Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Fuchtel, nachdem Sie sich gleich zu Beginn bemerkbar machen: Ich finde es nicht sehr lohnend, auf Ihren Beitrag einzugehen; dies auch schon deshalb, weil in der SPD-Fraktion gemunkelt wird, Sie seien Vizepräsident des nordschwarzwälderischen Kamelzüchtervereins. Ihre verdienstvolle Tätigkeit scheint allmählich auf Sie selbst zurückzuwirken. Das merkt man zumindest an Ihren Beiträgen.
Aber ich will das nicht weiter ausführen.
Sie haben das provoziert, lieber Kollege Fuchtel. Ab und zu ist es wichtig, daß man das Wasser halten kann, sonst wird die Hose naß. Sie sollten sich das hinter die Ohren schreiben, Herr Kollege Fuchtel.
Meine Damen und Herren, hier wird oft erzählt, der Sozialstaat sei nicht mehr finanzierbar. Sie wissen sehr genau, daß wir keine Probleme der Finanzierung des Sozialstaats haben, sondern daß wir zwei Kernprobleme haben, an deren Lösung Sie sich hier ständig vorbeizumogeln versuchen. Das eine Kernproblem sind die extrem hohe Arbeitslosigkeit, die höchste in der Nachkriegsgeschichte, und die damit verbundenen gesamtfiskalischen Kosten.
Das zweite Problem sind die hohen Sozialkosten, die mit der Art und Weise, wie Sie den Prozeß der deutschen Einheit gestaltet haben, sehr eng verbunden sind, und deren Finanzierung. Das sind die zentralen Probleme. Das ganze Gerede, der Sozialstaat sei nicht finanzierbar, geht völlig an den wirklichen Problemen vorbei.
- Ich werde Ihnen eine ganze Menge sagen, mehr, als Ihnen gut tut.
In der „Süddeutschen Zeitung" von gestern war zu lesen, daß die Arbeitslosigkeit in Deutschland Ende Oktober/Anfang November 1995 höher ist als im Vorjahr. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit führt das ausweislich der „Süddeutschen Zeitung" von gestern unter anderem darauf zurück, daß sich die Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik, Herr Blüm - auch Sie, Herr Austermann, haben es eben angesprochen -, besonders negativ auswirkten. Der Leiter des Forschungsinstituts der Bundesanstalt befürchtet in demselben Artikel, daß Anfang 1996 die Arbeitslosenzahl wieder an die 4 Millionen heranreichen könnte.
Ich sehe dort den ruhmreichen Bundeswirtschaftsminister sitzen; er macht sich verdienstvolle Notizen. Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben im Jahreswirtschaftsbericht Anfang dieses Jahres prognostiziert, daß 1995 die Arbeitslosigkeit in Deutschland um 370 000 Menschen geringer sein werde als 1994. Eine derart schwere Fehlkalkulation habe ich seit Jahren nicht mehr erlebt.
Es ist denkbar, daß die Zielgrößen im Jahreswirtschaftsbericht nicht ganz exakt sind. Aber sich um 370 000 zu verschätzen ist schon ein Dokument der völligen politischen Unfähigkeit und der Schönfärberei, das Sie sich auf diesem Feld geleistet haben.
Ich will zu drei Aspekten etwas sagen. Der erste Aspekt: „Bündnis für Arbeit". Einige Redner und Rednerinnen haben auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen. Die Bundesregierung hat bis zur Stunde nicht erklärt, was sie genau will. Der Vorsitzende der IG Metall hat der Bundesregierung sowie den Unternehmern und ihren Verbänden ein Abkommen auf Gegenseitigkeit vorgeschlagen. Der Vorsitzende der IG Metall ist damit über einen riesengroßen Schatten gesprungen, wenn man die Beschlußlage der IG Metall sieht.
Der Vorsitzende der IG Metall erwartet - das ist das Gegenseitigkeitsprinzip: geben und nehmen - von der Bundesregierung, daß sie für ein „Bündnis für Arbeit" bereit ist, die vorgesehenen Streichungsmaßnahmen im Bereich der Arbeitslosenhilfe zurückzunehmen.
Ottmar Schreiner
Nun möchte ich gern wissen, wie die Bundesregierung, die immer wieder gefordert hat, daß die Tarifparteien aus ihren Schützengräben herauskommen, die immer wieder gesagt hat, der Kampf gegen Arbeitslosigkeit geht alle an - die Regierung, die Tarifparteien, die Gewerkschaften usw. -, zu dem Vorschlag der IG Metall steht. Ich möchte das hier wissen.
Bundeswirtschaftsminister Rexrodt hat heute morgen in der Debatte den Vorschlag der IG Metall noch einmal ausdrücklich begrüßt. Derselbe Bundeswirtschaftsminister Rexrodt hat ausweislich der „Frankfurter Rundschau" vom 6. November dieses Jahres gesagt, er halte von Abkommen im großen überhaupt nichts: „Da geht die Marktwirtschaft kaputt." Ich habe den Eindruck, .Herr Bundeswirtschaftsminister, daß Sie eher bereit sind hinzunehmen, daß die Arbeitslosen kaputtgehen, als daß Sie sich ein solches „Bündnis für Arbeit" vorstellen können.
Nun will ich wissen, was die Haltung der Bundesregierung ist. Kanzleramtsminister Bohl hat vor wenigen Tagen erklärt: Die Bundesregierung lehnt den auf sie bezogenen Teil des Vorschlags von Zwickel ab.
Von Blüm habe ich bisher überhaupt nichts gehört. Der scheint sich in der Deckung verschanzt zu haben.
- Sie waren auf dem Kongreß; aber Sie haben zu dieser Frage nicht einen einzigen Piepser gesagt! Ich habe die Rede nachgelesen. Ich weiß, wovon ich rede.
- Dann gebe ich Ihnen, lieber Kollege Blüm, jetzt die Möglichkeit, im Rahmen einer Zwischenfrage die Haltung der Bundesregierung zu erklären.