- Entschuldigung, ich nehme es zurück -, weil Sie aus übergeordneten Interessen, die keiner nachvollziehen kann, nicht zum Konflikt bereit waren.
Meine Damen und Herren, das ist die Wahrheit. Beim Naturschutzgesetz haben Sie gekniffen. Bei fast allen Gesetzen, bei denen es darauf ankommt, Ankündigungen in die Tat umzusetzen, sind Sie abgetaucht, hat man von Ihnen nichts gehört. Im Kabinett hat Frau Merkel alleine gestanden, und auch Sie haben sie nicht in dem Maße unterstützt, wie das notwendig gewesen wäre.
- Nein, das stimmt nicht. - Im Gegensatz zu Ihnen haben wir beispielsweise in der SPD-Debatte über die Modernisierung der Volkswirtschaft nie den Mund gehalten. Uns kann keiner nachweisen, daß wir eingeknickt wären. Die Umweltpolitiker haben in der Fraktion zu ihrer Sache gestanden, und nur des-
Michael Müller
halb ist es beispielsweise möglich gewesen, daß die SPD ein Ökosteuerkonzept hinbekommen hat. Davon sind Sie noch weit entfernt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf einen zweiten Punkt zu sprechen kommen. Die Bilanz dieses einen Jahres ist leider traurig. Was ich in dieser ganzen Debatte schlimm finde - das ist nicht im engeren Sinne eine parteipolitische Sicht -, ist, daß wir durch die Art und Weise, wie die Umweltthemen behandelt werden, die großen Chancen, die mit diesem Thema verbunden sind, verspielen. Das Thema der ökologischen Modernisierung ist eben kein Thema, das man neben anderen in die Politik einspielt, sondern hier geht es um die zentrale Frage, wie wir in Zukunft die Wirtschaft, die Gesellschaft, unser Zusammenleben gestalten.
Frau Merkel, Sie haben völlig recht, wenn Sie darauf hinweisen, daß die Studie ,,Zukunftsfähiges Deutschland" wichtig ist. Auch ich finde in dieser Studie viele Schwächen. Ich kann beispielsweise nicht nachvollziehen, daß man intensiv die InputSeite und die Emissionsseite auflistet, aber über die eigentlich wichtigen Fragen, nämlich über die Umwandlungsprozesse, über den Materialeinsatz, über den Energieprozeß usw., kaum etwas sagt. Insofern ist die Studie ein bißchen dünn. Aber das Entscheidende ist, daß diese Studie nicht von der Politik gekommen ist. Darüber müssen wir nachdenken. Wieso werden solche Debatten nicht von denen angestoßen, die in der Bundesregierung die politische Verantwortung haben?
Warum bringt beispielsweise die Opposition über die Enquete-Kommission und andere Initiativen sehr viel mehr in die Debatte „zukunftsfähiges Deutschland" als die Bundesregierung ein? Darüber machen wir uns Sorgen.
Wir sehen, daß durch diese nur rhetorische Aufarbeitung von Bedrohungen mit anschließender Folgenlosigkeit unser Land nicht geeinigt wird für die große Herausforderung des ökologischen Umbaus, die ansteht und an der wir uns nicht vorbeidrücken können.
Entscheidend für die nächsten Jahre wird sein: Meldet sich die Politik aus diesen großen Zukunftsfragen ab - dies tut sie heute weitgehend -, oder ist sie wenigstens einmal so mutig, Ansätze eines ökologischen Strukturwandels praktisch zu erproben? Das ist die eigentliche Herausforderung.
Machen wir uns nichts vor! Angesichts der Globalisierung der Ökonomie und der ökologischen Grenzen des Wachstums ist vor allem Politik gefordert. Wir müssen aus der Kommentierung von gesellschaftlichen Entwicklungen herauskommen. Wir reden darüber, wie wichtig die „dauerhafte Entwicklung" ist. Aber das wird von uns doch nicht erwartet.
Von uns wird erwartet, daß wir die Strukturen in der Gesellschaft ändern, um eine dauerhafte Entwicklung tatsächlich möglich zu machen.
Es paßt nicht zusammen, auf der einen Seite die Durchökonomisierung der Gesellschaft durch die totale Überziehung von betriebswirtschaftlichen Kriterien in allen gesellschaftlichen Bereichen zu wollen und auf der anderen Seite von dauerhafter Entwicklung zu reden.
Dauerhafte Entwicklung ist nämlich zuerst volkswirtschaftliche Vernunft und erst dann die Verfolgung von einzelwirtschaftlichen Interessen. Das ist der entscheidende Knackpunkt zu den heutigen Standortforderungen.
Meine Damen und Herren, wir bleiben bei unserem Angebot, das wir auch bei der letzten Diskussion gemacht haben. Lassen Sie uns versuchen, über die Fraktionen hinweg an dieser, wie ich finde, entscheidenden Wegscheide unserer Gesellschaft, wo es darum geht, ob wir fähig sind, in der Epoche der Globalisierung Politik wiederherzustellen, Gemeinsamkeiten unbeschadet parteipolitischer Unterschiede zu suchen. Wir werden die Ökosteuer, die Effizienzrevolution oder auch die Stoffwirtschaft nicht mit knappen Mehrheiten durchsetzen können, sondern wir brauchen dafür einen Grundkonsens in der Gesellschaft. Lassen Sie uns gemeinsam für diesen Grundkonsens kämpfen!