Rede von
Dr.
Graf
Otto
Lambsdorff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Schwanhold, ich bedanke mich für die Frage. Ich kann nur das wiederholen, was ich vor Monaten genau zu diesem Thema hier gesagt habe. Die neue Entwicklung internationaler Arbeitsmärkte, die neue Arbeitsteilung, die sich insbesondere bei den Arbeitseinkommen zwischen Zentral- und Osteuropa und uns ergeben hat, stellt uns vor ganz neue Fragen und Probleme, die nicht dadurch gelöst werden können und sollen, daß wir auf das heutige Einkommensniveau von Polen, Ungarn und der Tschechei zurückgehen können und wollen.
- Warten Sie doch einmal ab! Es kann Ihnen heute niemand eine Zahl in Prozentsätzen sagen. Außerdem bin ich nicht eine Tarifvertragspartei. Sie verwechseln dauernd den Staat mit den Tarifvertragsparteien.
- Moment mal! Wer tritt denn für die Festlegung gesetzlicher Mindestlöhne ein, die noch 2 DM über dem untersten Tariflohn der Facharbeiter der Metallindustrie liegen? Das sind doch wohl Sie, nicht ich. Ich bin gegen solche gesetzlichen Mindestlöhne.
- Natürlich wollen Sie das. Wenn Sie den Gesetzentwurf aus Berlin nicht kennen, dann reden Sie hier nicht über Tatsachen, von denen Sie keine Ahnung haben. Entschuldigen Sie vielmals. So geht es ja nun nicht.
Hier gibt es nur eine Möglichkeit: daß wir Arbeitsplätze entwickeln, und zwar über Innovationen, über eine engere Anbindung der Ergebnisse der Wissenschaft an die Unternehmen und über eine schnellere Umsetzung neuer Produkte.
Wir müssen Arbeitsplätze entwickeln, die sich mit einem hohen Einkommensniveau und einem hohen Sozialniveau vertragen. Dann stellt sich die jedenfalls für uns sehr entscheidende Frage: Was machen Sie mit den Menschen - das alles habe ich hier schon einmal vorgetragen -, die den Ansprüchen hochqualifizierter Arbeitsplätze nicht standhalten können? Nicht können, nicht weil sie es nicht wollen; um diejenigen habe ich keine große Sorge.
Da kommt die Überlegung, die die F.D.P. unter dem Stichwort negative Einkommensteuer oder Bürgergeld in die Diskussion gebracht hat. Es ist wirklich zu überprüfen, wie man jemandem hilft, der einen Teil seines Einkommens durch eigene Leistungen erwerben kann und den anderen Teil vom Staat erhält, so daß er seine Existenz fristen kann, damit nicht ein so großer Teil von Menschen durch den Rost der Gesellschaft fällt und dauerhaft arbeitslos bleibt.
Dr. Otto Graf Lambsdorff
Das sind zwei Denkansätze, neben dem Abbau der Sozialausgaben, neben dem Abbau der hohen Sozialbelastungen, neben dem Abbau der hohen Steuern, neben dem Abbau der Überregulierung in Deutschland. Das sind die Ansätze, die wir verfolgen müssen. Ich sehe keinen anderen Weg, um wenigstens eine Besserung - nicht eine Beseitigung der Arbeitslosigkeit - zu erreichen. Ihre Positionen verfestigen die Arbeitslosigkeit, und dem werden wir nicht folgen.