Rede von
Ernst
Schwanhold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß der Wirtschaftsminister eingesteht, daß die Entkoppelung von Wachstum und Entlastung am Arbeitsmarkt eine neue Erkenntnis für ihn ist, disqualifiziert ihn von vornherein.
Dies ist in allen Wachstumsphasen in der Vergangenheit schon so gewesen, und dies hätten Sie auch angesichts der hohen Ausgangslage von Arbeitslosigkeit und angesichts der Entwicklung auf den Weltmärkten sehen müssen.
Deshalb sage ich Ihnen von hier aus: Sie haben den Deutschen Bundestag und das deutsche Volk belogen.
Denn Sie haben gesagt, Sie werden mit zwei bis drei Prozent Wachstum Entlastung am Arbeitsmarkt schaffen, obwohl Sie es besser wußten.
In der Analyse sind wir uns einig, Graf Lambsdorff; dies will ich ausdrücklich sagen. Ihre Rede war ja bemerkenswert; sie war nämlich eine Kritikrede gegenüber der Politik der Bundesregierung in 13 Jahren und keine gegenüber der Opposition. Wir schließen uns in den Kritikpunkten ausdrücklich an.
Sie haben beklagt, daß wir zu hohe Lohnnebenkosten haben. Dies ist eine Folge 13jähriger Regierungsverantwortung von Ihnen.
Ernst Schwanhold
Sie haben beklagt, daß wir zu lange Genehmigungsverfahren haben. Was ist in den 13 Jahren geschehen, um Genehmigungsverfahren zu verkürzen?
Sie haben gesagt, daß die administrativen Kosten, die auf die Unternehmen durchschlagen, zu hoch sind. Was haben Sie in den 13 Jahren gemacht? Außer Luftblasen überhaupt nichts!
Der analytische Teil wird von uns ausdrücklich unterstrichen.
Nun kommt die Frage: Wie bewerte ich dieses? Setze ich auf die eine Komponente, wo an der einen oder anderen Stelle Veränderungen notwendig sind - dies hat Klaus Zwickel gesagt, dies hat die Sozialdemokratie seit langer Zeit gesagt -, oder setze ich andere Schwerpunkte ebenso?
Dann ist es doch bezeichnend, daß dieser Bundeswirtschaftsminister kein Wort - wirklich kein Wort! - und keinen Gedanken daran verschwendet hat, wie zukünftig Arbeitsplätze in die Bundesrepublik Deutschland hineinzubringen sind, wie wir mit Zukunftstechnologien umgehen, was notwendig ist, um diese hier zu halten, sie anzusiedeln und auszubauen.
- Entschuldigung, es ist das Ergebnis der Politik der letzten Regierung, daß der einzige Solarzellenhersteller, der in der Bundesrepublik war, weggegangen ist, nicht, weil es hier keine Produktionsgrundlagen gibt, sondern weil nicht geholfen worden ist, Märkte dafür zu schaffen, obwohl wir weltweit in Forschung und Entwicklung einen Vorsprung gehabt haben. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Wo bleibt die konzertierte Aktion dafür, daß wir uns mit denen, die sich in der Forschung und Entwicklung von Biotechnologien - und dies sage ich ausdrücklich in Abgrenzung zu tief eingreifenden Gentechnologien - an einen Tisch setzen, um zu sagen: Dies ist die Maßnahme eins, um Biotechnologie hierzuhalten, dies ist Maßnahme zwei, um Biotechnologie hierzuhalten, damit wir wenigstens in diesem Zukunftsfeld dem Zweig Chemieindustrie eine Chance in der Bundesrepublik Deutschland eröffnen. Wo ist die Initiative des Wirtschaftsministers? Der tut so, als ob er nichts damit zu tun hätte, sondern er redet mal darüber und setzt sich nicht mit den verhandelnden Wirtschaftsakteuren an einen Tisch, um die Rahmenbedingungen herzustellen. Das ist Versäumnis Ihrer Politik!
- Entschuldigung, Graf Lambsdorff, der DIHT hat es
Ihnen doch in der Herbstumfrage gerade ins Stammbuch geschrieben: Pessimismus, weil nicht zu erwarten ist, daß Ihnen die Rahmendaten der Wirtschaftspolitik, Ihrer Wirtschaftspolitik, die Zukunftsaussichten geben, hier zu investieren. Der DIHT hat es Ihnen ins Protokoll geschrieben, nicht wir alleine!
Ich meine, Sie sollten wenigstens die Kritik von Herrn Schoser ernst nehmen und nicht so tun, als ob dies alles bei der Sozialdemokratie abzuladen wäre. Wir sind eine mächtige Partei, dies ist keine Frage.
- Wir werden es im Gegensatz zu Ihnen auch bleiben!
Schauen Sie sich mal an, welche Wahlerfolge Sie in den Ländern haben, wo Sie Regierungsverantwortung tragen! Schieben Sie bitte nicht alles auf die Sozialdemokratie, sondern kehren Sie in Ihrem eigenen Laden, dann haben Sie ausreichend zu tun.
Ich fordere also von Ihnen einen Pakt für Zukunftstechnologien in diesem Land, indem wir Unternehmer, Arbeitnehmer, Banken und Versicherungsgesellschaften, die über viel Kapital verfügen, auffordern, Kapital, das nicht in Köpfe und Technik investiert wird, sondern in Boden und Beton, umzulenken. Der Wirtschaftsminister ist dazu aufgefordert.
Ich will Ihnen einen zweiten Punkt sagen, bei dem nichts, aber auch wirklich nichts gekommen ist. Sie reden immer vom Mittelstand. Noch nie ist der Mittelstand in der Politik so allein gelassen worden wie von Ihnen, noch nie!
Und das, was Sie zu Existenzgründungen sagen, muß Konsequenzen haben. Wir werden nicht über öffentliche Haushalte die alleinige Kapitalausstattung organisieren können, wir müssen privates Geld dahin organisieren. Wo sind Ihre Initiativen, um zu sagen, wir holen privates Geld in Investitionen, damit wir Eigenkapitalersatz zur Verfügung stellen können?
- Natürlich dürfen wir das. Wir warten täglich auf Ihre Initiative. Wir haben Ihnen einen Antrag dazu vorgelegt, Sie haben ihn noch nicht einmal aufgegriffen. Sie versuchen, ihn im Wirtschaftsausschuß abzubügeln.
Lassen Sie mich Ihnen zum Mittelstand noch einen weiteren Punkt sagen. Dies wirft ein Schlaglicht auf die Debatte. Der Bundeswirtschaftsminister hat in der vergangenen Periode seinen Verbleib im Amt an das Rabattgesetz gekoppelt. Das hat er mehrfach gesagt, und er ist damit auf die Nase gefallen oder, wie Berliner sagen - und der Wirtschaftsminister hat
Ernst Schwanhold
ja in Berlin gelebt und gearbeitet -, auf die Schnauze gefallen, dies übernehme ich gerne. Ich sage Ihnen: Es wird ihm mit dem Ladenschlußgesetz ganz genauso gehen,
aus folgendem Grund: Erstens hat er die Interessen des Mittelstands nicht im Auge,
zweitens hat er die Interessen der Beschäftigten nicht im Auge,
und drittens befaßt er sich mit der Fußnote zur Wirtschaftspolitik „Schöner einkaufen löst die Schwierigkeiten beim Arbeitsmarkt".
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie sollten sich zu den Währungsfragen äußern, Sie sollten sich zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit äußern und nicht diese Republik ein Jahr lang mit dem Ladenschlußgesetz beschäftigen.