Rede von
Dr.
Rolf
Niese
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesbauminister setzt die Folge der wohlklingenden Verlautbarungen in gewohnter Manier fort. Mißt man diese Folge der Ankündigungen aber an Umsetzungserfolgen, so erweist sie sich nahezu - und das muß ich als Mathematiker sagen - als Nullfolge.
Geändert hat sich an seiner Politik nichts. Noch immer folgen seinen hehren Worten kaum Taten. Noch immer fehlen zwischen 1,5 Millionen und 2 Millionen Wohnungen zu bezahlbaren Mieten. Und das ist das Entscheidende.
Herr Minister, es reicht nicht, dauernd mit großem öffentlichen Getöse Anläufe zu unternehmen, sie müssen endlich auch einmal springen.
Dr. Rolf Niese
Nun will ich dem Bundesbauminister nicht den Willen zum Springen absprechen, aber der Bundeskanzler, der Finanzminister, dann der kleine Koalitionspartner halten auf Grund der verfehlten Finanzpolitik den Stock immer höher und häufig genug auch zwischen die Beine. Aber eine Ausnahme hat es gegeben. Einmal sind Sie sogar völlig ohne Anlauf gesprungen. Der Absprung fand im Umweltministerium statt, aber die Landung unversehens im Bauministerium. Dabei hat Ihnen der Bundeskanzler kräftig den Schwung zum Sprung gegeben.
Die Politik der folgenlosen Verlautbarungen wurde auch bei den Ausschußberatungen über den Einzelplan 25 deutlich. Bewegung bei den Koalitionsfraktionen gab es selbst dann nicht, wenn zur Grundlage von Anträgen die Absichtserklärung der Bundesregierung aus dem vergangenen Jahr gemacht wurde. Meine Fraktion hat den Rahmen des Finanzplanes des Bundes, der jetzt noch gültig ist, nämlich von 1994 bis 1998 gilt, für die Anträge zur Städtebauförderung und zum sozialen Wohnungsbau genommen. Dementsprechend moderat fielen die jeweiligen Erhöhungsbeträge aus. Aber sämtliche Anträge wurden von den Regierungsfraktionen abgelehnt, obwohl diese Fraktion das zugrunde liegende Finanztableau vor Jahresfrist selbst noch gutgeheißen hat. Dieses ist der Abschied vom Gestalten in der Politik.
Nicht nur die Bauwirtschaft klagt seit langem darüber, daß die Konjunktur im Bausektor inzwischen deutlich nach unten zeigt. Der Rückzug des Bundes aus den investiven Etatposten ist das falsche Signal, vor allem das falsche beschäftigungspolitische Signal. Angesichts dieser Entwicklung sollte man nun eigentlich annehmen, daß Minister Töpfer die Ärmel aufkrempelt und zur Tat schreitet. Schaut man dann jedoch in den Einzelplan 25, erkennt man sehr schnell: Auch im kommenden Jahr wird sich an der Wohnungssituation in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur nichts ändern, sie wird sich auch verschlechtern.
Beispiele: Das Programm „Sozialer Wohnungsbau in Ballungsgebieten" wird von einem Finanzrahmen in Höhe von 150 Millionen DM auf Null gekürzt. Darüber hinaus werden generell beim sozialen Wohnungsbau 500 Millionen DM im Finanzrahmen zusammengestrichen. Ich will Ihnen das einmal deutlich machen: 1994 hatten wir einen Finanzrahmen für den sozialen Wohnungsbau von 3,4 Milliarden DM, 1995 von 2,8 Milliarden DM, und 1996 sinkt er auf 2,2 Milliarden DM. Sie kommen hier nicht daran vorbei, daß Sie sich Zug um Zug aus dem sozialen Wohnungsbau zurückziehen.
Nichts anderes geschieht bei der Städtebauförderung. 1996 sind an Kassenmitteln für neue Projekte in den alten Ländern gerade noch 4 Millionen DM und für neue Projekte in den neuen Bundesländern lediglich 26 Millionen DM vorgesehen. Diese Handlungsweise ist um so unverständlicher, als selbst die Bundesregierung im Finanzplan des Bundes folgendes feststellt:
Die mit Bundesfinanzhilfen geförderten Investitionen in städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsgebieten bewirken hohe öffentliche und private Folgeinvestitionen sowie Nachfrage nach Gütern und Leistungen. Dieser Anstoßeffekt der Städtebauförderung ist allgemein anerkannt und durch Untersuchungen verschiedener Forschungsinstitute belegt. Eine besondere Bedeutung ist darüber hinaus der beschäftigungspolitischen Wirksamkeit der Städtebauförderung zuzumessen. Die Untersuchungen bestätigen hohe, regional gestreute Beschäftigungseffekte, und zwar sowohl hinsichtlich einer kurzfristigen Beschäftigungsbelebung als auch langfristig wirksamer Beschäftigungs- und Wachstumsimpulse.
Diese Feststellung teile ich voll. Daher ist aber in einer Zeit, in der die Schaffung von Arbeitsplätzen höchste Priorität haben sollte, der Rückzug des Bundes aus dem sozialen Wohnungsbau und der Städtebauförderung skandalös.