Rede von
Dr.
Gero
Pfennig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Wieczorek-Zeul, ich weiß nicht, ob Sie die Forderung nach neuen Leuten an sich selbst gerichtet haben. Was Sie hier vorgetragen haben, ist in manchen Dingen wieder so gewesen, wie wir es aus der Ausschußarbeit kennen: sehr blumig, aber wenn man genauer nachfragt, stellt man fest, nichts dahinter.
Wir, die CDU/CSU-Fraktion, haben zusammen mit der F.D.P.-Fraktion für die Tagung des Europäischen Rates einen Antrag eingebracht, der präzisiert, was wir von der Bundesregierung erwarten. Wir unterstützen das, was die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung heute deutlich gemacht hat. Ich möchte die Gründe für unsere Unterstützung anhand von vier Punkten erläutern.
Erstens. Für die Heranführung der assoziierten Reformstaaten Mittel- und Osteuropas an die Union soll ein Zeitplan festgelegt werden. Dies ist notwendig, damit die Erweiterung der Union nicht in technischen Fragen steckenbleibt. Ich erinnere an die Aufnahmeverhandlungen mit Spanien im vergangenen Jahrzehnt, wo das Vorbringen immer neuer technischer Fragen den Beitritt ständig verzögert hat. Derartiges soll sich nicht wiederholen. Wir sind deshalb
Dr. Gero Pfennig
dafür, daß die Kommission der Europäischen Union ein Ablaufszenario für Beitrittsverhandlungen vorlegt. Diese sollen spätestens sechs Monate nach Abschluß der Folgekonferenz zu Maastricht beginnen und zu einer Aufnahme erster Staaten um das Jahr 2000 führen.
Zweitens. Wir unterstützen auch das Vorhaben der Bundesregierung, daß in Madrid zur Neuordnung der Finanzen der Europäischen Union erste Beschlüsse gefaßt werden sollen. Das, was Herr Ministerpräsident Stoiber hier heute vorgetragen hat, haben wir im Deutschen Bundestag schon häufig vorgetragen. Um die Kernsätze noch einmal zu nennen: Wir halten es für erforderlich, daß unmittelbar nach der Folgekonferenz mit der Erarbeitung einer grundlegenden Reform des EU-Finanzsystems begonnen wird, damit die Reform vor 1999 steht und nach 1999 in Kraft treten kann. Dazu gehört ein faires System für die Aufbringung der Finanzen, und die Einnahmen und Ausgaben sind rechtzeitig vorher den dann bestehenden Aufgaben anzupassen.
Frau Wieczorek-Zeul, was Sie hier beispielsweise zu den Finanzen und dem Beitritt vorgetragen haben, ist doch wieder nur eine Scheinformel gewesen.
Wo sonst soll denn die EU Polen Hilfe leisten, wenn nicht bei der Agrarumstrukturierung? Da werden natürlich Kosten im Agrarbereich anfallen. Wenn man aber vorher die Agrarausgaben auf die Hälfte zurückschneidet, wie Sie es machen wollen, dann hat man überhaupt kein Geld mehr, um die Beitrittskandidaten zu unterstützen.
Drittens. Die CDU/CSU-Fraktion sieht es als notwendig an, daß in Madrid eine Zeiteinteilung für den Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion festgelegt wird. Darüber hinaus halten wir es für wünschenswert, daß die vom Bundesfinanzminister Waigel angekündigten Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von Stabilität nach Beginn der dritten Stufe in Madrid beschlossen werden. Wir gehen davon aus, daß die Währungsunion zum 1. Januar 1999 vertragsgemäß verwirklicht wird; darin sind sich CDU, CSU und F.D.P. übrigens einig. Das bedeutet für uns, daß die Stabilitätskriterien einzuhalten und auch keine neuen hinzuzufügen sind.
Wir begrüßen, daß die SPD inzwischen klargestellt hat, wie aus dem Ausschußbericht auf Seite 35 ersichtlich ist, daß die Anerkennung des Sozialprotokolls für sie nicht ein zusätzliches formelles Kriterium für die Teilnahme an der dritten Stufe der Währungsunion ist. Ich sage allerdings: Das läßt der SPD nach wie vor die Möglichkeit offen, diese Forderung wie auch noch weitere Forderungen dann als sogenannte materielle Kriterien wieder neu aufzutürmen. Wir werden sehen, was da passiert.
Viertens. Für die 1996 beginnende Folgekonferenz erhofft sich die Bundesregierung neben der Festlegung des Zeitplans für die Erweiterung Durchbrüche bei der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Rechts- und Innenpolitik, Fortschritte bei bestehenden gemeinschaftlichen Politikbereichen wie zum Beispiel der Umweltpolitik, die Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments und die Verbesserung der Entscheidungsfähigkeit durch Neuordnung des institutionellen Gefüges. Alles zusammen soll mehr Transparenz, Bürgernähe und eine Kultur der Rechtsvereinfachung bringen.
Die Erwartungen der CDU/CSU sind in dem Antrag wiedergegeben. Wir befinden uns dabei in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Europäischen Volkspartei in Madrid vom 7. November 1995.
Wir wissen, daß die Folgekonferenz ein bedeutender, aber eben auch nur ein Schritt im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses bis zum Ende dieses Jahrhunderts sein wird. Im Vertrag von Maastricht ist bereits vorgesehen worden, diese Konferenz zu einem begrenzten Thema einzuberufen. Ihre Aufgabenstellung ist inzwischen erweitert worden.
Wenn ich den Bericht der Reflexionsgruppe vom 5. Dezember betrachte, dann zeigt sich, daß hinsichtlich der Ziele und Inhalte noch erhebliche Differenzen bestehen.
In diesem Zusammenhang begrüße ich übrigens ausdrücklich, daß die Bundesregierung dafür eintritt, daß an den zukünftigen Beratungen für die Folgekonferenz weiterhin zwei Abgeordnete des Europäischen Parlaments teilnehmen sollen. Dies nämlich wird dazu führen, daß die Aspekte der Europäischen Union weiterhin im Vordergrund stehen.
Differenzen hinsichtlich der Ziele und Inhalte bestehen aber nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten, sondern auch zwischen den politischen Richtungen. Wir, die CDU/CSU, verstehen diese Konferenz wie unsere Schwesterparteien in der Europäischen Volkspartei als Weichenstellung in der Europäischen Union für Frieden, Freiheit und Wohlstand für die Bürger im geeinten Europa des 21. Jahrhunderts.
Für uns gehört dazu, daß die Europäische Union nicht nur wirtschafts- und währungspolitisch eine Einheit bildet, sondern auch in der Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs-, Justiz- und Innenpolitik; dies ist hier schon gesagt worden. Um als Einheit akzeptiert zu werden, braucht die Union Handlungsfähigkeit, demokratische - das heißt parlamentarische - Verantwortung auf der Ebene der Union und in den Mitgliedstaaten sowie Transparenz und Bürgernähe.
Bei der Beratung der verschiedenen Anträge im Ausschuß ist deutlich geworden, daß die Fraktionen zwar bei letzterem in vielen Punkten im Grundsatz übereinstimmen, bei den Bereichen der politischen Einheit aber erhebliche Differenzen bestehen. Dazu möchte ich einige Anmerkungen machen.
CDU und CSU treten dafür ein, daß im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik die im Maastrichter Vertrag vorgesehene Entwicklung fortgesetzt wird: Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik soll auch Verteidigungspolitik und Verteidigung umfassen. Dazu ist die WEU mittelfristig in die EU als europäischer Pfeiler der NATO in der transatlantischen Partnerschaft zu integrieren. Dem
Dr. Gero Pfennig
stimmen die Oppositionsfraktionen hier nicht zu; das haben sie ausdrücklich gesagt.
Es ist schon erstaunlich, zu sehen, in welchen Gegensatz sich die SPD damit zum Beispiel zu den von der französischen Europa-Abgeordneten Guigou im Europaausschuß des Bundestages geäußerten Auffassungen bringt, die immerhin für die sozialistische Fraktion des Europäischen Parlaments Mitglied der Reflexionsgruppe ist. Noch erstaunlicher ist, wenn ausgerechnet die sozialdemokratische Seite so großen Wert darauf legt, daß ausschließlich die NATO über militärische Strukturen verfügen sollte, deren Auflösung man doch noch wenige Jahre zuvor gefordert hat.
Diese Art Fundamentalismus in SPD-Forderungen hat sich auch bei den Beratungen über die Grundsätze einer gemeinschaftlichen Innen- und Justizpolitik gezeigt. Zwar ergaben auch hier die Ausschußberatungen in einigen Grundsätzen Gemeinsamkeiten - so zum Beispiel darin, daß die gegenseitige Rechts- und Amtshilfe der Behörden und Gerichte Gemeinschaftsprinzip werden soll und Asyl- sowie Zuwanderungsrecht durch Gemeinschaftsrecht geregelt werden sollten. Jedoch wollten SPD und Bündnis 90/Die Grünen in diesen Politikbereichen eine Vergemeinschaftung nur zulassen, wenn die konkrete Gesetzgebung der Europäischen Union den Bedingungen der SPD oder der Grünen folgt.
Auf diese Weise kommt man natürlich nie zu einer Vergemeinschaftung.
Zum Beispiel kann ein Land wie Frankreich mit seiner langen Asyltradition über die Forderung der SPD nach Vergemeinschaftung der Asylpolitik ausschließlich nach Bedingungen der SPD nur lachen.
Die CDU/CSU-Fraktion nimmt den Hinweis des Bundeskanzlers zur Kenntnis, daß bei Verweigerung einzelner Mitgliedstaaten Fortschritte bei einer gemeinsamen Innen- und Justizpolitik notfalls im Wege von Vertragsabkommen zwischen den übrigen Mitgliedstaaten, ähnlich dem Schengener Protokoll, erreicht werden sollen. Für diesen Fall gehen wir davon aus, daß derartige Abkommen mit einer Zeitklausel versehen werden, das heißt, daß nach einem bestimmten Zeitablauf die Materie in kommunitäre Strukturen überführt wird und es nicht nur zu Opting-out-Klauseln kommt, wie zum Beispiel beim Sozialprotokoll, dem Großbritannien auch unter einer Regierung Tony Blair wohl nicht ohne weiteres beitreten würde. Deshalb wird es so schnell auch nicht zu einer Sozialunion aller Mitgliedstaaten kommen, wie von der SPD beklagt wurde.
In diesem Zusammenhang, Frau Wieczorek-Zeul, noch ein Satz zu den Frauenprogrammen. Ich wiederhole das, was Ihnen die Kollegin Limbach schon in der vorigen Woche gesagt hat:
Sie können es nicht ertragen, daß Sie einem EU-Programm zustimmen wollen, das es nicht mehr gibt. Und einem Programm, das es gibt, wollen Sie nicht zustimmen. Das ist das einzige, was Sie bewegt.
Meine Kolleginnen und Kollegen, namens der CDU/CSU-Fraktion bitte ich Sie, nachher unserem mit der F.D.P.-Fraktion gemeinsam eingebrachten Antrag entsprechend den Empfehlungen des Europaausschusses zuzustimmen.