Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Verkehrshaushalt reiht sich ein in eine jahrelange Tradition der Bevorzugung der Straße gegenüber der Schiene. Schon im Entwurf wurde die Schiene mit Einsparungen von 2,2 Milliarden DM gegenüber der ursprünglichen Finanzplanung belastet, die Straße dagegen nur mit 500 Millionen DM Einsparungen. Für die 2,2 Milliarden DM weniger im Schienenbau wurde eine recht windige Deckung über den Verkauf nicht bahnnotwendiger Grundstücke geboten. Dieser Grundstücksverkauf hat im vergangenen Jahr ganze 105 Millionen DM eingebracht.
Die Drohung aber, im Straßenbau bei einem Gesamtvolumen von 10 Milliarden DM 500 Millionen DM, also etwa 5 Prozent einzusparen, hat die Haushälter der Unionsfraktion allesamt auf Trab gebracht. Die vereinte Suche hat dann in der Bereinigungssitzung immerhin noch 400 Millionen DM zusätzliche Ausgaben für den Straßenbau gebracht. Somit gibt es da nur eine Kürzung um 100 Millionen DM, also eine Kürzung von 1 Prozent gegenüber 20 Prozent bei der Schiene. So sehen die Vergleichszahlen aus.
Nach der Bereinigungssitzung kündigte Herr Wissmann dann an, daß für den Schienenbau weitere 800 Millionen DM zur Verfügung stünden. Eine bin-
Kristin Heyne
dende Beschlußvorlage gibt es darüber aber nicht. Selbst wenn dieses Geld zur Verfügung steht, bleibt immer noch eine Lücke von 1,5 Milliarden DM, verglichen mit 100 Millionen DM bei der Straße.
Trotz mehrfachen Nachfragens haben wir als Berichterstatter für den Einzelplan Verkehr wie auch als Haushaltsausschuß keinerlei Auskunft darüber bekommen, welche Pläne aus dem Dreijahresplan Schiene denn jetzt verändert werden, was zurückgestellt wird und welche Strecken noch gebaut werden. Wir wissen aber, daß diese Planungen intern sehr wohl bestehen und daß vor allem im Bereich des Güterverkehrs so starke Einschnitte vorgesehen sind, daß eine wirkliche Konkurrenz der Schiene mit der Straße nicht mehr stattfinden wird. Ein ernsthaftes Bemühen dieser Bundesregierung, den Umweltbedürfnissen entsprechend den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen, können wir nicht mehr feststellen.
Nachdem wir jetzt in den Haushaltsplanberatungen gemerkt haben, daß der Straßenbautitel absolut sakrosankt ist, befürchten wir eine weitere Einschränkung des Schienenbaus mit dem Baubeginn des Transrapid. Dieses finanzpolitisch absolut abenteuerliche Projekt wird zu einem erheblichen Anteil aus dem Einzelplan 12 zu zahlen sein. Den Straßenbau werden Sie dafür mit Sicherheit nicht ankratzen.
Entgegen Ihrer Vorlage, die sich gerade in der Beratung befindet, gibt es keinen Bedarf für eine
Transrapidstrecke zwischen Hamburg und Berlin. Eine ICE-Strecke über Uelzen ist als Verbindung möglich, und, Herr Waigel - ich glaube, er hätte jetzt lieber hierbleiben sollen; denn dies ist für ihn auch eine wichtige Information; es ist schade, daß er jetzt weg ist - sie würde nur einen Bruchteil der Kosten verursachen, wäre kompatibel und brauchte nicht mehr Zeit.
Sie wollen die Strecke Hamburg-Berlin gerne als Referenzstrecke für den Transrapid; das wurde ja auch offen so gesagt. Nur, die erhofften Exportchancen lassen sich durch nichts belegen. Im Gegenteil, die Erfahrungen mit dem Export des ICE deuten darauf hin, daß eine so teure Technologie mit derart hohem Investitionsaufwand, der sich daraus ergibt, daß der Motor in der Schiene enthalten ist, im Moment nicht mehr zu verkaufen ist und auch in Zukunft nicht zu verkaufen sein wird.
Das Transrapid-Abenteuer wird den Haushalt in bisher unkalkulierbarer Höhe belasten. Er wird für die Anwohner eine unnötige Verschandelung ihrer Umgebung sein. Er wird wertvolle Landschaft zerstören und außerhalb der Stadt eine erhebliche Lärmbelästigung darstellen.
Ich fordere Sie dringend auf: Trennen Sie sich von dieser Schnapsidee! Noch hält sich der Schaden in
Grenzen. Sie haben schon in diesem und im kom- menden Jahr erhebliche Schwierigkeiten, den Haushalt zu finanzieren. Der Transrapid wird mit Sicherheit eine erhebliche und unsinnige Belastung für die zukünftigen Haushalte sein. Ziehen Sie die Notbremse und steigen Sie aus diesem Projekt aus, das absehbar in die Pleite rast!
Zweifel an der finanzpolitischen Verantwortbarkeit dieses Einzelplans ist auch an einer anderen Stelle anzumelden. Weitere 4 Milliarden DM sind im Haushaltsplan 1996 für den Straßenratenkauf, die sogenannte Privatfinanzierung von Straßen, vorgesehen. Der Rechnungshof hat sich jetzt noch einmal intensiv damit auseinandergesetzt und ist zu dem Schluß gekommen, daß Ihr Modell eindeutig höhere Kosten erzeugt. Die Grundannahme Ihrer Vergleichsberechnungen, Herr Wissmann, besagt, daß der Straßenbau aus Haushaltsmitteln ausschließlich durch aufgenommene Gelder finanziert wird, daß aber die Ratenzahlungen für die privat finanzierten Straßen dann aus laufenden Mitteln beglichen werden. Das ist nicht haltbar, aber nur mit dieser Grundannahme können Sie Ihre Vergleichsrechnungen schönrechnen.
Aber es gibt noch weitere interessante Aspekte. Der Rechnungshof stellt weiterhin fest, daß zukünftige Haushalte nicht nur durch die Abzahlung der Investitionskosten für die jetzt geplanten Baumaßnahmen eingeengt werden, sondern zusätzlich auch die Finanzierungskosten aus dem Einzelplan zu tragen sein werden. Damit wird sich der Handlungsspielraum für künftige Planungen noch weiter verengen.
Das Modell der Privatfinanzierung verletzt darüber hinaus den Anspruch auf Haushaltsklarheit, weil hier Investitionskosten und Finanzierungskosten vermischt werden. Die Verpflichtungsermächtigungen für die private Vorfinanzierung von Straßen sind unter 8er Titeln, also unter Investitionstiteln, eingestellt. Nur bei diesen Titeln haben Sie die Möglichkeit, Kosten über Kredite zu finanzieren. Das heißt, Sie könnten die Ratenzahlungen über Kredite abwickeln. Das Grundgesetz sagt aber in Art. 115, daß Kredite nur für Investitionsausgaben zulässig sind. Sie eröffnen sich hier also eine Hintertür für eine weitere Verschuldung, die grundgesetzwidrig ist.
Es ist sehr bedauerlich, daß sich auch die SPD in dieses Agieren in der Grauzone des Haushaltsrechtes hat einbinden lassen. Dafür, daß sie sich hat einbinden lassen, hat sie die Zusage für einige Straßenbauten bekommen, die von ihr sehr gewünscht waren. Im Bereich des Straßenbaus sind die Begehrlichkeiten bekanntlich ziemlich hoch, und dafür werden dann die Ansprüche an Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit auch einmal nach hinten geschoben.
Kristin Heyne
Wer nun den ersten Schritt mitgemacht hat, kann natürlich beim zweiten Schritt schwerlich noch einmal laut aufschreien. Denn noch dreister ist der jetzt vorliegende Plan zur Privatfinanzierung der ICE-Strecke München-Nürnberg über Ingolstadt. Die Kosten für diese Strecke erscheinen nicht einmal mehr im Einzelplan 12, sondern nur noch in § 28 des Haushaltsgesetzes. Ich bedauere noch einmal, daß der Finanzminister nicht hier ist und sich dies mit anhört; denn ich glaube, daß in diesem Punkt das Haushaltsgesetz nicht tragbar ist.
- Gut, dann ist es ja die richtige Adresse. - Ich akzeptiere den Ersatz.
Diese ICE-Strecke taucht im Einzelplan nicht mehr auf. Sie ist somit auch bei der Beratung des Einzelplans Verkehr überhaupt nicht diskutiert worden, sondern sie ist still und leise in der Bereinigungssitzung im trauten Kreis der Koalition durchgewunken worden. Einer Sachdebatte hätte diese Strecke in keiner Weise standhalten können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ein eigens im Auftrag der DB AG, also der Bundesbahn, erstelltes Gutachten - also nicht irgendein Gutachten - belegt, daß der Zeitvorteil der Streckenführung über Ingolstadt, realistisch berechnet, auf 20 Sekunden gesunken ist. Frühere Untersuchungen haben einmal glauben gemacht, daß es eine Differenz von 20 Minuten gebe. Aber sie ließen unberücksichtigt, daß auf der Strecke über Ingolstadt nur auf 55 Kilometern volle Geschwindigkeit gefahren werden kann, auf der Strecke über Augsburg dagegen auf 123 Kilometern. So berechnete sich dieser höhere Zeitvorteil.
Diese 20 Sekunden Zeitvorteil sollen mit sage und schreibe 2 Milliarden DM bezahlt werden. 2 Milliarden DM - das ist die Hälfte des diesjährigen Etats für den Schienenbau überhaupt. Sie reichen aber nicht für diese Strecke. Sie reichen nur für die 20 Sekunden. Die gesamte Strecke wird nach dem Dreijahresplan Schiene 4 Milliarden DM kosten. Das entspricht dem gesamten Etat für den Schienenbau in diesem Jahr, wenn man die Nachholinvestitionen in den neuen Bundesländern nicht berücksichtigt; ich glaube, das ist berechtigt.
§ 28 des Haushaltsgesetzes ist zu entnehmen, daß bis zur Fertigstellung dieser Strecke der Preis mit den Finanzierungskosten auf 7 Milliarden DM steigt.
Diese 7 Milliarden DM sollen in 25 Jahresraten à 622 Millionen DM gezahlt werden. Das heißt, der Endpreis für diese eine Strecke wird 15 625 000 000
DM betragen.
Dieses Geld - ich glaube, das ist ein wichtiger Aspekt bei dem ganzen Thema - wird in Raten zwischen dem Jahre 2003 und dem Jahre 2028 zu zahlen sein, daß heißt
- meine Damen und Herren, wenn Sie mir noch einmal Ihr Ohr leihen -,
wir alle bis auf die Angehörigen der Pizza-Connection und die Gleichaltrigen werden es nicht mehr erleben, daß diese Strecke abbezahlt ist.
Ich fürchte, genau das ist der Grund dafür, daß eine so bodenlos unverantwortliche Entscheidung möglich war.
Herr Minister Wissmann, in den Nischen Ihres Haushaltsentwurfes verbergen Sie durch Grundstücksverkäufe, durch die Privatfinanzierung von Straßen und durch die Privatfinanzierung des ICE zusätzliche Ausgaben in Höhe von 20 Milliarden DM. 20 Milliarden DM haben hier in der letzten Sitzungswoche eine erhebliche Rolle gespielt. Diese 20 Milliarden DM sind gut versteckt. Darin sind Sie ein Meister. Ich halte das für völlig unverantwortlich. Deswegen wird meine Fraktion diesem Haushalt nicht zustimmen.