Rede von
Gerhard
Jüttemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gab Zeiten, da stellte die Post für den bundesdeut-
Gerhard Jüttemann
schen Staat eine wahre Goldgrube dar. 10 Prozent ihrer Einnahmen mußten jährlich an den Bund abgeliefert werden. In den achtziger Jahren waren das immerhin über 5 Milliarden DM pro Jahr.
Jetzt sind durch die unseriöse Finanzpolitik der Bundesregierung Haushaltslücken von rund 20 Milliarden DM entstanden. Da ist für Sie das Tafelsilber aus altem Familienbesitz ein wahrer Glücksfall - zum Verschleudern. Zum Beispiel die Postbank: Minister Waigel will 6 Milliarden dafür, Minister Bötsch nur die Hälfte. Diese Differenz beweist nur, wie unseriös das Ganze ist; inhaltlich ist sie fast belanglos.
Wenn ein Taxifahrer sein Auto verkauft, um seine Schulden zu begleichen, macht es kaum einen Unterschied, ob er nun 10 000 DM oder 20 000 DM dafür bekommt. Das Wesentliche ist, daß er sich der Grundlage beraubt, in Zukunft seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Genauso verantwortungslos handeln Sie.
Und noch etwas kommt hinzu: Sie verlieren in Ihrem Deregulierungs- und Totalausverkaufswahn nach und nach Ihren Einfluß auf die Wirtschaft und schließlich auch auf die Politik. Es war unter anderen Kurt Schumacher, der nach 1945 genau das Gegenteil gefordert hat, nämlich die Sozialisierung der Schlüsselindustrien. Er hat dafür nicht in erster Linie wirtschaftliche Erfordernisse geltend gemacht. Aber er hat die Notwendigkeit erkannt, jene Wirtschaftsgiganten, die in ihrem ungezügelten Macht- und Herrschaftsstreben schon für zwei Weltkriege in diesem Jahrhundert verantwortlich waren und sind, unter
Kontrolle zu bringen.
Diese Einsicht ist Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, mehrheitlich leider schon lange abhanden gekommen.
Aber zurück zur Post!
Nachdem Sie vor dem Beschluß zur Postreform II monatelang die Notwendigkeit der Trennung von Telekom, Post und Postbank mit deren Ausbau zu modernen, flächendeckenden und konkurrenzfähigen Unternehmen begründet haben, fällt Ihnen nach der Trennung nun urplötzlich ein, daß Post und Postbank nur im Verbund eine Chance haben können.
Wir haben Ihnen das schon vor der Postreform gesagt; Sie sollten hin und wieder auf uns hören. Aber das konnten Sie selbstverständlich nicht. Denn es geht ja nicht nur um den Verbund von Post und Postbank. Wie man jüngst erfahren konnte, geht es um nichts Geringeres als die Interessen der Deutschen Bank, die das vakante Tafelsilber allzu gerne in ihre goldenen Tresore schließen möchte.
Wenn es um Geld geht, sorgen Sie sich rührend um die Millionen- und Milliardeninteressen der Banken und Konzerne. Und nicht zu vergessen: vor allem auch um ihre eigenen.
Während Sie die Menschen der unteren Hälfte der sozialen Stufenleiter - und unter denen vor allem die ohnehin schon Ärmsten - auch mit diesem Haushalt noch ärmer machen, füllen Sie sich die eigenen Taschen mit 12 Millionen DM,
obwohl die von Ihnen geplante Diätenerhöhung politisch und moralisch gescheitert ist - nicht nur am Bundesrat, sondern eindeutig auch in der öffentlichen Meinung. Aber für die interessieren Sie sich ja schon seit langem nur noch an Wahltagen.
Wer sorgt sich noch um die Interessen der Millionen Menschen in diesem Land? In seinen Sonntagsreden vergißt kein Politiker, die ständig anwachsende Arbeitslosigkeit zu verurteilen. Aber dann wird von Montag bis Freitag Politik gemacht, in deren Ergebnis immer weitere Heerscharen von Beschäftigen auf die Straße gesetzt werden.
Das gilt auch für die Telekom - und jetzt komme ich zur Sache -:
Zunächst hieß es, das Personal müßte mittelfristig um 30 000 Menschen reduziert werden. Faktisch über Nacht hat sich diese Zahl dann verdoppelt. Aber natürlich alles sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen - so hieß es.
Inzwischen werden auch diese nicht mehr ausgeschlossen, wenn die Gewerkschaften
nicht völlig unannehmbare Gegenforderungen wie Verschlechterungen bei der betrieblichen Altersversorgung, bei den jährlichen Einkommensanpassungen oder bei denkbaren Arbeitszeitverkürzungen akzeptieren. Zu befürchten ist, daß es sowohl diese Verschlechterungen als auch die betriebsbedingten Kündigungen als Ergebnis Ihrer Politik geben wird.
Recht schönen Dank.