Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als bei der vergangenen Haushaltsberatung Herr Minister Bötsch das Wort ergriff, sagte er: Es ist bereits Mitternacht, und der Posthaushalt wird wieder im Dunkeln beraten. - Es ist heute wieder dunkel, aber es ist noch nicht Mitternacht. Ich hoffe für uns alle, daß unser Finanzminister Theo Waigel in dieser Dunkelheit nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ganz plötzlich die Postbank verkauft.
Die bisherigen Diskussionsbeiträge haben eindeutig bewiesen, meine Damen und Herren, daß Finanzminister Waigel ein Milliardenhaushaltsloch zu verantworten hat, das in der Geschichte dieses Bundeshaushalts seinesgleichen sucht. Ich denke, wir müssen hier erkennen, daß die Finanzen des Bundes nicht mehr in Ordnung sind.
Der Posthaushalt, meine Damen und Herren, stellt einen reinen Verwaltungshaushalt dar, der nur noch die Einnahmen und Ausgaben veranschlagt, die zur unmittelbaren Erledigung der gesetzlich festgeleg-
ten Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Post und Telekommunikation erforderlich sind. Im Gegensatz zu anderen Ressorts enthält er keine Investitionen, Zuwendungen oder Zuschüsse größeren Umfangs.
Insofern war die Beratungslage der Berichterstatter nicht sehr kompliziert, und ich denke, sie war auch sehr einvernehmlich.
Dennoch, Herr Minister, so sauber und solide das klingt, die Ansätze für Telefongebühren, Porto, Reisekostenvergütung - In- und Ausland - sind auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Personalstärken in anderen vergleichbaren Haushalten in dieser Höhe nicht vorhanden.
Die Mittel für Dokumentation, Forschung und Sachverständige konkurrieren mit dem Wissenschaftsinstitut für Kommunikationsdienste. Um hier doppelte Ausgaben zu vermeiden, ist es erforderlich, denke ich, daß eine sehr gute Koordinierung vorgenommen wird.
Herr Minister, von Ihnen stammt der Satz: „Die Post vor Ort ist für viele Menschen so wichtig wie die Kirche oder die Schule. " Ich kann das nur unterstützen. Und damit das so bleibt, fordere ich Sie eindringlich auf, die Erfüllung des Infrastrukturauftrages sicherzustellen. Mit der angestrebten Privatisierung der Postbank AG, deren Erlös auch zur Sanierung des Haushalts herhalten soll, schlägt Bundesfinanzminister Theo Waigel einen völlig neuen Weg ein.
Kolleginnen und Kollegen, hierzu gleich eine klare Feststellung. Die Veräußerung der Aktien der Deutschen Postbank AG ist nicht etatfähig, da der Bund
von 1995 bis 1999 jährlich 0,31 Milliarden DM zur Finanzierung der Unterstützungskassen aufzubringen hat und auch über 1999 hinaus diese Verpflichtung in einer noch nicht kalkulierten Größenordnung übernehmen muß.
Hinsichtlich des tatsächlichen Wertes der Postbank schwanken die Zahlen zwischen 4 und 6 Milliarden DM. Die Londoner Bank Investment Banking Schroders soll nun bis zum Januar 1996 ein entsprechendes Gutachten erstellen mit dem Ziel, bei der Privatisierung von Post und Postbank die Wettbewerbsfähigkeit der beiden Unternehmen zu fördern und die Zukunft von Post AG und Postbank AG sicherzustellen.
Ein weiteres entscheidendes Kriterium ist der vom Grundgesetz geforderte Infrastrukturauftrag, also die flächendeckende Präsenz. Leider ist diese renommierte Londoner Bank erst jetzt beauftragt worden,
nachdem von den Ministerien und den Unternehmen selbst schon die unterschiedlichsten Vorstellungen geäußert wurden und damit unter der Belegschaft und in der Öffentlichkeit erhebliche Unruhe entstanden ist.
Innerhalb der Koalition besteht keine Einigkeit über die Zielrichtung des Verkaufs.
- So ist das. - Die F.D.P. hat sich festgelegt, daß für sie ein „feindlicher Verkauf" an ein Konsortium unter Führung der Gelben Post nicht in Frage kommt. Die ach so liberale F.D.P. ist im Koalitionsstreit um die Privatisierungen als Löwe gestartet, aber in der Kabinettsdisziplin dann doch wieder als Bettvorleger gelandet.
Die Luftbuchung des Finanzministers und die damit verbundene überhastete und konzeptionslose Haltung der Bundesregierung haben also nur den einen Effekt - ich sage das ganz bewußt -: Sie schafft Unruhe unter den Belegschaften, spaltet die Postbediensteten und belastet die Zusammenarbeit der auf Kooperation angewiesenen Unternehmen Gelbe Post und Postbank.
Dies wurde deutlich, Herr Minister Bötsch, als in diesen Tagen eine Delegation der Postbank Ihrem Staatssekretär Herrn Dr. Laufs eine kritische Resolution zum gegenwärtigen Verhandlungspoker über-
Gerhard Rübenkönig
gab. Denn sie traf dort auf eine bestellte Gruppe von wütenden Gegendemonstranten der Gelben Post.
Die SPD verurteilt eine solche Interessenpolitik auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Das Personalproblem wird auch in Verbindung mit dem Erhalt der Filialen gesehen. Nach einem Papier der Gelben Post sollen 15 000 Postfilialen abgesichert werden, mit dem Ziel einer fünfstelligen Zahl eigenbetriebener Filialen, mindestens jedoch eines 50prozentigen Anteils am Gesamtnetz bis zum Ende des Jahrzehnts. Bei dieser Rechnung, die auf einem Anteil von 50 Prozent gründet, gibt es mittlerweile zwei Basiszahlen, die kleiner sind als 17 000: 15 000 nach diesem Papier, und Sie, Herr Bötsch, gehen von zirka 10 000 aus.
Ich glaube, im Interesse der Belegschaften der Post und der Postbank zu sprechen, wenn ich Sie, Herr Bötsch, jetzt auffordere, für Klarheit zu sorgen und die Arbeitsplätze an allen Schaltern abzusichern.
Aber auch die möglichen Interessen der Partner des geplanten Vertriebsverbundes von Post und Postbank stehen auf dem Prüfstand. Neben dem Branchenriesen im Kreditgewerbe, der Deutschen Bank, ist der vorgeschlagene Überraschungspartner aber die Schweizerische Rückversicherungsgesellschaft. Beide Partner könnten ihren erwarteten Anteil nur bis zu einer Börsenplazierung halten, um ihn dann, ganz oder in Stücken, weiterzuverkaufen. Abnehmer könnten Konsortialbanken, Großanleger,
aber auch andere Erstversicherer sein, die mit der Postbank ins Geschäft kommen wollen, oder die Gelbe Post selber, die damit ihren Anteil auf sichere 55 Prozent anheben könnte. Deutsche Bank und Schweizer Rück würden sich lediglich an der Differenz zwischen Erwerbs- und Verkaufspreis bei der Börseneinführung bereichern.
Die Kapitalbeteiligung, Herr Minister Bötsch, muß die Eigenständigkeiten beider Unternehmen sichern und neue Perspektiven durch einen institutionell abgesicherten Vertriebsverbund für die Beschäftigten eröffnen.
Deshalb fordert die SPD, daß die Kapitalbeteiligung deutlich oberhalb der Sperrminorität und unterhalb der Beherrschung liegen muß.
Die Postreform II war nach unserer Auffassung dringend notwendig, um die Unternehmen der Deutschen Bundespost für die zukünftigen Herausforderungen, Risiken und Chancen, die in einem zunehmend liberalisierten Post- und Telekommunikationsmarkt liegen, wettbewerbs- und somit konkurrenzfähig zu machen. Denn nur der Wettbewerb wird schließlich die nötigen Kräfte und Ressourcen entfalten helfen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu behaupten und zum globalen Mitspieler zu werden.
Wir werden gemeinsam die Bestandsaufnahme der Londoner Investmentbank Schroders sorgfältig prüfen, um dann zu entscheiden, welches der richtige
Weg ist. Mit unserer Entscheidung muß sichergestellt werden, daß die Schalterauslastung dauerhaft verbessert und damit die stationäre Versorgung der Bevölkerung mit flächendeckenden, angemessenen und ausreichenden Dienstleistungen im Bereich des Postwesens sichergestellt wird.
Außerdem versprechen wir uns davon, daß der Börsengang beider Unternehmen erleichtert wird.
Herr Bötsch, wir lehnen Ihren Haushalt hiermit ab. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.