele nutzen die neuen Freiheiten zum Rückfall in Nationalismus, in ethnische Säuberungen. Das alles hätten wir in dieser Weise nicht für möglich gehalten. Wir brauchen diese Diskussion über die Universalität der Menschenrechte mit großer Intensität.
- Wir sind ja auch gar nicht auseinander! - Ich kann nicht erkennen, daß es zur regionalen Vielfalt oder zur multikulturellen Bereicherung gehören kann, jemanden für Ehebruch zu steinigen, für Diebstahl die Hand abzuhacken und andere Menschen zu foltern.
Es gibt zweifellos eine Schuld des Nordens, der früheren Kolonialmächte, in bezug auf manche Situation im Süden. Aber es gibt - das sollten wir auch anmahnen - auch die individuelle Verantwortung des einzelnen. All Ihre Sprüche, die Sie hier gemacht haben, über die Ausplünderung durch den kapitalistischen Norden über internationale Konzerne, die alles bestimmen, gelten in einem der eklatantesten Fälle, nämlich im Fall von Ruanda, eben nicht. Da sind keine wirtschaftlichen Interessen des Nordens im Spiel. Dahin sind keine Waffen
exportiert worden. Die Menschen bringen sich notfalls mit Knüppeln, mit Macheten und Messern um.
Deshalb sollten wir auch sagen, daß die Verantwortung des einzelnen gefragt ist, daß wir auch für den einzelnen eine neue Ethik formulieren müssen.
- Ich weiß nicht, Frau Kollegin, was das mit Hunger zu tun hat, wenn sich Hunderttausende gegenseitig umbringen. Versuchen Sie doch nicht, irgendwelche Erklärungen für schlichtes menschliches Fehlverhalten, das es in dieser Welt gibt, hier in die Debatte einzubringen.
Von Martin Buber stammt eine Übersetzung eines Jahrtausende alten Spruchs. Er hat das Alte Testament übersetzt und dort die Formulierung gefunden: „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du." Ein solcher Satz ist eine Jahrtausende alte Überzeugung der Menschheit. Wenn Menschen sich gegenseitig niedermetzeln, sich umbringen, dann hat das damit etwas zu tun, daß diese Erkenntnis verlorengegangen ist, und nicht mit irgendwelchen Gründen, die wir für jedes Verhalten finden können.
Ich glaube - und das ist in Ergänzung dessen, was Frau Schwaetzer hier vorgetragen hat, wichtig -, daß
Armin Laschet
die stille Diplomatie, wie Sie sie geschildert haben, erforderlich ist. Aber wenn wir über unsere Rolle nachdenken, dann gehört es zu den ureigensten Aufgaben des Parlaments, neben dem kritischen Dialog der Regierungsebene, neben den diplomatischen Beziehungen, die erforderlich sind, neben den Besuchen auch in Ländern, die Menschenrechte verletzen, hier auch aus eigener Kraft einen Schritt weiterzugehen, als dies die Regierung mit ihrer Diplomatie kann.
Die Kanäle der Regierung sind andere als die des Parlaments. Die Regierung kann vieles im stillen bewirken und kann nicht alles auf dem offenen Markt austragen. Die Nichtregierungsorganisationen, die Kirchen, Amnesty International, können offener als Regierungen sprechen. Frau Schoppe hat das in einem Beitrag über Ethik in der Außenpolitik erst vor wenigen Wochen publiziert.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn dann das Parlament einmal in einer solchen Frage weitergeht, wie das im amerikanischen Kongreß viel häufiger üblich ist als bei uns, dann ist es nicht hilfreich, weder von den Medien noch von einigen Oppositionsabgeordneten im nachhinein, nach der WelajatiEntscheidung zu sagen: Die Koalition ist gescheitert, die Koalition zerbricht, der Minister hat keine Mehrheit mehr, er sollte zurücktreten.
Wenn wir als Parlament wirklich einmal weitergehen, wenn auch Abgeordnete der Regierung einem Antrag von Ihnen zustimmen, dann darf das nicht im nachhinein für parteipolitische Mätzchen ausgeschlachtet werden.
Denn dann kommt wirklich der Eindruck auf, daß es in dieser Frage, bei der wir mit wenigen mitgestimmt haben, nicht um Menschenrechte ging, sondern um parteipolitische Spielereien.
Vielleicht sollten wir mehr als bisher mit unseren Kollegen in anderen demokratischen Parlamenten über diese Grundfragen einen Konsens anstreben. Die Interparlamentarische Union versucht ganz bewußt, als parlamentarisches Gremium einen Gegenpol auch zu den Regierungen zu setzen. Vieles ist dort weiter gediehen, als die Regierungen untereinander austauschen können.
Ich denke, daß diese Debatte zum Tag der Menschenrechte das Parlament mutiger machen sollte, eigene Stellungnahmen abzugeben, ohne daß wir das in den Klischees „hier Mehrheit, da Opposition" festmachen. Die Medien müssen auch das in ihrer Berichterstattung begreifen.
- Ähnlich war die Medienanwesenheit an jenem Tag, als wir über Welajati abstimmten.
- Nein, sie war nicht da, Herr Schäfer.
Als ich ins Auto stieg und das Radio anstellte, hörte ich, daß die Koalition ihre erste Abstimmungsniederlage erlitten habe, weil die meisten Abgeordneten schon im Wochenende gewesen seien.
- Bei Ihnen haben mehr gefehlt. Das wäre beinahe an Ihnen gescheitert, nicht an uns.