Rede von
Ina
Albowitz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nein, ich habe das vorhin auch nicht gedurft, Herr Präsident. Der Kollege Metzger hat diese Woche schon genug in Populismus gemacht. Das reicht mir.
Meine Damen und Herren, wir verhandeln heute über den größten Einzeletat des Bundeshaushaltes; das sind knapp 30 Prozent. Damit wird der Löwenanteil des Gesamtetats für Sozialpolitik ausgegeben. Daß wir durch gesetzliche Maßnahmen, über die in diesem Hause noch debattiert werden muß, nämlich morgen, 3,5 Milliarden DM weniger etatisieren, ist zwingend notwendig. Trotzdem hat das mit Sozialabbau oder dem abgegriffenen, nicht zutreffenden Scheinargument „Den Reichen geben, den Armen nehmen" nichts zu tun.
Ich komme zu Ihnen noch, Frau Matthäus-Maier, keine Sorge!
Die Opposition in diesem Hause scheint vergessen zu haben, daß wir das Geld, das wir ausgeben, bei den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes über Beitragszahlungen und Steuern, die viel zu hoch sind, erst abkassieren müssen. Da sind Sie ja munter mit dabei.
Wir kommen einfach nicht daran vorbei, das soziale System in toto zu überprüfen, denn nicht mehr alle wünschenswerten Leistungen sind finanzierbar.
Es kann nichts nützen, den Bürgern strahlende Halogenlampen zu versprechen, wenn man weiß, daß man nur Taschenlampen finanzieren kann.
Dabei kann ich nur hoffen, daß Ihnen von der Opposition endlich ein Licht aufgeht. Allerdings ist es aus der Sicht der Opposition ihr gutes Recht, Dinge zu fordern, für die sie letztendlich nicht in die Verantwortung genommen werden kann.
Die abschließenden Beratungen im Ausschuß haben unter medien- und schlagzeilenträchtiger Nichtteilnahme der Opposition stattgefunden. Dabei hätte hier - wo eine Oppositionspartei den Begriff „sozial" sogar im Namen führt und die andere das Füllhorn als Parteiemblem zu haben scheint - konstruktive Zusammenarbeit mehr gebracht als Ihr albernes, kindisches Verhalten. Im übrigen hätten Sie durchaus Gelegenheit gehabt, in dieser Ausschußsitzung sowohl den Bundesarbeitsminister als auch den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit ausführlich zu befragen. Diese Gelegenheit haben Sie nicht genutzt.
Lassen Sie mich einige grundsätzliche Bemerkungen machen. In den meisten anderen Ländern dieser Welt wäre man glücklich, wenn ein dermaßen hoher Betrag für soziale Belange zur Verfügung stünde. Bei uns dagegen wird von „Sozialabbau", von „Politik auf dem Rücken der kleinen Leute" - fern jeder Realität - gesprochen; Angstpsychosen werden geschürt.
Damit Sie das nicht mißverstehen: Die Probleme, die wir mit der zu hohen Arbeitslosigkeit haben, die Probleme mit der Tatsache, daß auch Wirtschaftswachstum die Arbeitslosenzahlen nicht bedeutend drücken konnte, die Probleme mit dem demographischen Kegel, der die Zahl der Rentenanspruchsberechtigten immer weiter wachsen läßt, ohne daß die Finanzierenden nachwachsen - all das übersehen wir nicht. Aber gerade an einem Tag wie heute, am 6. Jahrestag der Maueröffnung, sollte doch jedes Mitglied dieses Hauses die intellektuelle Fähigkeit haben, die wahren Gründe für die Probleme in dem gewaltigen Umstrukturierungsprozeß zu erkennen, die die gottlob erfolgte deutsche Einheit auch beim Sozialhaushalt mit sich gebracht hat.
Die großen Ausgabenblöcke, die der Bund im Einzelplan 11 zu bestreiten hat, sind nahezu unverändert geblieben. Hier schlagen die Sozialversicherung mit 81 Milliarden DM, die Ausgaben für den Arbeitsmarkt mit knapp 30 Milliarden DM und der Kriegsopferhaushalt mit knapp 13 Milliarden DM zu Buche. Die Ausgaben sind zu 90 Prozent gesetzlich festgelegt.
Mit dem ursprünglichen Entwurf des Einzelplanes hatte sich die Bundesregierung ein ehrgeiziges Ziel gesteckt, nämlich die Reduzierung um 10 Milliarden DM. Dieses Ziel konnte nicht erreicht werden. Darüber freuen wir uns kein bißchen. Vielmehr entstand ein Mehrbedarf für die Arbeitslosenhilfe sowie für einen Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit. Diese beiden Posten zusammen belaufen sich auf 6,5 Milliarden DM. Dabei will ich darauf hinweisen, daß der Zuschuß an die Bundesanstalt von 24,4 Milliarden DM im Jahr 1993 kontinuierlich auf jetzt 4,3 Milliarden DM reduziert werden konnte. Wer in diesem Hause jetzt in Panik macht, handelt unverantwortlich.
Natürlich hätten wir lieber eine Reduzierung auf Null gehabt. Natürlich hätten wir auch lieber Vollbe-
Ina Albowitz
schäftigung in Deutschland. Aber das ist eben der Unterschied zwischen Opposition und Regierungspolitik in Deutschland: Die einen träumen, und die anderen stellen sich den Realitäten.
- Ja, so ist das.
Die Probleme, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen wesentlich tiefer, als es uns die hier anwesenden Vertreter von planwirtschaftlichem Sozialbudget und Vollkaskostaat glauben machen wollen.
Es sind in den letzten Tagen aus der SPD allerdings erstaunliche Töne zu hören gewesen, die in neue Richtungen gehen: Sozialausgaben sind nur möglich, wenn sie finanziert werden können, hat man dort erkannt. Ich hoffe, das ist ein neuer Wind, Herr Kollege Schreiner, und nicht nur ein laues Lüftchen in Ihrem sozialdemokratischen Sauerstoffzelt.
Eine effektive Sozialpolitik will nämlich finanziert sein. Sie haben daran mitgearbeitet, entnehme ich Ihrem Antrag zum Parteitag.
Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend eine Senkung der Lohnnebenkosten in Deutschland. Wir brauchen eine ernsthafte Reform zur Senkung der Arbeitskosten. Wir brauchen günstige Standortfaktoren für die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Wir brauchen eine Entlastung der Sozialversicherung von versicherungsfremden Leistungen, und wir brauchen eine Reform der Vorruhestandsregelung.
Wir müssen dringend überdenken, wie wir Langzeitarbeitslose durch noch konkretere Maßnahmen an den Arbeitsmarkt heranführen.
Mit dem Arbeitsmarkt - -
- Das ist wie bei Ihnen auch. Herr Kollege, ich glaube, ich habe Ihnen in diesem Hause schon einmal gesagt: Hochmut kommt vor dem Fall. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre und mich von 61 auf 27 Prozent heruntergewirtschaftet hätte,
würde ich so nicht reden.
Mit dem Arbeitsmarkt verhält es sich ähnlich wie mit der Börse: 50 Prozent sind Politik, und 50 Prozent sind Psychologie. Die Unternehmen in Deutschland müssen davon überzeugt werden, ihre Arbeitsplätze im Inland zu belassen, statt sie ins Ausland zu verlagern. Der Unternehmer muß wieder merken, daß der Staat ihn als Produzenten und als Wirtschaftsfaktor haben will und nicht als Melkkuh.
Diejenigen, die sich seit längerer Zeit in der Arbeitslosigkeit befinden, müssen merken, daß der Staat an ihrer Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß interessiert ist, statt sie durch gelegentliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ruhigzustellen. Ein Rechtsanspruch auf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen hätte nur zur Folge, daß sich Arbeitslosengeld und ABM in Serie abwechseln. Ebenso notwendig sind Maßnahmen, die verhindern, daß die für die Behebung von Arbeitslosigkeit erforderlichen Mittel durch unnötige Frühverrentung oder Vorruhestandsregelungen aufgezehrt werden.
In diese Zeit passen dagegen so gar nicht die immer mal wiederkehrenden Versuche, Herr Minister, die Axt an die sogenannten 580-DM-Jobs zu legen. Wer das versucht, muß sich darüber im klaren sein, daß er die Menschen förmlich in die Schwarzarbeit treibt.
Außerdem spiegelt er den Betroffenen auch eine Versorgungssicherheit vor, die bei einer Sozialversicherungspflicht nie gegeben wäre. Mit einem Anspruch von 86 Pfennigen pro Erwerbsmonat gleich 13 DM im Jahr für ein Jahr Arbeit wird eine Vision vorgegaukelt, die sich als Seifenblase entpuppt.
Ich komme noch einmal auf den Leitantrag der SPD zu ihrem Parteitag zu sprechen. Hier äußert man sich erstaunlicherweise positiv gegenüber dem bisher immer diffamierten sogenannten Dienstmädchenprivileg. Frau Matthäus-Maier, dies ist im übrigen ein erbärmlicher Ausdruck, wie Sie mit Menschen, mit Frauen in diesem Land umgehen, für den Sie persönlich verantwortlich zeichnen.
Wenn die SPD jetzt die Meinung vertritt, die Maschinenlaufzeiten müßten sich ändern, die Arbeit müßte finanziell entlastet werden, so höre ich diese Botschaft wohl, allein, mir fehlt der Glaube. Also warten wir in Ruhe den Parteitag ab.