Rede von
Wolfgang
Lohmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eben wurde schon gefragt, ob jetzt auch noch Ruhe einkehren soll, nachdem heute abend schon so viele eingekehrt sind.
Meine Damen und Herren, wir bringen heute in erster Lesung eine weitere Novelle zum SGB V ein, so wie es bereits bei der Lesung der vierten Novelle vor der Sommerpause angekündigt wurde. Wir setzen das Konzept, das ich seinerzeit genannt habe, fort.
Das Ziel ist es, mit dieser sechsten Novelle die innovativen Kräfte in der Arzneimittelforschung zu stärken. Die Erforschung neuer Arzneimittel soll in Zukunft in Deutschland wieder attraktiver werden.
Wir schlagen daher mit der sechsten Novelle vor, daß die Bildung von Arzneimittelfestbeträgen der Stufe 2 und 3 bei patentgeschützten Arzneimitteln deutlich eingeschränkt wird, damit die Refinanzierung von Forschungskosten für die Arzneimittelhersteller erleichtert wird. Das gilt das für alle patentgeschützten Arzneimittel, die nach dem 31. Dezember 1995 arzneimittelrechtlich zugelassen werden.
Wolfgang Lohmann
Auch dieses Thema ist in der gesundheitspolitischen Diskussion nicht neu. Wir haben es bereits mit dem Gesetz zur Anpassung krankenversicherungsrechtlicher Vorschriften im vergangenen Jahr - GKV- Anpassungsgesetz genannt - auch gehabt; es wurde von Ihnen und vor allen Dingen vom Bundesrat abgelehnt.
Ihre Ablehnungs- und Blockadestrategie wird allerdings dieses Mal - wie übrigens auch bei anderen Gesetzen, die wir bereits eingebracht haben - nicht zum Erfolg führen, da das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf.
Meine Damen und Herren von der SPD, wenn es richtig ist, daß die Pharmaindustrie eine der letzten High-Tech-Branchen in unserem Land ist, wenn es richtig ist, daß die Zukunft unseres Landes nur durch die nachhaltige Stärkung innovativer Kräfte gesichert werden kann und nicht - das sei nur am Rande bemerkt - durch die Absenkung des Lohnkostenniveaus auf das Niveau osteuropäischer Staaten, wenn das alles richtig ist, dann müssen wir gemeinsam alles daransetzen, daß die Arzneimittelforschung als Zukunftstechnologie optimale Wettbewerbschancen auf den internationalen Märkten hat oder wiedererlangt.
Die Entwicklung, die sich bei der Gentechnologie abgespielt hat, darf sich hier in unser aller Interesse nicht wiederholen.
Denn wir alle mußten bzw. müssen erkennen, wie schwer es ist, einmal in das Ausland abgewanderte Forschungsschwerpunkte für unser Land zurückzugewinnen.
Der Kollege Dreßler von der SPD, der heute nicht da ist, hat neulich erklärt - und das ist auch nicht neu -, daß die SPD die heute von der Unionsfraktion und von der Koalition in erster Lesung eingebrachte Gesetzesinitiative nicht mittragen kann. Die SPD unterstütze zwar das Ziel, die Regelung über die Festbetragsfähigkeit von patentgeschützten Arzneimitteln zu verbessern; die Initiative der Regierungsfraktionen sei für die SPD jedoch nicht akzeptabel, weil auch sogenannte Molekülvariationen von der Festbetragsbildung damit ausgenommen werden würden. Molekülvariationen oder bloße „Molekülspielereien der Pharmaindustrie", wie er es genannt hat, mit dem Ziel, die Festbetragsbildung zu umgehen, seien für die SPD gesundheitspolitisch unerwünscht und nicht schutzwürdig.
Das ist - Herr Kirschner, Sie klatschen zum falschen Zeitpunkt - genau der Punkt, an dem wir uns von Ihnen grundsätzlich unterscheiden. Es ist zwar richtig und wird auch von niemandem bestritten, daß Molekülvariationen auch mit dem Ziel entwickelt werden, die Festbetragsregelung zu umgehen. Aber - das ist der springende Punkt - wer soll denn zwischen gesundheitspolitisch sinnvollen und weniger sinnvollen Patenten unterscheiden? Ist denn eine derartige Unterscheidung überhaupt möglich bzw. sinnvoll? Die Politik ist damit mit Sicherheit überfordert. Eine gesetzliche Regelung, die eine derartige Differenzierung tragfähig leistet, ohne zugleich die Innovationskräfte zu strangulieren, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Den Vorschlag des Kollegen Dreßler, das Bundesinstitut für Arzneimittel neben der Aufgabe der Arzneimittelzulassung auch mit der Aufgabe zu betrauen, den therapeutischen Nutzen der zugelassenen Präparate zu beurteilen, kann man wirklich nur mit Staunen zur Kenntnis nehmen. Dieses Institut soll also nach Ihren Vorstellungen künftig auch damit betraut werden, den therapeutischen Nutzen von neuen Patenten, von sogenannten Molekülvariationen, zu beurteilen.
Ich frage Sie - vielleicht können Sie sich, Herr Kirschner, gleich in Ihrem Redebeitrag dazu äußern -: Ist das wirklich ein ernsthafter Vorschlag, zur Stärkung der Innovationskraft der Pharmaforschung ein Bundesinstitut mit der Bewertung und Kontrolle der Forschungsergebnisse zu beauftragen?
- Sie sagen „Ein sehr guter Vorschlag! ", und im gleichen Atemzug beklagen Sie bei der Diskussion um die Positivliste zu Recht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, daß die Arbeit genau dieses Institutes bei der Nachzulassung 20, wenn nicht sogar 30 Jahre dauert, ohne ein politisch tragfähiges Ergebnis gebracht zu haben. Sie beklagen das mit Recht, wollen diesem Institut aber anscheinend noch weitere Aufgaben überstülpen.
Die Lösung dieser Frage kann doch nur - entsprechend den Grundprinzipien eines sozialen marktwirtschaftlichen Systems - darin bestehen, die Freiräume für Innovationen wieder zu schaffen und die Rahmenbedingungen so zu regeln, daß innovative Kräfte sich wieder voll entfalten können, und zwar ohne darüber zu entscheiden, ob das nun gute oder schlechte Forschung ist. Über die Arzneimittelsicherheit entscheidet das Bundesinstitut; über den therapeutischen und diagnostischen Nutzen entscheidet allein der Arzt und sonst niemand, allenfalls noch - aber der steht heute abend nicht zur Debatte - Daniel Bendel.
Mit unserem Gesetzentwurf wird die Bildung von Festbeträgen für alle patentgeschützten Arzneimittel, die nach dem 31. Dezember 1995 die Nachzulassung erhalten, eingeschränkt, und zwar unabhängig davon, ob es sich nun um gute oder schlechte Patente handelt.
Lassen Sie mich zum Schluß noch klarstellen, was bei derartigen Debatten oft zu kurz kommt, nämlich die Tatsache, daß es bei der Stärkung der innovativen Kräfte der Pharmaforschung zuallererst um die Interessen der Versicherten und Patienten geht, denen derartige neue Wirkstoffe letztendlich zugute kommen sollen. Jegliche Neiddiskussion, die unsere
Wolfgang Lohmann
Politik zu diskriminieren versucht, ist völlig fehl am Platze.
Es geht doch um Antworten, die auf Volkskrankheiten wie beispielsweise Krebs oder Herz-KreislaufLeiden - um nur zwei Stichworte zu nennen - gegeben werden müssen. Die Patienten warten bzw. hoffen darauf, daß die Forschung unseres Landes auch künftig Antworten findet, mit denen Erkrankungen geheilt oder zumindest ihre Symptome gelindert werden können.
Gerade weil das so ist und weil wir uns in der grundsätzlichen Beurteilung des Sachverhalts wohl alle weitgehend einig sind, möchte ich Sie dazu auffordern, in den Beratungen des Gesundheitsausschusses eine Lösung zu suchen, die dem grundsätzlichen Anliegen auch gerecht wird.
Klar muß dabei sein, daß wir als Union nicht bereit sind, hinter die heute vorgeschlagene Lösung zurückzugehen. Wir werden - das kündige ich bereits jetzt an - in den Ausschußberatungen auch einen Änderungsantrag einbringen, mit dem die Problematik billiger Reimporte aus dem Ausland zufriedenstellend gelöst wird. Es kann doch wohl nicht richtig sein, daß aus einem Land Europas, in dem die Arzneimittelpreise auf der Grundlage staatlicher Preisbildung künstlich niedrig gehalten werden, diese Arzneimittel zu ebendiesen Billigpreisen nach Deutschland importiert werden und obendrein in der Apotheke kraft Gesetzes angeboten werden müssen. Wenn sich die Preise auf dem Markt entwickelt hätten, wäre dies etwas anderes; sie werden aber, wie man weiß, administrativ niedrig festgesetzt. Nach unserer Auffassung ist die Beantwortung dieser Frage vor dem Hintergrund des europäischen Arzneimittelmarktes überfällig. Ich bin zuversichtlich, daß wir auch auf diese Frage letztlich eine einvernehmliche Antwort finden werden.
Danke