Wertes Präsidium! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich wäre es gar nicht unfair, wenn ich aus den Reden des Sprechers der Opposition zum jeweiligen Haushalt des Bauministeriums der letzten Jahre zitierte. Es wäre gewiß eine lustvolle Geschichte, die aber wohl zum kollektiven Mißvergnügen der Opposition ausfallen würde.
Jahrelangem pflichtgemäßem Wehklagen über die angeblich so schlechte Baupolitik der Bundesregierung steht nämlich eine beispielhafte Entwicklung der Fakten in den Jahren von 1990 bis 1995 gegen-
über.
Ich möchte es noch deutlicher sagen: Zwei Bauminister haben in dieser Zeit Verantwortung getragen, nämlich Frau Schwaetzer und Herr Töpfer. Beide waren und sind ein Segen für dieses Land,
und zwar insbesondere für die Mieter.
Die Bauwirtschaft war die Konjunkturlokomotive schlechthin. Zehntausende von Arbeitsplätzen wurden geschaffen. Eine hocherwünschte neue Struktur von Betrieben im Bauhauptgewerbe und im Baunebengewerbe hat sich in den neuen Bundesländern etabliert. Tausende von Ausbildungsstellen haben jungen Menschen eine Perspektive gegeben.
In sechs Jahren wurden zwei Millionen Wohnungen gebaut.
Die Folge: Die Neuvermietungsmiete ging in den vergangenen zweieinhalb Jahren landesweit um zirka 20 Prozent zurück. Die Preise für den Kauf von Wohnungen und von Eigenheimen sind stabil geblieben oder gar gesunken.
Millionen Menschen haben zu vertretbaren Preisen eine Wohnung gefunden. Wir wissen nach den Zeiten wirklicher Wohnungsnot in den Ballungszentren Anfang der 90er Jahre, daß dies alles nicht selbstverständlich ist.
Die Wohnung ist ein ganz besonderes Gut. Sie ist für die eigene Lebensführung so unabdingbar wie Essen und Trinken. Weil uns das bewußt ist, konzentrieren wir uns voll und ganz auf die eine zentrale Aufgabe der Wohnungspolitik, nämlich dafür zu sorgen, daß unserer Bevölkerung qualitativ hochwertige Wohnungen in ausreichender Zahl preiswert zur Verfügung gestellt werden können.
Das ist unser Ziel und kein anderes.
Insgesamt läßt sich feststellen: Die auf Expansion, auf Stärkung der Kräfte des Marktes gerichtete Baupolitik der letzten Jahre hat einen großen Beitrag zur Bewahrung des sozialen Friedens in unserem Land leisten können.
Nach mehreren Gesetzen der letzten Legislaturperiode, die alle dem Ziel der Erleichterung des Wohnungsbaus dienten, wurden im letzten Jahr neue Akzente gesetzt.
Zunächst das Mietenüberleitungsgesetz: Es ging zwei wichtige Schritte nach vorn in Richtung Woh- nungsmarkt auch in den neuen Bundesländern. Zugleich wurde uns aber von der SPD ein Schritt zurück aufgezwungen, der auch aus heutiger Sicht keine Freude auslösen kann: Zwei unselige neue Kappungsgrenzen haben das Mietrecht nicht vereinfacht. Sie wirken sich nicht zugunsten der Mieter
und insbesondere nicht zur Verbesserung der Wohnungssituation in den neuen Bundesländern aus.
Das Gesetz war sicherlich im § 12 Abs. 1 schlecht formuliert, so daß jetzt der von mir schon damals mit Nachdruck vorhergesagte Reparaturbedarf eingetreten ist. Wir werden uns in wenigen Wochen der peinlichen Prozedur einer Gesetzesänderung unterziehen müssen, damit das, was wir gemeinsam politisch gewollt haben, auch beim einzelnen Bürger so ankommt und nicht durch eine entgegengesetzte Rechtsauslegung der Gerichte verändert wird.
Aber nicht die Richter sind hier zu kritisieren; denn Gesetze sollen einfach und verständlich sein. Dies gilt ganz besonders für Gesetze, die den engsten Lebensbereich der Menschen regeln, zum Beispiel also das Mietverhältnis.
Der Bundestag und insbesondere die Wohnungsbauminister der neuen Bundesländer hatten nicht den Mut, wenigstens die Mindereinnahmen, die durch die Verpflichtung zur Bedienung der Altschul-
Hildebrecht Braun
den für die großen Wohnungsgesellschaften entstanden, durch eine entsprechende Mietanhebung auszugleichen. Dies führte zu betrüblichen Einschnitten bei den Investitionsvorhaben der kommunalen Wohnungsgesellschaften und der Genossenschaften. Die Leidtragenden sind die Mieter und die Nutzungsberechtigten selbst.
Vor wenigen Wochen haben wir nun gemeinsam mit der SPD die Wohneigentumsförderung auf neue Füße gestellt. Es wird uns gelingen, mit dem neuen Fördermodell neue Schichten unseres Volkes für das Wohneigentum zu erschließen. Das ist gesellschaftspolitisch von großer Bedeutung und wird sich langfristig positiv auswirken. Die Vereinfachung der Förderung, die Verbesserung der Familienkomponente, die neugestaltete, sehr einfache Bürgschaftsregelung in den neuen Bundesländern und die Wiederbelebung des Bausparens sind ebenso Aktivposten wie die Förderung des Erwerbs von Genossenschaftsanteilen, sofern - aber auch nur dann - diese in Wohneigentum umgewandelt werden können.
Der Wohnungsmarkt ist ausgeglichen. Soweit Leerstände durch Neubau entstanden sind, halten sie sich in einem durchaus akzeptablen Rahmen. Jede dritte Wohnung in den neuen Bundesländern ist mittlerweile modernisiert. Die staatlichen Hilfen haben gegriffen.
Der Standort Deutschland-Ost hat auch von der Wohnungsseite her betrachtet enorm gewonnen.
So zufrieden wir die Entwicklung des Wohnungsbaus der letzten fünf Jahre betrachten können, so sorgenvoll müssen wir die Zukunft sehen: Die Herabsetzung des Abschreibungssatzes für den Mietwohnungsbau von 7 auf 5 Prozent ist aus der Sicht der F.D.P. viel zu stark ausgefallen.
Wir befürchten, daß diese Veränderung den Mietwohnungsbau einbrechen lassen wird. Die Zusagen für Hypothekendarlehen im frei finanzierten Wohnungsbau sind in den vergangenen neun Monaten um 20,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, im öffentlich geförderten Wohnungsbau um 8,9 Prozent. Bei Eigenheimen und Eigentumswohnungen verzeichnen wir gar einen Rückgang von 25,1 Prozent, während bei den alten, bis heute geltenden Abschreibungssätzen der Mietwohnungsneubau nur um 6,6 Prozent weniger Darlehenszusagen aufweist.
Die Bauindustrie teilt uns nun mit, daß die Auftragseingänge beim Wohnungsbau vom Januar bis August 1995 gegenüber dem Vorjahr um 16,6 Prozent zurückgegangen sind. Das gilt für Westdeutschland, während zu unserer großen Freude in den neuen Bundesländern noch ein Anstieg um 21,4 Prozent zu verzeichnen ist. Insgesamt werden wir in diesem
Jahr dennoch einen Rückgang im Bereich der Bauin- dustrie um 1 Prozent erleiden. Das ist eine neue Entwicklung, die uns natürlich stutzig machen muß.
Die Bauindustrie kritisiert auf diesem Hintergrund die finanz- und haushaltspolitischen Entscheidungen des Bundes als prozyklisch und investitionsfeindlich. Ganz falsch liegt sie damit nicht, da die Investitionskürzungen von insgesamt 5,3 Milliarden DM, die überwiegend für den Straßenbau beschlossen werden, die Abschwungtendenzen dramatisch verstärken werden.
Zirka 3 700 Konkurse in der Bauwirtschaft im Jahr 1995 sprechen eine deutliche Sprache. Die Alarmglocken werden immer deutlicher vernehmlich. Es ist unsere Aufgabe, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen, damit eine kontinuierliche Bauentwicklung gesichert wird, die nicht nur für Beschäftigung der am Bau Beteiligten sorgt, sondern die auch den Bau der benötigten Zahl von Wohnungen in der Zukunft sicherstellt. Ausreichender Wohnungsbau ist die Form des Mieterschutzes, die wir von der Koalition für vordringlich halten.
Vielen Dank.