Rede von
Prof. Dr.
Helmut
Haussmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich weiß, daß Europa bei der Bevölkerung nicht gerade Begeisterungsstürme hervorruft. Ich glaube, daß dies auch damit zu tun hat, daß wir es noch nicht geschafft haben, die dramatischen Veränderungen in der Weltwirtschaft durch Globalisierung und durch die informationstechnische Revolution zu begreifen; denn auf das Phänomen der internationalen Massenarbeitslosigkeit gibt es nur eine Antwort: größere Märkte, einheitliche Währung. Das ist auch die Antwort für die Beschäftigungspolitik und nicht umgekehrt der Rückfall in kleine nationalstaatliche Programme, sondern der größere Währungsraum, der größere Wirtschaftsraum, mehr europäische Wettbewerbsfähigkeit und nicht Kleinstaaterei à la Schröder, à la Spöri, meine Damen und Herren.
Es ist ein absoluter Skandal - ich muß das wirklich sagen -, wie ein international gültiger Vertrag, ratifiziert in elf Mitgliedsländern, in vielen Landtagen diskutiert wird. Es ist ein großer Schaden für die Bundesrepublik.
In vielen Landtagen wird von Sozialdemokraten so getan, als könne man morgen den Vertrag einfach wegwerfen. 1999 ist tot, sagt der Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg. Frau Schmidt sagt, ich will die Währungsunion, aber nicht jetzt. Meine Damen und Herren, das ist vertragswidrig. Wenn Sie das ändern wollen, müssen Sie den Vertrag ändern, und zwar mit Zweidrittelmehrheit.
- Entschuldigung. Dann müssen Sie den Vertrag ändern, und Sie müssen hier beantworten, ob Sie vertragstreu sind oder ob sie nicht vertragstreu sind, meine Damen und Herren.
Was die Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene angeht, so können wir die Diskussion über das Delors-Programm führen. Delors hat auch uns für die nationale Beschäftigungspolitik wichtige Vorgaben gegeben.
Erster Punkt. Im Delors-Bericht ist klar herausgearbeitet, daß Europa im Vergleich zu Asien und Amerika Arbeitsplätze verloren hat, weil die Produktivität in Europa zurückgegangen ist und die Produktivitätsfortschritte in Asien und Amerika zugenommen haben. Darauf gibt es nur eine Antwort: die europäische Wirtschafts- und Währungsunion, nicht neue nationale Programme, die die Verschuldung wieder hochtreiben.
Zweiter Punkt. Im Delors-Bericht ist klar, daß im Vergleich zu Amerika und Asien die noch nationalen Arbeitsmärkte zu starr sind, zu wenig flexibel sind, meine Damen und Herren. Das ist unser Thema; vom Ladenschluß über andere Themen. Es ist ja jämmerlich, wie Sie hier ein solches Symbolthema behandeln. Es war bezeichnend, daß der große reformerische Durchbruch bei den Grünen damit geendet hat, daß der Ladenschluß so bleiben soll. Das ist ein äußerst „frauenfreundliches" Programm der Grünen. Das muß ich einmal in Ihre Richtung sagen.
Dritter Punkt. Im Delors-Bericht für mehr Beschäftigung in Europa ist die Senkung der Lohnzusatzkosten ein Thema. Was vertreten wir denn hier, Herr Gerhardt und Herr Solms? Wir wollen die Lohnzusatzkosten senken, um in Deutschland und Europa
Dr. Helmut Haussmann
mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Wer ist dagegen? Rot-Grün, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit.
Insofern sage ich hier im Umkehrschluß zu Herrn Wieczorek, dem verehrten Vorsitzenden: Zu mehr Beschäftigung gehören sanierte Haushalte. Selbst wenn es den Vertrag von Maastricht nicht geben würde, müßten Länder wie Frankreich und Italien aus nationalen Beschäftigungsgründen ihre Haushalte endlich in Ordnung bringen. Führen Sie jetzt nicht eine antieuropäische Diskussion, indem Sie im Grunde nationale Notwendigkeiten mit dem EuropaArgument kaputtmachen. Was ich sagen will, ist, daß in der Wirtschaft bei Globalisierung auch die nationalen Möglichkeiten abnehmen. Politisch wichtig ist, daß die Globalisierung der Wirtschaft die politischen Möglichkeiten des Nationalstaates einschränkt und daß es deshalb demokratietheoretisch geboten ist, die Legitimation für Europa zu erhöhen, weil wir sonst mehr multinationale Unternehmen bekommen und immer weniger demokratische nationalstaatliche Möglichkeiten, eine globalisierte Wirtschaft demokratisch zu kontrollieren.
Deshalb ist es auch so wichtig, daß das Europäische Parlament in mehr Verantwortung hineinwächst, daß wir im Deutschen Bundestag und im Europaausschuß mehr Verantwortung zur Legitimation europäischer Entscheidungsprozesse übernehmen, daß wir endlich, wie Herr Kinkel sagt, mehr Mehrheitsentscheidungen im außenpolitischen Bereich schaffen und daß endlich bei der Verbrechensbekämpfung die Innen- und Rechtspolitik zunimmt, sonst wird Europa nicht begriffen.
Ein weiteres Ziel sehe ich in der Erweiterung. Die F.D.P. hat die Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa immer auch als Chance gesehen, altmodische westeuropäische Entscheidungsprozesse und Subventionspraktiken zu reformieren.
- Die Osterweiterung, verehrter Kollege Glos, ist nicht nur ein Mittel des Almosens für frühere kommunistische Staaten, sondern sie ist die große Chance, junge Demokratien in Osteuropa zu belohnen und zu festigen
und in Westeuropa alte Strukturen wieder in Ordnung zu bringen,
das heißt, die zu teure und zu langsame Wirtschaft zu verjüngen, die Produktivität zu steigern, mit Ingenieuren aus der Tschechischen Republik. Meine Damen und Herren, es ist doch besser, wenn westeuropäische Unternehmen Arbeitsplätze auslagern in die Tschechische Republik oder nach Polen, als wenn sie überhaupt Europa verlassen und letztlich nur
noch in Amerika oder in Asien Arbeitsplätze schaffen. Hier muß mehr paneuropäisches Denken einkehren. Insofern sind wir für eine mutige Osterweiterung, und ich halte es für wichtig, daß Bundeskanzler und Außenminister ganz klar gemacht haben, daß sechs Monate nach Abschluß von Maastricht II die Beitrittsverhandlungen beginnen und daß wir das mutige Ziel haben, wenn möglich noch bis zum Jahr 2000 erste Kandidaten aufzunehmen.
Es ist interessant, daß man sich bei den Sozialdemokraten im Ausschußbericht auf eine zeitliche Fixierung nicht eingelassen hat. Es wird vorgeschoben, es müsse noch das eine oder andere reformiert werden, aber sie haben sich zu diesem Zeitplan nicht klar geäußert.
Meine Damen und Herren, ich sage gern etwas zur Wirtschafts- und Währungsunion, das ist ja mein Lieblingsthema. Ich kann mich kurzfassen. Wir sind für die Einhaltung der Konvergenzkriterien, aber auch für das Datum. Es ist doch interessant und spricht von dem großen europapolitischen Mut unserer französischen Partner, daß der französische Außenminister in einem Interview in dieser Woche klar gesagt hat, und zwar trotz der riesigen Probleme in Frankreich: Vorrangiges Ziel der französischen Politik ist die Einhaltung des Zeitplans.
Welch ein Kleinmut bei deutschen Sozialdemokraten, während Frankreich mit seinen Problemen dies einhält!
Es ist schon schlimm, daß ein Wirtschaftsminister aus Baden-Württemberg, wo immerhin führende mittelständische Unternehmen und wo Mercedes, Bosch und Porsche tätig sind, nicht einmal begreift, welch großen Vorteil es für baden-württembergische Arbeitsplätze bedeutet, wenn im Jahr 1999 70 Prozent baden-württembergischer Umsätze in einer einheitlichen Währung abgewickelt werden können. Er spricht vom „Alptraum der Währungsunion". Er sagt: 1999 ist tot. Das zeigt auch, daß die große Koalition dort tot ist und daß es auch in Baden-Württemberg notwendig ist, mit liberalem Mut europolitische Ziele durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, zum Stabilitätspakt sage ich nur soviel: Er findet die Zustimmung der F.D.P., erst recht dann, wenn er auch im Finanz- und im Europaausschuß beraten ist. Das werden wir tun, und deshalb behalten wir uns das vor.
Zum letzten Punkt. In dieser Debatte sollten wir Westeuropäer nicht nur an Westeuropa denken. Außerhalb Europas gibt es ein riesiges Interesse an diesem bisher einmaligen übernationalen Organisationsmodell. Es herrscht auch Interesse - das möchte ich am Schluß sagen - an einer zweiten Leitwährung neben dem Dollar. Wer sich normalerweise so für entwicklungspolitische Anliegen einsetzt wie Rot-Grün, der sollte zumindest einmal darüber nachdenken, ob es nicht Sinn macht, neben dem Dollar, der ja keine echte Leitwährung in dem Sinne mehr ist, weil sie aus innen- und handelspolitischen Gründen nicht
Dr. Helmut Haussmann
mehr verteidigt wird, auch im Interesse armer Entwicklungsländer eine zweite, stabile europäische Leitwährung einzuführen, die gerade auch Entwicklungsländern große Vorteile bringt.
Insofern wird die F.D.P. die Europapolitik nicht nur unterstützen. Sie wird sie mittragen. Sie wird sich mit all denen anlegen, die durch Kleinmut oder durch Spaltung dieses Ziel nicht mitvertreten.
Vielen Dank.