Nein, Herr Kiper. Das Gegenteil ist der Fall. Das Ziel aller Beteiligten - Sie haben sich an den Verhandlungen ja zum großen Teil nicht beteiligt, auch dort nicht, wo Sie die Gelegenheit gehabt hätten; dann ist es natürlich leichter, hinterher herumzulamentieren - ist, sehr rasch flächendeckend Universaldienstleistungen im Wettbewerb anzubieten.
Wir haben verschiedene Möglichkeiten diskutiert, was die Frage des Zeitraums und der Festlegung des Flächendeckungskriteriums angeht. Das ist eine sehr komplexe Geschichte. Dazu muß es sicherlich noch eine Anhörung des Ausschusses geben, um in der Kombination aus gesetzlicher Vorschrift und Lizenzauflage zu einer Lösung zu kommen, die praktikabel ist und optimal sicherstellt, daß dieses gemeinsame Ziel erreicht wird.
Daß wir keine exakten Zeiträume und Prozentzah- len angegeben haben, ist nicht der Ausdruck dafür,
daß wir das verschieben wollen, sondern zeigt, daß wir noch auf der Suche nach der exakten Formulierung sind, die dazu beiträgt, daß dieses Ziel möglichst rasch und effektiv erreicht wird. Das Gegenteil Ihrer Annahme ist also der Fall.
Wir haben von den zwei Hauptzielen der SPD mit diesem Konsensmodell nach unserer Überzeugung auch das zweite erreicht, nämlich industriepolitisch, daß sich die Deutsche Telekom AG zu einem der führenden Global Players auf dem Weltmarkt entwikkeln kann, weil sie nicht mit unangemessenen einseitigen Belastungen versehen wird. Es können sich aber neben der Telekom auch weitere marktstarke Wettbewerber etablieren, die hier in Deutschland in Infrastruktur investieren und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.
Wir haben das ursprünglich schiefe Wettbewerbsmodell, wie es noch im Frühjahr in den Eckpunkten des Bundespostministers zum Ausdruck kam, in zentralen Punkten geradegerückt. Wir haben es insbesondere geschafft, das Marktbeherrschungskriterium, das dort vielfach als Anknüpfungspunkt vorgesehen war, durch ein eher symmetrisches Modell zu ersetzen.
Das gilt sowohl für das Angebot des Universaldienstes, das nicht mehr zwangsweise einem Unternehmen auferlegt wird, sondern wo wir davon ausgehen, daß der Wettbewerb dies sicherstellen wird. Das gilt auch für die wichtige Frage der Zusammenschaltung
Hans Martin Bury
der Netze, die schon angesprochen worden ist, wo ebenfalls nicht nur ein Anbieter, sondern alle Betreiber zur Zusammenschaltung verpflichtet werden. Und das gilt genauso für den Verbraucherschutz, für das Widerspruchsrecht des Regulierers bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, das für alle gleichermaßen gelten soll. Da ist es besonders deutlich.
Ein Telefonkunde ist ja nicht weniger schützenswert, wenn er bei RWE Telliance oder bei Vebacom Kunde ist, als wenn er bei der Telekom Kunde ist. Deswegen ist es wichtig, durchgesetzt zu haben, daß die Kunden gleichermaßen gut geschützt werden.
In einem Punkt wird es befristet weiterhin eine Asymmetrie geben; das ist richtig. Das betrifft die Preisregulierung der Telekom. Ich bin in der Zwischenzeit der Überzeugung, daß es richtig und sachgerecht ist, diese Preisregulierung zum Zwecke der Marktöffnung befristet vorzusehen.
Zu dieser Erkenntnis hat nicht zuletzt die Telekom selber mit ihrem Verhalten in der jüngeren Vergangenheit kräftig beigetragen. Der Kollege Stadler hat das Thema Tarife von Online-Diensten bereits angesprochen, wobei man fairerweise ergänzen muß, daß die Tariferhöhung natürlich vom damals allein zuständigen Regulierer, dem Bundespostminister, genehmigt worden ist, allerdings schon 1994. Wir haben an diesem Beispiel alle miteinander gesehen, wie dynamisch sich die Märkte entwickeln, so daß wir nachsteuern müssen. Wir haben im Regulierungsrat - leider bei Enthaltung der CDU-Kollegen - beschlossen, daß die Tarife für die Nutzer von
Online-Diensten wieder sinken sollen, und die Telekom ist aufgefordert, jetzt endlich einen vernünftigen Vorschlag dafür auf den Tisch zu legen.
Wir haben auch den wesentlichen Fortschritt erreicht, Herr Kollege Kiper, daß die Universaldienstdefinition deutlich erweitert worden ist und daß wir jetzt eine moderne, eine dynamische und eine nachfragegerechte Definition für den Universaldienst haben, nicht mehr den analogen Telefondienst, den es schon seit mehr als hundert Jahren gibt, sondern den Sprachtelefondienst mit ISDN-Leistungsmerkmalen, der im übrigen, wie gesagt, weiterentwickelt werden soll.
Wir werden auf der Grundlage dieser Vereinbarung unserer Fraktion vorschlagen, den Gesetzentwurf gemeinsam einzubringen. Wir werden natürlich bei den weiteren Beratungen im Ausschuß sorgfältig darauf achten, daß unsere heutige Grundsatzvereinbarung im Verfahren sauber umgesetzt wird, sowohl ins Gesetz als auch in die Lizenzauflagen.
Deswegen, Herr Bötsch, halte ich es für entscheidend wichtig, daß Sie, wie angekündigt, hier Ihre Absicht wiederholen, alles zu tun, um die Musterlizenzen rechtzeitig vor Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens dem Bundestag und dem Bundesrat vorzulegen, weil wesentliche Fragen dort geklärt werden.
Wenn das gelingt, sollte es uns möglich sein, das Gesetz bis Mitte 1996 einvernehmlich zu verabschieden. Das ist auch für die Frage der alternativen Netze
wichtig. Wir machen damit den Weg in die Informati- onsgesellschaft frei.
Einen Stein müssen allerdings zunächst die Koalitionäre selbst aus dem Weg räumen; das betrifft die Frage der Regulierungsbehörde. Hier habe ich schlicht den Eindruck, daß zum Beispiel Herr Rexrodt oder auch der geschätzte Kollege Lambsdorff den Begriff der Telekommunikation oft sehr wörtlich nehmen, nach dem Motto: Je weiter man, was den Sachverstand angeht, von der Sache entfernt ist, um so besser läßt sich darüber reden.
Ich glaube, daß die F.D.P. einfach nicht begriffen hat, welche Funktion der Regulierer beim Übergang von der Monopol- zur Wettbewerbssituation wahrnehmen muß. Professor Witte hat mehrfach sehr eindrucksvoll ausgeführt, daß am wenigsten Bedarf an Regulierung in einer Monopolsituation besteht. Dieser ist ebenfalls relativ gering - das ist unsere Auffassung -, wenn man sich in einem funktionsfähigen Wettbewerb befindet. Aber beim Übergang vom Monopol zu einem funktionsfähigen Wettbewerb ist ein Schiedsrichter notwendig, der dafür sorgt, daß die dominanten Anbieter ihre marktbeherrschende Position nicht wettbewerbswidrig ausnutzen.
In Großbritannien etwa wird die OFTEL gerade von den neuen, kleinen Anbietern, die in den Markt wollen, als „champion of competition" bezeichnet, also als die Institution, die gewährleistet, daß neue Anbieter eine Chance haben, in den Markt zu gelangen.
Herr Stadler, Sie haben hier einen interessanten Punkt angesprochen. Sie haben sich auf einen ganz hervorragenden Vorschlag von Herrn Börnsen bezogen. Er beinhaltet, daß wir uns gemeinsam dafür einsetzen sollen, die rundfunkrechtlichen Fragen beim Bund, und zwar beim Regulierer, zu bündeln. Damit würden wir einem Modell folgen, das mit der FCC in
den USA vergleichbar ist.
Stellen Sie sich aber ernsthaft vor, die rundfunkrechtlichen Fragen beim Bundeskartellamt anzusiedeln? Oder sind Sie nicht auch der Meinung, daß wir als Regulierer, der für das Zusammenwachsen von Medien, von innovativen Diensten und Anwendungen der Telekommunikation die entscheidende Rolle des Marktöffners spielen muß, indem er sicherstellt, daß der Infrastrukturauftrag erfüllt wird und daß es einen fairen Wettbewerb gibt, eine regierungsunabhängige, starke, aber zugleich auch schlanke Regulierungsbehörde brauchen?
Ich hoffe, daß die F.D.P. da noch zu Erkenntnissen kommt, die ihrem Anspruch zur Ehre gereichen.
Der Kollege Kiper hat hier eine nette Show abgezogen, indem er erklärt hat, Börnsen und ich hätten uns unter Tische oder Regierungsbänke ziehen lassen. Ich kann Ihnen versichern: Beides war nicht der Fall. Wir haben vielmehr energisch dazu beigetragen, daß die anderen Partner die ganze Zeit über am Tisch geblieben sind. Mit diesen Verhandlungen haben wir meines Erachtens eine Menge erreicht. Der Pro-
Hans Martin Bury
test in der Bevölkerung, von dem Sie, Herr Kollege Kieper, geredet haben, ist bisher jedenfalls nicht zu sehen.
Wenn Sie sich die Kommentierungen und Reaktionen, die es gegeben hat, anschauen, sehen Sie, daß die Grünen wieder einmal die einzigen sind - da folgen Sie Ihrer schlechten Tradition -, die die Entwicklung in die Informationsgesellschaft bremsen und verzögern wollen.
Nach der letzten Haushaltsdebatte und Ihrem Beitrag dort dachte ich, das sei nicht mehr nach unten steigerungsfähig. Ich muß mich aber korrigieren: Ich habe selten jemanden in so kurzer Zeit soviel Blödsinn reden hören, wie Sie es vorhin getan haben.
Das wurde zum Beispiel deutlich, als Sie von dem Liberalisierungsvorbild USA schwadroniert haben. Ich weiß, daß Sie mehrfach dort waren; aber offensichtlich haben Sie nicht sonderlich viel an Erkenntnis mitgenommen. Dort gibt es noch lokale Monopole. Es bestehen große Schwierigkeiten beispielsweise für europäische Unternehmen, sich im Markt zu betätigen. Die USA sind nicht das Liberalisierungsvorbild.
Es gibt dort interessante Ansätze, zum Beispiel in Kalifornien. Es war sehr eindrucksvoll, wie Reed Hundt, der Chef der FCC, beim Münchner Kreis geschildert hat, daß für ihn mit der bewegendste Augenblick seiner Amtszeit der Moment gewesen
sei, als er gemeinsam mit Bill Clinton und Al Gore und 30 Vorstandsmitgliedern privater Unternehmen eine Initiative verkündet habe, nach der alle Schulen in Kalifornien in den nächsten Jahren kostenlos an das Netz angeschlossen und mit der notwendigen Hard- und Software ausgerüstet werden sollen. Das ist eine Initiative, die der Staat moderiert und initiiert hat, die aber nicht auf Grund gesetzlicher Bestimmungen oder Lizenzauflagen, sondern auf Grund von „private public partnership" zustande gekommen ist. Dies ist eine Sache, die wir auch hier fördern müssen. Wir müssen dies allerdings nicht ins Gesetz aufnehmen. Ich halte das für einen hochinteressanten Weg. Die Rahmenbedingungen, um dies auch bei uns möglich zu machen, haben wir mit unserer Vereinbarung geschaffen. Ich denke, daß sich damit private Markteinführungsstrategien von Unternehmen und deren gesellschaftliche Verantwortung nutzbringend für alle verbinden lassen.
Deswegen halte ich es für sinnvoll, daß wir weiter miteinander reden, verhandeln und dann auch handeln und nicht einfach herumlamentieren, wie es geschehen ist. Ich sehe in dem Erreichten einen erheblichen Fortschritt für Wirtschaft und Bevölkerung. Wir haben damit für potentielle Investoren Planungssicherheit erreicht und Perspektiven für die Beschäftigten, die in der langen Phase, in der nicht klar war, wie die Marktöffnung vollzogen werden sollte und welche Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden sollten, verunsichert waren. Ich plädiere ebenfalls dafür, diesen Weg konsequent weiterzugehen.
Herr Kiper, Sie sind eingeladen, im Zuge der Aus- schußberatungen an den noch zu definierenden Punkten Ihre Vorstellungen konstruktiv mit einzubringen. Ich hoffe, daß Sie das tun. Ich glaube, wir können miteinander eine Menge schaffen, wenn wir
den Weg weitergehen.
Ich danke Ihnen.