Rede von
Hartmut
Koschyk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Tippach, an sich ist Advent, und am Tag der Menschenrechte soll man nicht groß streiten. Aber ich habe mir gerade überlegt: Wenn Sie wenigstens ein bißchen von dem, was Sie jetzt an Menschenrechtsverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesregierung angemahnt haben, in dieser Zeit versucht hätten umzusetzen - ich habe in Ihrem Lebenslauf gelesen, daß Sie 1987 in die SED eingetreten sind; Sie wollten also noch kurz vor Schluß dabeisein -
dann, glaube ich, hätten wir heute Ihre Rede mit einem Stück mehr Sympathie verfolgt.
- Lieber Herr Verheugen, ich glaube, wenn sich jemand hier hinstellt und eine große moralisierende Rede zum Thema Menschenrechte hält, dann muß er sich auch gefallen lassen, daß man ihn danach fragt.
Aber wir wollen ja heute nicht streiten; es ist Advent.
Ich möchte mich jetzt einem Thema zuwenden, bei dem ich glaube, daß es in diesem Haus sehr viel Gemeinsamkeit gibt, nämlich der Frage der Bedeutung eines effektiven Minderheitenschutzes als universellem Teil der Menschenrechte.
Der Bundeskanzler hat ja gestern in der BosnienDebatte zu Recht gesagt, daß durch die Vereinbarung von Dayton die Menschen im ehemaligen Jugoslawien die Chance für einen Frieden und auf Beendigung dieser unsäglichen Gewaltauseinandersetzungen haben, daß es aber jetzt natürlich darauf ankommt, daß der beschlossene Friede auch ein gelebter Friede wird.
Ein Blick in die Vereinbarung von Dayton zeigt, daß für wirklichen Frieden und für wirkliche Stabilität in Bosnien-Herzegowina die Wahrung der unveräußerlichen Menschenrechte und vor allem die Realisierung eines effektiven Minderheitenschutzes von
Hartmut Koschyk
großer Bedeutung sein werden. Denn nur die Gewährleistung von Volksgruppen- und Minderheitenrechten auf einem Gebiet, auf dem die systematische Verletzung von Minderheitenrechten und die Auseinandersetzungen darüber zu diesem unsäglichen Krieg geführt haben, kann die Voraussetzung dafür schaffen, daß die Menschen dort, wenn es gelingt, den äußeren Frieden wiederherzustellen, auch den inneren Frieden finden, das heißt, den inneren Frieden mit ihren Nachbarn, die einer anderen Nationalität, einer anderen Religion angehören.
Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien hat uns deutlich vor Augen geführt, daß der Schutz von Volksgruppen und Minderheiten - vor allem auch ein mit Sanktionsmechanismen und mit Kontrollmechanismen bewehrter Schutz - die große Herausforderung für die Schaffung von Stabilität in diesem Raum, aber auch in ganz Europa, ist.
Deshalb sollten wir an einem solchen Tag würdigen, was mit Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland, auch mit Unterstützung aus diesem Parlament heraus, auf internationaler Ebene geschieht. Ich möchte an erster Stelle die Bemühungen des Europarates und hier vor allem der Parlamentarischen Versammlung des Europarates nennen. Lieber Kollege Bindig, ich stehe nicht hintan, gerade Ihre Verdienste in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates im Rechtsausschuß, im Unterausschuß Menschenrechte, um konzeptionelle Verbesserungen des Minderheitenschutzes auf der Ebene des Europarates zu würdigen. Ich schließe auch unseren vormaligen Vorsitzenden des Unterausschusses und langjährigen Kollegen Friedrich Vogel in diesen Dank mit ein.
Wäre es nach der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gegangen - das weiß auch die Bundesregierung -, wären wir beim Minderheitenschutz, bei dem der Europarat ja Sanktionsmechanismen bieten könnte, viel weiter, als wir heute sind. Ich glaube, Herr Kollege Bindig, da sind wir uns einig: Es lag nicht an der Bundesregierung, daß wir beim Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten nicht mehr erreicht haben. Es liegt auch nicht an der Bundesregierung, daß wir jetzt beim Zusatzprotokoll für kulturelle Rechte diese Einengung auf kulturelle Rechte haben.
Wir sollten jetzt aus dem vorhandenen Instrument der Rahmenkonvention, die in Deutschland gezeichnet wurde und die in Deutschland auf die in Deutschland ansässigen Minderheiten Anwendung finden wird - der Ratifizierungsprozeß läuft, - die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Ich begrüße es deshalb, daß wir heute den Ministerpräsidenten eines Bundeslandes als Zuhörer bei dieser Debatte haben, das für die Rechte der in diesem Bundesland lebenden Sorben in der Landesverfassung und in vielen Gesetzen des Landes deutlich gemacht hat: Wir können als Bundesrepublik Deutschland von unseren Nachbarn im Osten nur dann Minderheitenrechte anmahnen, wenn wir sie den Sorben in Deutschland, den Dänen, den Friesen gewähren.
Ich will hier auch deutlich sagen: Ich begrüße es, daß die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten, die wir gezeichnet haben, auch auf die Volksgruppe der Sinti und Roma in Deutschland Anwendung findet.
Wir müssen jetzt aufpassen - deshalb der Appell an die Bundesregierung, Herr Staatsminister Schäfer -, daß wir uns bei dem zusätzlichen Protokoll für kulturelle Rechte nicht mit Unverbindlichkeiten begnügen. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, die Abschlußarbeit dieses Ad-hoc-Ausschusses, den das Ministerkomitee eingesetzt hat, jetzt einfach abzusegnen, damit dieses Zusatzprotokoll zur Zeichnung aufgelegt werden kann, sondern wir sollten auch noch einmal unter Mitwirkung des Parlaments im zuständigen Ausschuß darüber diskutieren, ob uns auch aus der Sicht des Deutschen Bundestages das, was hier von CAHMIN ans Ministerkomitee gegangen ist, zufriedenstellt, ob sich also das Auflegen eines Zusatzprotokolls lohnt, oder ob wir nicht lieber die Uhr noch einmal anhalten und auf Verbesserungen drängen sollten.
Ich glaube, die Vorgänge im ehemaligen Jugoslawien haben ganz deutlich gezeigt, daß es für wirkliche Stabilität in Europa im Raum des ehemaligen Jugoslawien, aber auch bei den Nachbarn - ich denke an die Problematik der ungarischen Minderheit in Rumänien und an das rumänische Unterrichtsgesetz, ich denke an die Problematik der ungarischen Minderheit in der Slowakei und an die Situation im Zusammenhang mit dem Sprachengesetz, die jetzt geschaffen wurde, aber ich denke auch an die ungelösten Probleme, die uns in Serbien, im Kosovo, im Sandschak, in der Vojvodina noch vor große Aufgaben stellen - wichtig ist, daß die Bundesrepublik Deutschland durch die Bundesregierung und das Parlament an der Spitze derjenigen steht, die konzeptionelle Verbesserungen, substantielle Verbesserungen im Minderheitenschutz fordern und auch einen Beitrag dazu leisten, daß wir Sanktionsmechanismen und Kontrollmechanismen schaffen, die den Minderheitenschutz zu einem wesentlichen Bestandteil auch der Organisationsstrukturen auf europäischer Ebene - Europarat, OSZE, Europäische Union, bis hin zu den Vereinten Nationen - machen.
Herzlichen Dank.