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ID1306815400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. November 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, 13/ 2593) 5863 A Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft (Drucksachen 13/2609, 13/2626) . . 5863 B Manfred Hampel SPD 5863 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 5866 C, 5867 A, 5869 A Siegmar Mosdorf SPD 5867 B, 5883 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . 5867 D, 5881 D Manfred Hampel SPD 5868 D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 5871 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5872 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . 5874 D, 5879 D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . 5876 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5877 A Ernst Schwanhold SPD 5877 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . 5878 A Dr. Christa Luft PDS 5878 C Peter Dreßen SPD 5879A Rolf Kutzmutz PDS 5880 A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 5882 A Peter Dreßen SPD 5883 B Ernst Schwanhold SPD 5884 C Friedhelm Ost CDU/CSU 5886 B Anke Fuchs (Köln) SPD 5888 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . 5888 D Ilse Janz SPD 5888 D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . 5889 C Ernst Hinsken CDU/CSU 5890 A Manfred Hampel SPD (Erklärung nach § 31 GO) 5891 A Manfred Kolbe CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5891 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) 5892 B Namentliche Abstimmung 5892 D Ergebnis 5918 B Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 13/2611, 13/2626) 5893 A Dr. Konstanze Wegner SPD 5893 B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 5896 A Uta Titze-Stecher SPD 5896 D, 5897 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5899 B Ina Albowitz F.D.P. . . . . 5901 D, 5905 C, 5906 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5904 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5904 D Peter Dreßen SPD 5905 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5906 B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 5906 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 5908 B Ottmar Schreiner SPD 5910 B Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 5911 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 5913 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 5914 B Ottmar Schreiner SPD . . . . . . . 5915 C Dr. Barbara Höll PDS 5916 B Gerd Andres SPD 5917 C Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 13/2616, 13/2626) 5920 D Eckart Kuhlwein SPD . . . . . . . . 5921 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 5923 C Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5924 D, 5931 B Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5927 C Birgit Homburger F D P. 5929 C Marion Caspers-Merk SPD . . . 5930 D, 5933 B Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5932 A Eva Bulling-Schröter PDS 5933 D Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 5935 A Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . 5936 A Eckart Kuhlwein SPD 5936 C Wolfgang Behrendt SPD 5937 A Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . 5939 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 5939 D Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . . 5941 D Otto Schily SPD 5942 D Wolfgang Behrendt SPD 5943 D, 5946 A Arnulf Kriedner CDU/CSU . . . . . 5944 B Kurt-Dieter Grill CDU/CSU 5945 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU 5946C Marion Caspers-Merk SPD 5946 D Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/2607, 13/2626) 5947 C in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 13/2618 [neu], 13/2626) 5947 C Gunter Weißgerber SPD 5947 C Manfred Kolbe CDU/CSU . . . . . . 5949 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5951 D Manfred Kolbe CDU/CSU 5953 B Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . 5953 D Horst Eylmann CDU/CSU 5954 B Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . . 5955 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 5957 B Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 5958 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5960 A, 5974 A, C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 5960 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS . . . 5961 A, 5970 D Otto Schily SPD . . . . 5961 C, 5973 A, B Hermann Bachmaier SPD 5962 A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . 5962 D, 5969 B Frederick Schulze CDU/CSU 5965 A, D Heinz Lanfermann F.D.P. . . . 5966 D, 5967 A Horst Eylmann CDU/CSU 5968 D Norbert Geis CDU/CSU 5969D Dr. Gregor Gysi PDS 5971 B Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 5972 A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . 5972 D Jürgen Koppelin F.D.P. 5973 D Einzelplan 25 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 13/2621, 13/2626) 5975 C Dr. Rolf Niese SPD 5975 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 5976D, 5991 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/ CSU .. . 5977 A Volkmar Schultz (Köln) SPD 5977 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 5980 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5983 C, 5985 D Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . 5985 B Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . 5986 A Klaus-Jürgen Warnick PDS 5987 C Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 5988 D, 5993 A Hans Georg Wagner SPD 5989 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5990 B Otto Reschke SPD 5992 B Einzelplan 13 Bundesministerium für Post und Telekommunikation (Drucksachen 13/2613, 13/2626) 5993 D Gerhard Rübenkönig SPD 5994 A Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 5995 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5996 B Dr. Max Stadler F D P. 5997 C Gerhard Jüttemann PDS 5998 D Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . . 5999 D Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6000 C, 6002 C Hans Martin Bury SPD 6002 A Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 6004 C Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr (Drucksachen 13/2612, 13/2626) 6006 C Hans Georg Wagner SPD 6006 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU 6010 C Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6013 D Horst Friedrich F.D.P. 6016 A Dr. Winfried Wolf PDS 6018 B Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 6020 A Annette Faße SPD 6022 B Dr. Hermann Kues CDU/CSU 6024 C Nächste Sitzung 6027 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6029 *A 68. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. November 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    (D) (A) Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 09. 11.95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Dr. Dobberthien, SPD 09. 11.95 Marliese Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 11.95 * Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 09. 11.95 Marten, Günter CDU/CSU 09. 11.95 * Meißner, Herbert SPD 09. 11.95 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 09. 11.95 Nickels, Christa BÜNDNIS 09. 11.95 90/DIE GRÜNEN (B) Anlage zum Stenographischen Bericht (C) Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Odendahl, Doris SPD 09. 11.95 Poß, Joachim SPD 09. 11.95 Dr. Scheer, Hermann SPD 09. 11. 95 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 09. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Schwanitz, Rolf SPD 09. 11.95 Steindor, Marina BÜNDNIS 09. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 09. 11.95 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 09. 11.95 Vosen, Josef SPD 09. 11. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (D)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ottmar Schreiner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich vermute sehr stark, daß uns Minister Blüm in seinem nachfolgenden Redebeitrag nichts Neues verkünden, sondern die bisher erkennbare Haltung der Bundesregierung bestätigen wird, daß sie an einem „Bündnis für Arbeit" nicht interessiert ist, weil sie nicht bereit ist, einen eigenen Beitrag beizusteuern.
    Das entspricht auch ganz der ideologischen Linie der treibenden Kräfte der Koalition. Die treibenden Kräfte der Koalition haben an einem solchen Bündnis überhaupt kein Interesse. Die treibenden Kräfte dieser Koalition begreifen den Sozialstaat inzwischen in wachsendem Maße nur noch als einen lästigen Kostenfaktor. Das ist die Wahrheit. Das bestätigen alle Maßnahmen, die Sie in den letzten Jahren hier vertreten haben.
    Ein zweiter Punkt, zu dem ich einige Bemerkungen machen will. Es ist immer wieder, auch heute vormittag, über das Verhältnis vergleichsweise hoher Lohnnebenkosten zum Beschäftigungsvolumen in Deutschland gestritten worden. Unstreitig ist, daß die Bundesregierung einen solchen Zusammenhang zwischen Beschäftigungsniveau und Lohnnebenkosten seit Jahren behauptet und beklagt. Unstreitig ist, daß die enormen Steigerungen der Sozialversicherungsbeiträge in den letzten Jahren nicht gerade beschäftigungsfördernd gewirkt haben.
    Unstreitig ist schließlich auch, daß sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fragen, was ihre eigene Leistung wert ist, wenn die Abgabenquote schon jetzt nahezu die Hälfte des Bruttoeinkommens wegfrißt. - Das sind die unstreitigen Sachverhalte.
    Die sozialdemokratische Fraktion in diesem Haus hat seit Frühjahr 1991 immer wieder kritisiert, daß die Finanzierung der Sozialkosten der .deutschen Einheit im wesentlichen über erhöhte Lohnnebenkosten in Gesamtdeutschland erfolgt ist. Diesen Aspekt haben wir seit diesem Zeitpunkt immer wieder betont. Verteidigungsminister Rühe hat in diesem Zusammenhang vor drei Jahren von einer Gerechtigkeitslücke in Deutschland gesprochen.
    Der ehemalige Bundespräsident von Weizsäcker hat vor einiger Zeit vergeblich an den Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert. Dieser Lastenausgleich erfolgte zugunsten der Heimatvertriebenen und wurde nicht über eine Erhöhung der Lohnnebenkosten, der Sozialversicherungsbeiträge oder über einen Sozialabbau finanziert, sondern im

    Ottmar Schreiner
    wesentlichen über eine Vermögensabgabe. Es wurde von denjenigen, die viel haben, zugunsten derjenigen, die aus der Heimat vertrieben wurden, umverteilt. Das war das Kernelement des Lastenausgleichs nach dem Zweiten Weltkrieg.
    Von Weizsäcker hat nicht ohne Grund an diesen Lastenausgleich erinnert. Er wollte uns dafür sensibel machen, daß es andere, solidarische, gerechtere Wege zur Aufbringung der Mittel für die Finanzierung der deutschen Einheit gibt

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    als den Weg, den die Bundesregierung seit dem Frühjahr 1991 hemmungslos verfolgt, nämlich eine Finanzierung über die Erhöhung der Lohnnebenkosten und einen Sozialabbau. Das war der Kern der Erinnerung von Herrn von Weizsäcker.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Welche Wege?)

    - Lieber Kollege Weng, ich komme jetzt auf die Wege zu sprechen. Seien Sie mit Ihren Zwischenrufen vorsichtig.

    (Lachen bei der F.D.P.)

    Wäre es, anknüpfend an die Überlegungen Herrn von Weizsäckers, des ehemaligen Bundespräsidenten, nicht auch aus der Sicht der F.D.P. wesentlich leistungsgerechter, bei der Finanzierung der deutschen Einheit einen deutlich progressiver verlaufenden Tarif bei der Erbschaftsteuer als Instrument mit einzubeziehen?

    (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Mal eben die Steuern erhöhen!)

    Wäre das nicht ein klassisches F.D.P.-Thema?
    Ich will Ihnen ein Zitat von Herrn Stefan Baron nicht vorenthalten, der vor einiger Zeit in der „Wirtschaftswoche" folgendes geschrieben hat:
    Will die FDP nicht Leistung stärker belohnen? Würde dieser erstrebenswerten Absicht nicht ein Konzept besonders gerecht, in dem Lohn- und Einkommensteuer deutlich niedriger sind als heute, ... dafür aber der Erbschaftsteuertarif deutlich progressiver verläuft - wie etwa in England oder den USA?
    Dann zitiert er einen der Väter der Sozialen Marktwirtschaft mit folgendem Satz:
    ,Die erbliche Startungleichheit ist das wesentlichste institutionelle Strukturelement, durch das der Feudalismus in der Marktwirtschaft fortlebt und sie zur Plutokratie, zur Reichstums-Herrschaft macht', so Alexander Rüstow, einer der Väter unserer Wirtschaftsordnung.
    Meine Damen und Herren, da hätten Sie andere Wege der Finanzierung. Sie in der Koalition fordern genau das Gegenteil. Sie erwägen die komplette Abschaffung der Vermögensteuer. Von einer Reform der Erbschaftsteuer ist überhaupt keine Rede. Das einzige, was Ihnen angesichts der Finanzierungsprobleme einfällt, sind Sozialabbau und Erhöhung der Lohnnebenkosten.
    Im Bereich der Lohnnebenkosten tun Sie genau das Gegenteil dessen, was Sie ständig predigen. Auch das will ich Ihnen deutlich machen. Die Sozialabgaben werden im nächsten Jahr auf über 40 Prozent steigen. Im „Handelsblatt" hieß es dazu vor wenigen Tagen:
    Den Unternehmen steht ein neuer, nicht von der Tarifpolitik induzierter Lohnkostenschub bevor.
    Man müßte ergänzen: Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern steht eine Entwicklung bevor, die den Abstand zwischen Brutto- und Nettoeinkommen über erhöhte Sozialversicherungsbeiträge noch krasser macht, als das gegenwärtig bereits der Fall ist.
    Das „Handelsblatt" schreibt weiter:
    Daß die Sozialversicherung-Beiträge im nächsten Jahr um 1,5 Prozentpunkte steigen, steht bereits fest: 0,7 Prozentpunkte in der Pflege-, 0,5 in der Renten- und 0,3 in der Krankenversicherung. Damit wird die magische 40-Prozent-Grenze überschritten. Im Bundesgesundheitsministerium
    - so wird hier zitiert -
    hält man sogar einen Sprung um zwei Prozentpunkte nicht für ausgeschlossen.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Haben Sie das nicht mit beschlossen?)

    Demgegenüber hat der Bundesarbeitsminister auf dem IG-Metall-Kongreß folgendes erklärt:
    Ich habe es nicht gern, daß sonntags über die Lohnnebenkosten gejammert und werktags alles gemacht wird, daß die Beiträge steigen.
    Diese Bewußtseinsspaltung macht Norbert Blüm nicht mit.
    Er redet von sich immer in der dritten Person.
    Sie sind ein pausenloses Opfer dieser Bewußtseinsspaltung. Ich habe Ihnen gerade die Entwicklung des nächsten Jahres vorausgesagt, Herr Blüm.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun kommt das Allerdollste: Der Bundeswirtschaftsminister ist nicht das Opfer F.D.P.-inszenierter Bewußtseinsspaltungsprozesse, sondern sein eigenes Ministerium organisiert seine Bewußtseinsspaltungsprozesse; denn das Arbeitslosenhilfeverschlimmerungsgesetz hat zu einer Transferverschiebung von 1,8 Milliarden DM aus dem Bundeshaushalt hinein in die beitragsfinanzierte Bundesanstalt für Arbeit geführt.

    (Zuruf von der SPD: So ist es! Unglaublich ist das!)

    Und damit hat es potentielle Lohnnebenkostenerhöhungen provoziert. Sie machen genau das Gegenteil
    dessen, was notwendig wäre, wenn man das Argu-

    Ottmar Schreiner
    ment ernst nimmt. Die Lohnnebenkosten sind das wirkliche Problem. Sie machen genau das Gegenteil.
    Die Zahl von 1,8 Milliarden DM stammt nicht von mir, sondern von Dr. Siegers, einem Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und alternierender Vorsitzender der Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit.
    Meine Güte, was soll man von diesem Possenspiel, von dieser komischen Bundesregierung halten, die pausenlos das Gegenteil dessen veranstaltet, was sie hier im Parlament an öffentlichen Vorträgen hält?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Dritter Punkt. Ich will noch einige Bemerkungen zu der sogenannten Entsenderichtlinie machen. Das Problem ist bekannt. Auf Grund der im europäischen Binnenmarkt seit 1992 vorhandenen Freizügigkeit von Kapital, Dienstleistung und Arbeit haben wir es in Deutschland inzwischen damit zu tun, daß hier in 100 000facher Weise Arbeit angeboten und verrichtet wird: zu erheblichen Teilen ohne Arbeitsverträge, zu erheblichen Teilen ohne feste Löhne, mit einem schlichten Taschengeld abgespeist. Und das Ergebnis ist, daß im gleichen Umfange einheimische Arbeitskräfte, die diesen Lohndumpingangeboten nicht mehr standhalten können, aus dem Arbeitsprozeß in die Arbeitslosigkeit verdrängt werden.
    Ich sage Ihnen: Wenn wir diese Entwicklung nicht aufhalten, werden wir ein außerordentlich gefährliches Ressentiment gegen den europäischen Einigungsgedanken bekommen. Wir werden zumindest bei den Betroffenen eine Haltung der Renationalisierung erleben.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Nun fragt man sich: Wieso ist die Bundesregierung nicht in der Lage, dieses Problem angemessen zu lösen? Ich sage Ihnen, warum Sie nicht in der Lage sind, das Problem zu lösen: weil treibende Kräfte dieser Koalition über die Entsendeproblematik völlig andere Ziele ansteuern. Graf Lambsdorff hat sich heute morgen als Schutzmacht des portugiesischen Arbeitnehmers in Deutschland aufgespielt. Das war nichts anderes als die purste Heuchelei. Die Kräfte um Lambsdorff und entsprechende Kräfte in der CDU/CSU verfolgen mit der Entsendeproblematik ein völlig anderes Ziel. Dazu zitiere ich Ihnen Graf Lambsdorff aus dem „Handelsblatt" vom 26. Juli dieses Jahres:
    Lambsdorff ist der Meinung, daß die in der Bundesrepublik praktizierte Tarifautonomie nicht länger Bestand haben könne.
    Und weiter:
    Natürlich gehöre ein Arbeitnehmer-Entsendegesetz zur Konsequenz der Tarifautonomie ...
    Im Umkehrschluß: Wenn ich eine Entsenderegelung verweigere, zerstöre ich mittelfristig die in Deutschland herrschende Tarifautonomie. Das sind die wahren Ziele von Lambsdorff und Co. und der sie begleitenden Kräfte in der CDU/CSU.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie wollen, meine Damen und Herren, wenn Sie diesen Kurs nicht korrigieren, in Wahrheit eine andere Republik. Hier sind in der Tat radikale Kräfte am Werk. Sie begreifen den europäischen Binnenmarkt als eine einmalige Chance, über 100jährige Bemühungen um einen fairen Interessenausgleich zwischen Kapital und Arbeit zu unterwandern und auf die Müllkippe zu bringen - das ist das eigentliche Ziel -


Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ottmar Schreiner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    - mein letzter Satz, Frau Präsidentin - und die Menschen in einen ungehemmten Manchester-Kapitalismus des vorigen Jahrhunderts zurückzuführen. Wer das verhindern will, braucht eine starke SPD.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD)