Rede von
Eva-Maria
Bulling-Schröter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Der geplante Umwelthaushalt 1996 enthält auch nach Abschluß der Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß keinerlei Anzeichen für eine Wende der Bundesregierung in Richtung einer integrierten zukunftsträchtigen Umweltschutzpolitik.
An der Struktur der Ausgaben wurde im Vergleich zum Regierungsentwurf ein wenig herumgewerkelt, der Gesamtumfang um 5,7 Millionen DM gekürzt. Mit nunmehr 1,318 Milliarden DM liegt der Umwelthaushalt 1996 um 3,4 Prozent unter dem Soll des laufenden Jahres.
Die im Vergleich zum Regierungsentwurf vorgenommenen Kürzungen in den Kapiteln Reaktorsicherheit und Strahlenschutz sowie Bundesamt für Strahlenschutz sind marginal. Die geringe Aufstokkung im Titel Zuweisungen zur Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Land-
Eva Bulling-Schröter
schaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung wurde vorwiegend durch Kürzungen in anderen Bereichen von Umwelt und Naturschutz erkauft.
Der Umwelthaushalt 1996 beträgt damit weiterhin nicht einmal 3 Prozent des Gesamthaushaltes und ist zu fast 50 Prozent ein Strahlenschutzhaushalt. Dagegen sind in diesem Einzelplan 16 lediglich etwas mehr als 100 Millionen DM, also nicht einmal 8 Prozent, für direkte Umweltinvestitionen und Ausgaben zur Errichtung von Schutzgebieten vorgesehen.
Nun sind selbstverständlich nicht alle Ausgaben für die Umwelt im Haushalt des Umweltministeriums enthalten. Der Umwelthaushalt ist damit nur im Zusammenhang mit den anderen Einzelplänen zu beurteilen.
Wenn beispielsweise der Einzelplan 16 zu Lasten der Atomwirtschaft zusammengestrichen und dafür dem nachhaltigen Umweltschutz verpflichtete Titel in anderen Einzelplänen entsprechend angehoben worden wären, so könnten wir dem folgen. Dies ist aber nicht der Fall. Beispielsweise werden in der Energiepolitik der neuen Bundesländer gegenwärtig die Weichen für den CO2-Ausstoß der nächsten 50 Jahre gestellt. Alte, verrottete Heizungssysteme werden gegen neue ausgetauscht. Sowohl Stadtwerke wie auch Privathaushalte stehen also vor weitreichenden Investitionsentscheidungen.
Sind diese erst einmal auf Grund der gegenwärtig niedrigen Gas- und Ölpreise gegen die energetisch vorteilhaftere Fernwärme gefallen, so sind wieder einmal Chancen vertan. Niemand wird in fünf oder zehn Jahren seinen neuen Öltank oder eine kürzlich gelegte Gasleitung herausreißen, um mit Fernwärme einen Beitrag gegen den Klimakollaps zu leisten. Es wäre also ein Gebot der Stunde, das Fernwärmeprogramm Ost über das Jahr 1995 hinaus zu verlängern.
Die dafür benötigten 150 bis 200 Millionen DM sind aber angeblich im Haushalt des Wirtschaftsministeriums nicht aufzutreiben.
Es stellt sich die Frage: Wo sind die konkreten Taten nach den großen CO2-Minderungsvisionen der Regierung? Etwa im Verkehrshaushalt, wo im Vergleich zum Regierungsentwurf der Bundesautobahn- und Straßenbau mit zusätzlich 263 Millionen DM ausgestattet wurde? Oder in den gigantischen 2,4 Milliarden DM zusätzlicher Verpflichtungsermächtigungen, die noch zu den 3,8 Milliarden DM des Regierungsentwurfs hinzukommen und die im Zusammenhang mit der privaten Vorfinanzierung des Straßenbaus sowohl die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler als auch die Umwelt bis weit ins nächste Jahrtausend belasten werden? Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie verbetonieren hier eine Summe, von der man fünf Jahre lang den gesamten Umwelthaushalt finanzieren könnte.
Unter dem Strich läßt sich eine ökologische Bilanz des Gesamthaushalts gegenwärtig kaum erstellen. Die einzige Aufstellung der tatsächlichen oder angeblichen Maßnahmen mit umweltverbessernden
Wirkungen aller Einzelpläne findet sich lediglich auf drei Seiten des Finanzberichts, selbstverständlich ohne Erläuterungen. Die geringe Aussagekraft dieser Seiten wird noch zusätzlich geschmälert durch eine Reihe von absurden Zuordnungen auf das Umweltschutzkonto. Dazu zählen Schallschutzmaßnahmen an Bundesstraßen, die ja in der Regel erst durch den umweltzerstörenden forcierten Autobahnbau notwendig werden. Gleichzeitig sind in dieser Aufstellung - wie im Einzelplan 16 - die Ausgaben für Absicherung der Atomwirtschaft aufgelistet. Aus Sicht des Umweltschutzes werden also Soll und Haben miteinander vermischt.
Die PDS kann deshalb nur die Forderung von Herrn Dr. Rochlitz, Bündnis 90/Die Grünen, aus der ersten Lesung unterstützen, zur Vorbereitung von Haushaltsberatungen endlich eine aussagekräftige Ökobilanz aufzustellen, sozusagen ein Öko-Audit des Bundeshaushalts durchzuführen.
Dies wäre mit Sicherheit ein unbequemes Unterfangen, würde doch damit das ganze Ausmaß der kurz-, mittel- und langfristigen Umweltzerstörung unserer Wirtschaftsweise auch zahlenmäßig greifbarer, hätte konsequente Umweltpolitik einen statistischen Verbündeten. Die Zuschüsse für alternative Energien, Investitionen in ökologische Zukunftstechnologien, Ausgaben für öffentliche Arbeitsplätze im Umweltsektor würden plötzlich nicht nur abstrakt volkswirtschaftlich, sondern auch in der Haushaltsrechnung rentabler.
In der Koalition scheint solch eine Denkrichtung allerdings auf wenig Gegenliebe zu stoßen. So hat Herr Weng von der F.D.P. im Berichterstattergespräch doch tatsächlich gefordert, die eben genannte mangelhafte Zusammenstellung im Finanzbericht künftig nicht mehr erarbeiten zu lassen. Und zwar nicht etwa auf Grund des schlechten Aussagewertes dieser drei Seiten, nein, die spärliche Zusammenstellung sollte witzigerweise deshalb verschwinden, weil sie von der Opposition immer wieder zur Kritik an der Bundesregierung mißbraucht würde. Wahrlich, eine liberale Einstellung, Herr Weng.
Nun gut, die Berliner Wahlen haben gezeigt, daß sich die F.D.P. über die Rechte der Opposition vielerorts tatsächlich keine Gedanken mehr zu machen braucht.
Zur Privatisierung in der Wasserwirtschaft würde mich interessieren, was die F.D.P. all den Umweltverbänden sagt, die immer wieder davor warnen. Leider war hier dazu kein Wort zu hören.
Meine Damen und Herren, der Gruppe der PDS ist vollkommen klar, daß sich vieles in unserer natürlichen Umwelt niemals mit Geld bewerten lassen wird. Was kostet die weitgehende Vernichtung der nord- und südamerikanischen Wälder, das Aussterben der Wale oder auch nur der Lärm an der Autobahn? Fest steht jedoch - darüber besteht inzwischen wohl allgemeiner Konsens -: Niemand bezahlt auch nur annähernd die Kosten, die die Nutzung der Natur
Eva Bulling-Schröter
einschließlich der Folgewirkungen tatsächlich verursacht.
Insofern ist es mehr als unverständlich, warum der Bundesfinanzminister - auch angesichts steigender Schuldenberge - zur Finanzierung dringend notwendiger ökologischer Umbauprogramme nicht endlich die vielfach beschworene ökologische Steuerreform in Angriff nimmt. Die Verteuerung des Naturverbrauchs würde im übrigen auch viele neue Arbeitsplätze schaffen, und das nicht nur deshalb, weil sich der Faktor Arbeit auch ohne Senkung der Lohnnebenkosten relativ verbilligen würde. Neue Arbeitsplätze werden auch durch überproportional steigende Transportkosten entstehen, die eine Regionalisierung der Wirtschaftskreisläufe erzwingen werden.
Wir haben Anträge gestellt. Wir werden diesem Einzelplan 16 natürlich nicht zustimmen. Auch wenn sich einige Anträge inhaltlich überschneiden, werden wir den Anträgen der Grünen zustimmen.