Auch gerade auf Drängen und Vorschlag unserer Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, die aus den neuen Ländern kommen, sind wir durchaus bereit, zu überprüfen, wie man das noch gerechter machen kann. Dabei glaube ich, die absolute Gerechtigkeit gibt es nicht. Ich werde Sie enttäuschen: Jede Begrenzung wegzunehmen, das würde aus meiner Sicht das Gerechtigkeitsgefühl derjenigen verletzen, die unter denen gelitten haben, die sonst überhohe Renten beziehen würden.
Aber jetzt muß ich doch zu Zwickel zurück. Also noch einmal die Arbeitslosenhilfe. Wir diskutieren in diesem Parlament, wir bringen es ja morgen ein. Ich will nur darauf aufmerksam machen, daß die Debatte auch hier etwas ungleichgewichtig ist. 1,5 Milliarden DM Hilfe für die Langzeitarbeitslosen - nicht zu vergessen, daß wir ein 3-Milliarden-DM-Langzeitarbeitslosenprogramm aufgelegt haben! Was Sie, Frau Fischer, nebenbei als Verschiebebahnhof beklagen: Es ist ein uralter Grundsatz, daß Sozialversicherungsleistungen vor Sozialhilfe kommen. Insofern ist es richtig, daß ein Arbeitslosenhilfebezieher, wenn er regulär Rentenzugang hat, diesen Rentenzugang - das ist nichts Neues - in Anspruch nehmen muß. Das ist etwas ganz anderes, als wenn sich Betriebe über Sozialpläne einen gekonnten Zugang zu Renten schaffen.
Aber wir wollen jetzt nicht in die Einzelheiten gehen. Ich bleibe dabei, das läßt sich auch im Gespräch mit der IG Metall mit Argumenten begründen. Zu diesem Gespräch sind wir bereit.
Im übrigen ist es nichts Neues. Die Arbeitslosenhilfe nach geltendem Recht hatte bereits diese Neubewertung, und ich habe die IG Metall gegen diese Art von Neubewertung, die im geltenden Recht war, nie protestieren hören.
Insofern glaube ich, daß dem argumentativen Austausch noch viel Spielraum gegeben wird. Das wird nicht an Unbeweglichkeit der Bundesregierung scheitern.
Allerdings muß dann auch gesagt werden, wo die Alternativen sind; denn daß wir sparen müssen, muß auch eine Arbeitnehmerorganisation einsehen. Wenn wir nicht sparen würden, würden wir die Preise hochtreiben und die IG Metall in große lohnpolitische Verlegenheiten bringen. Also ist es sogar eine Hilfe.
Was die IG Metall jetzt macht - ich kann ja gar nicht alles aufführen, es ist ja hier gesagt worden -, das sind alles Sachen, lieber Herr Schreiner, wofür Sie mich von diesem Pult hier jahrelang beschimpft haben,
wegen der Einstiegstarife, es sind alles Sachen, wogegen Sie frontal angelaufen sind. Sie haben Lohnpolitik immer mit der Kaufkraftpolitik verbunden. Lieber Herr Schreiner, ich bin ja ganz stolz, daß meine IG Metall, der ich seit über 40 Jahren angehöre,
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
die SPD überholt hat. Ich hätte nie geglaubt, daß die SPD von der IG Metall überholt wird.
Jetzt stelle ich mir voller Mitleid ein Mitglied einer SPD-Betriebsgruppe vor, das am Montag Flugblätter gegen Einstiegstarife verteilen muß, gegen Nullrunden und am Mittwoch als IG-Metall-Vertrauensmann dann das entgegengesetzte Flugblatt verteilen muß. Ich schlage vor: Wechselt die Portale, damit die Leute euch nicht erkennen und sehen, daß es dieselben sind. Das ist ja peinlich.
Deshalb Modernisierer! Wenn es da einen Wettbewerb gibt, dann ist die IG Metall weiter als die SPD.
Das ist ein Geschwindigkeitsunterschied wie der zwischen Rennpferd und Dackel.
Es bleibt dabei, daß sich dieser große Koloß endlich bewegt. Ich finde, das ist doch auch ein Gegenstand, daß wir uns bei aller Kritik heute morgen nicht wechselseitig vorrechnen, wer etwas Besseres weiß, sondern daß wir versuchen, dort, wo es Gemeinsamkeiten gibt, auch in dieser Debatte, in dieser harten Auseinandersetzung, trotzdem die Brücken von Gemeinsamkeiten nicht abzubrechen. Den Sozialstaat rettet nicht einer allein, und auch den Arbeitslosen hilft nicht einer allein. Dazu brauchen wir Unternehmer, die etwas riskieren.
Dazu brauchen wir eine unternehmerische Gesinnung und Unternehmer, die auch in schweren Zeiten durchhalten. „Heuern und feuern" entspricht nicht unserer Sozialtradition. So mancher Großbetrieb könnte sich da eine Scheibe abschneiden vom kleinen Handwerksmeister,
der auch in schweren Zeiten durchhält.
In diesen schweren Zeiten müssen Brücken gebaut werden. Wir dürfen nicht eine kleinkarierte Buchhalterdiskussion führen. Das würde uns allen gemeinsam - ich schließe mich ein - guttun. Deshalb lade ich dazu ein, nicht nur für den Sozialstaat zu werben, sondern auch für ihn zu arbeiten. Er ist kein Klotz am Bein des Standort Deutschlands. Er ist ein Stabilitätspfeiler, der uns - Frau Wegner hat dies heute morgen gesagt - einen geordneten Staat garantiert und politischen Extremismus erspart. Er hat aus diesem Land mit seinen vielen Problemen einen Staat gemacht, in dem die Menschen sozial abgesichert leben können.