Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist sicher richtig, daß wir eine umfassende Naturschutzstrategie brauchen und daß wir uns vom Reservatsdenken verabschieden. Dies ist eine Erkenntnis, die spätestens seit Rio und seit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung auch deutliche Auswirkungen auf den Umweltschutz hatte. Darüber brauchen wir in diesem Hause nicht zu streiten. Es gibt inzwischen Strategien eines abgestuften Naturschutzes, keine Konzentrierung mehr auf die reinen Naturschutzgebiete. Das Europäische Naturschutzjahr ist auch Ausdruck genau dieses Denkens, denn dieses Europäische Naturschutzjahr hat den Naturschutz außerhalb ausgewiesener Schutzgebiete zum Ziel. Ich glaube, das ist genau das, was sich in den 25 Jahren verändert hat. Hier sind wir uns einig.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei dem Nationalkomitee bedanken, das das Europäische Naturschutzjahr in unserem Lande mit viel Engagement begleitet hat, bei all denen, die sich an dem Wettbewerb um Projekte des Monats beteiligt haben, auch beim Bundespräsidenten, der die Schirmherrschaft für dieses Naturschutzjahr übernommen hatte, und dafür, daß alle dazu beigetragen haben, daß dies eine Initiative war, die in unserem Lande Auswirkungen hat. Wir sind uns nicht mehr ganz so einig, wenn es um den einfachen Satz geht: Natur und Landschaft müssen um ihrer selbst Willen geschützt werden, wie es die Grünen heute gesagt haben.
Und im nachhinein kommt dann die Bemerkung: Das geht nicht gegen den Menschen, sondern das geht nur mit den Menschen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß sich genau hier die Musik abspielt, um die es geht und .um die wir ringen. Da ist die Frage: Was ist nachhaltige Entwicklung? Daß eben nicht gegen den Menschen, sondern nur mit den Menschen entschieden werden kann, und hierüber wird diskutiert. Hierüber wird zwischen Naturschützern und Landwirten diskutiert. Hierüber wird zwischen Naturschützern und denen, die in Siedlungsgebieten agieren, diskutiert. Und hierüber wird ganz besonders in den neuen Bundesländern diskutiert.
Deshalb, Frau Mehl, möchte ich ganz gern auf Rügen eingehen, denn dies ist mein Wahlkreis, und dort leben 80 000 Menschen. Ich persönlich bin in vollem Einvernehmen damit, daß auf dieser Insel mit diesen 80 000 Menschen heute bereits 46 Prozent der Fläche unter Landschafts- und Naturschutz gestellt sind. Daran kann sich manches Gebiet in der alten Bundesrepublik ein Beispiel nehmen. Ich bin auch der Auffassung, daß diese Insel ein gutes Gebiet ist, um einen Naturpark daraus zu machen. Ich bin auch dafür, daß wesentliche Teile des Gebiets dieser Insel unter Landschafts- und Naturschutz gestellt werden sollen, wie es ein Naturpark verlangt. Das spielt sich eben zwischen 60 und 100 Prozent ab. Genau da liegt wiederum die Frage: Was wollen wir für die 80 000 Menschen an wirtschaftlicher Entwicklung? Was wollen wir an Naturbewahrung? Und wie bringen wir das in Einklang?
Liebe Frau Mehl, ich bin zum Beispiel nicht der Meinung, daß sich die Leute auf Rügen, wo es mit Arbeitsplätzen sowieso schon schwierig ist, eine Verordnung geben lassen müssen, nach der ihnen auch verboten ist, Weihnachtsbäume außerhalb schon bestehender Waldgebiete anzupflanzen. Dänemark hat damit hervorragende Ergebnisse erzielt. Genau dieses Verbot stand in der Verordnung und noch viele andere Sachen, die ich jetzt hier nicht alle aufführen möchte. Genau darüber ist es zum Konflikt gekommen, nicht über die Frage, ob Rügen Naturpark wird, und nicht über die Frage, ob man dort nicht noch mehr Gebiete unter Landschafts- und Naturschutz stellen kann.
Ich sage dies hier so deutlich, weil genau hierüber der Streit entbrennt. Dazu muß ich sagen: Natürlich wollen wir die Menschen für den Naturschutz gewinnen. Man muß sehen, daß viele Menschen heute ihr Geld in der Natur verdienen, zum Beispiel die Landwirte, zum Beispiel die Forstwirte, zum Beispiel auch die Fischer. Warum eigentlich haben diese Menschen kein Recht auf Ausgleich, wenn wir hier einen besonderen Schutz schaffen wollen?
- Doch, ich habe sehr genau gehört, daß Sie eine relativ stringente Haltung gegen zu viele Ausgleichszahlungen haben, weil Sie fürchten, daß auch Sie es im politischen Kampf in ihren Ländern, wo Sie die Möglichkeiten dazu haben, nicht schaffen, aus Ihrer Sicht ausreichend Geld zu bekommen, um diese Ausgleichsmaßnahmen zu bezahlen!
Das sehe ich nun auch nicht ein, denn wir haben hervorragende Ausgleichszahlungen in allen anderen Bereichen, in denen in das Eigentum eingegriffen wird. Natürlich gilt auch für die Landwirte die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, ebenso für die Forstwirte und die Fischer. Das aber an dieser Stelle nun überzustrapazieren, weil wir als diejenigen, die sich für Naturschutz interessieren, uns an vielen Stellen nicht hinreichend durchsetzen können, kann ich nicht verstehen. Es gibt viele Bereiche in unserer Gesellschaft, für die andauernd Geld ausgegeben
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
wird. Deshalb müssen wir gemeinsam dafür kämpfen, daß dies möglich sein wird.
- Darüber, das will ich jetzt einmal festhalten, freue ich mich!
Herr Sielaff, nun will ich gleich anfügen: Ich war auf dem Deutschen Bauerntag und habe mit den Bauern gesprochen. Ich bin dort nicht gerade überfreundlich empfangen worden. Und als ich dann wieder weg war, waren sie vielleicht auch noch mißtrauisch, sicherlich aber ein bißchen weniger, denn wir haben uns gut gestritten und gut unterhalten. Herr Borchert spricht auch mit den Naturschutzverbänden. Auch ich sage den Naturschutzverbänden nichts anderes. Die Naturschutzverbände werden Ihnen sagen, daß ihre Stellungnahmen nach meinem Gespräch mit ihnen über das, was ich gesagt habe, so euphorisch nicht sind. Also sowohl bei den Bauern als auch bei den Naturschutzverbänden sage ich schon dasselbe. Es hat ja auch gar keinen Sinn, hier davon abzuweichen.
Auch hier sind ausreichend Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses und des Umweltausschusses; da habe ich überhaupt keinen Zweifel.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat zur Zweiten Konferenz der Vertragsstaaten des Übereinkommens über die biologische Vielfalt einen sehr umfassenden Bericht über die Naturschutzpolitik in Deutschland vorgelegt. Wir waren das erste Land, das sich zu dieser internationalen Vertragsstaatenkonferenz mit einem nationalen Bericht gemeldet hat. Man kann ihn kritisieren, aber wir haben ihn vorgelegt und waren damit auch Schrittmacher für andere Länder.
Wir haben in den letzten Jahren Erhebliches erreicht; das wird wohl niemand bestreiten. Ich denke, die Magdeburger Erklärung der letzten Umweltministerkonferenz zwischen Bund, Ländern und Umweltverbänden war ein neuer Schritt zu mehr Gemeinsamkeit, zur Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen Politik und Naturschutz.
Wir haben eine Situation, in der Wirtschaftswachstum immer noch mit zunehmendem Flächenverbrauch einhergeht. Ich denke, dies darf keine Dauererscheinung werden. Wir haben es geschafft, den Energieverbrauch vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln. Wir müssen es auch schaffen, den Flächenverbrauch vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln.
Wir müssen das gemeinsam mit den Ländern schaffen; denn im Naturschutz ist es schon so, daß wir die Zuständigkeiten sehr klar beachten müssen.
In Ihrer Novelle schauen Sie sich überhaupt nicht an, welche Rechtslage zwischen Bund und Ländern besteht. Ich weiß nicht, ob Sie sich einmal mit der Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes befaßt haben. Es war der ausdrückliche Wunsch aller Länder, auch der SPD-Länder, dem Bund weniger Kompetenzen in seiner Rahmengesetzgebung zu geben. Sie können eben heute nur noch mühevoll bestimmte Ausgleichsregelungen oder bestimmte Vollregelungen machen, und damit steigt notgedrungen, ob man das will oder nicht, die Verantwortung der Länder für bestimmte politische Regelungsbereiche.
Der Bund wird seiner Verantwortung bei der Rahmengesetzgebungskompetenz nachkommen. Ich lege mich hier nicht auf Wochen fest. Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir mit Hochdruck an einer solcher Regelung zum Bundesnaturschutzgesetz arbeiten. Wenn Sie etwas gewartet hätten, hätten wir vielleicht eine gemeinsame Debatte führen können.
Ich möchte noch zur sogenannten FFH-Richtlinie ganz klar sagen, daß die Länder natürlich FFH-
Schutzgebiete ausweisen können. Die Länder haben es nicht gemacht. Ihnen sind damit Life-Mittel verlorengegangen, Mittel für den Naturschutz. Es tut mir in der Seele leid, daß dies so ist und die Länder nur aus einer Blockadehaltung heraus gehandelt haben. Ich glaube, die Länder sollten noch einmal darüber nachdenken, ob das richtig ist.
Das EG-Recht führt zu einer Verbesserung des Naturschutzes. Das ist sowohl über die FFH-Richtlinie der Fall als auch über die neue Artenschutzverordnung. Allerdings muß man sagen, daß Sie die EG-
Artenschutzverordnung nicht richtig umsetzen. Frau Mehl, das kann man noch entschuldigen, weil Sie vielleicht den Text noch nicht so genau kennen. Aber wir staunen schon, daß die Nichtberücksichtigung der Artenschutzbestimmungen der FFH-Richtlinie in Ihrem Gesetzentwurf so ist, wie sie ist. Das müßte Ihnen doch eigentlich bekannt sein, was dabei notwendig ist. Wir sind der Meinung, daß klare und eindeutige bundesrechtliche Vorgaben fehlen, die nach der Umsetzung in Gesetzentwürfen, übrigens auch in dem der Grünen, enthalten sein müßten.
Darüber hinaus - darüber können wir noch detailliert diskutieren - halten beide Entwürfe an den EGrechtswidrigen Ein- und Ausfuhrvorschriften für geschützte Tiere fest. Sie wissen, daß wir uns insoweit nicht haben durchsetzen können. Deshalb denke ich, daß auch Sie wissen, daß das mit dem Binnenmarkt nicht vereinbar ist. Das, finde ich, sollte in den Entwürfen doch berücksichtigt werden.
Es gibt auch eine Reihe von Unklarheiten in Ihren Gesetzentwürfen, die eine sichere Rechtsanbindung unmöglich machen. Wir wissen zum Beispiel gar nicht: Was ist unter dem neuen Begriff der Regeln umweltschonender Land- und Forstwirtschaft zu verstehen? Wir sollten vielmehr versuchen, auf einem schon bestehenden klaren Begriff, nämlich dem der guten fachlichen Praxis, aufzubauen und
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
die gute fachliche Praxis dann durch Umweltgesichtspunkte Schritt für Schritt zu erweitern und dort miteinzuarbeiten; denn das scheint mir das viel bessere Vorgehen, als wenn wir jetzt einen neuen Begriff finden, der in der Landwirtschaft bis jetzt überhaupt keine Akzeptanz findet, und mit dem dann als unbestimmter Rechtsbegriff argumentieren, der überhaupt nicht durchzusetzen ist.
Nun will ich sagen, daß es natürlich auch eine Reihe von positiven Ansätzen aus unserer Sicht gibt. Die Einführung der Schutzkategorie „Biosphärenreservat" unterstütze ich nachdrücklich. Ich denke, daß dies ein modernes und abgestuftes Naturschutzkonzept ist. Ich sage auch, daß wir die Umsetzung der Biotopschutzvorschriften der FFH-Richtlinie vernünftig und richtig finden.
Ich will an dieser Stelle noch einmal betonen, daß ich glaube, daß wir ein starkes und eigenständiges Naturschutzgesetz brauchen
und daß wir nicht zu viele Regelungen in andere Bereiche hineingeben dürfen. Frau Glücklich hat vom Baubereich gesprochen. Man könnte auch sagen, auch die Landwirte hätten gerne manches anders in der Eingriffsregelung. Das würde aber dann wieder zu einem Zerfasern des Naturschutzgesetzes führen, was ich und auch viele andere nicht für richtig halten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz etwas zu der Waffenerprobung im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer sagen. Seit 1969 wird dort im Bereich der Meldorfer *) Bucht im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer - -
Bucht!)
- Ich war noch nicht dort. Deshalb sollte ich das vielleicht einmal machen. Dann weiß ich auch, wie das ausgesprochen wird.
Die meisten Menschen sagen auch Stral sund, und es heißt Stralsund. Nun sage ich Meldorfer **) Bucht im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer.
Dort wird eine Fläche von etwa 100 Quadratkilometern durch das Bundesverteidigungsministerium genutzt. Auf Grund der ökologischen Bedeutung des Gebietes wurde der Betrieb in den letzten Jahren erheblich reduziert. Sie wissen, daß in Mauserzeiten, in Brutzeiten, in Zugvogelwanderzeiten und mit Rücksicht auf touristische Belange auch im Sommer, in der Hauptferienzeit, keine Erprobungsbetriebe mit Beschuß stattfinden.
*) mit langem e gesprochen
**) mit kurzem e gesprochen
Ich will Ihnen sagen, daß ich mich weiter für eine Reduzierung hier einsetzen werde. Mit einer sofortigen Schließung ist nach den Bedürfnissen und Belangen des Bundesverteidigungsministers - auch begründeten Belangen - nicht zu rechnen. Dennoch: Mein Engagement wird in Richtung einer Reduzierung hier weitergehen.
Ein letztes Wort, und zwar zum Meeresumweltschutz. In diesem Bereich haben wir natürlich durch die Diskussion um die Brent-Spar-Plattform eine erhebliche Emotionalisierung gehabt. Trotzdem kann man festhalten: Das Meer ist keine Müllhalde, jedenfalls heute nicht mehr. Das ist auch das Ergebnis ganz wesentlicher internationaler Bemühungen, die ich hier aus Zeitgründen gar nicht alle aufführen will. Wir haben alle eine relativ erfolgreiche Nordseeschutzkonferenz gehabt. Wir haben andere internationale Abkommen und werden in diesem Bereich auch weitermachen.
Abschließend möchte ich noch einmal auf folgendes hinweisen: Wir haben vor wenigen Wochen über die Vorbereitungen zur Konferenz über die Biodiversität in Jakarta gesprochen. Ich kann heute sagen, daß diese Konferenz nicht, wie viele Auguren es wieder vorher behauptet haben, ein Reinfall war, sondern daß es auf dieser Konferenz zugunsten der Erhaltung der Artenvielfalt durchaus vorwärtsging, wenngleich dieser Prozeß schwierig ist. Wer einmal auf einer solchen Konferenz war, der weiß, daß es außer unseren nationalen Streitpunkten international noch viele andere mehr gibt.
Ich halte es für ein ganz wichtiges Ergebnis, daß es in Jakarta gelungen ist, festzulegen, ein Mandat zur Erarbeitung eines Protokolls über die sichere Weitergabe gentechnisch veränderter Organismen zu verabschieden. Ich glaube, daß es bei unserem national hohen Schutzniveau und auch bei dem europäisch hohen Schutzniveau wichtig ist, daß wir auch international ein bestimmtes Schutzniveau erreichen. Ich finde, dies könnte nun auch einmal von den Oppositionsfraktionen in diesem Hause anerkannt werden, denn international sind diese Dinge gar nicht so einfach durchzusetzen.
Wir als Bundesrepublik Deutschland haben außerdem erreicht, daß es Fortschritte bei der nachhaltigen Nutzung der Meere und der Wälder gibt. Im Clearinghouse-Mechanismus wird zur Förderung der technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Industrie und Entwicklungsländern ein spezielles Informationssystem aufgebaut - ein ganz wichtiger Punkt, gerade auch für die Entwicklungsländer.
Unter Federführung unseres Bundesamtes für Naturschutz wird in Bonn bereits in der Zentralstelle für Agrardokumentation und Information die notwendige Infrastruktur dafür geschaffen.
Sie sehen also daran: Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich aktiv an der Diskussion über den
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
Naturschutz. Zur Weiterentwicklung des Naturschutzes, die wichtig ist, betone ich allerdings auch noch einmal: Naturschutz muß so gestaltet werden, daß er die Menschen überzeugt. An dieser Überzeugungsarbeit allerdings müssen wir noch erheblich mitarbeiten.
Herzlichen Dank.