Rede von
Dr.
Graf
Otto
Lambsdorff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege, glauben Sie denn im Ernst, ich würde mich darauf beschränken, diesen einen Satz zum Thema IG Metall und Klaus Zwickel zum besten zu geben? Nehmen Sie Platz! Ich sage Ihnen dazu noch einiges. Ich bin dabei.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich hat der IG Metall-Vorsitzende in einer Zeit des Mitgliederschwundes auch die Organisationsinteressen seiner Gewerkschaft im Blick. Das kann ihm auch niemand verdenken. Aber ebensowenig darf man es uns verdenken, wenn wir sagen: Wer durch die Türe gehen will, darf sie nicht nur einen Spalt öffnen. Arbeitszeitkonten, Verzicht auf reale Lohnerhöhungen, Einstiegstarife für Langzeitarbeitslose - das zielt richtig. Aber sind flächendeckende Tarifabschlüsse ohne die Beweglichkeit durch Öffnungsklauseln zu halten? Ich denke, daß sich ohne solche Hilfen die Schwächung der Organisationen beider Tarifvertragsparteien fortsetzen wird. Sie werden weiter Mitglieder verlieren.
Die IG Metall verlangt das Ende des Sozialabbaus.
- Der Beifall ist immer billig und schnell gegeben. - Aber wie schaffen wir dann die Entlastung der Arbeitskosten von Steuern und Abgaben?
Deren Höhe treibt doch Arbeitsplätze ins Ausland. Sie hindert doch ausländische Investitionen in Deutschland.
Selbstverständlich gehört dazu der Abbau von Subventionen.
Genau das, was Frau Hermenau zum Thema große und kleine Unternehmen bei der Subventionsveranstaltung gesagt hat, habe ich hier in der DASA- Debatte vorgetragen. Nur, da haben die Vertreter der Grünen etwas anderes erzählt. Das hängt mit der wechselnden Sprecherrolle zusammen.
Ich begrüße es ja, daß Herr Bundesminister Bohl gestern erklärt hat, die Steinkohleförderung sei finanziell nicht weiter durchzuhalten. Auch späte Erkenntnisse, verehrter Kollege Bohl, werden gutgeheißen und gerne zur Kenntnis genommen. Aber was geschieht denn in der Wirklichkeit? Die Europäische Kommission - um nur ein Beispiel zu nennen - ist dabei, der Chemiefaserindustrie gegen ihren Willen eine europäische Beihilfe aufzuzwingen. Die will das gar nicht, aber weil alle eine Beihilfe bekommen sollen, soll dieser Industriezweig sie auch nehmen. Das ist ein unglaublicher Vorgang, und ich frage die Bundesregierung, was sie dagegen tut.
Die Kürzung der Arbeitslosenhilfe ist für manchen bitter. Aber ich frage: Wie soll es denn anders gehen, wie denn bitte?
- Sie wollen immer nur nach dem Motto verfahren: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß! Das ist nicht so zu haben.
Aber wie soll es denn wohl anders gehen? Das wird und es darf auch leider nicht der letzte Schritt sein.
Im übrigen trägt dies ja auch zur Sicherung des Bundeshaushalts bei; ich vermeide selbstverständlich das schnöde Wort Haushaltssicherungsgesetz.
Im Hause des Gehängten spricht man nicht vom Strick, und den Strick nennen wir jetzt ja auch Stabilitätspakt.
Meine Damen und Herren, Beschäftigungsgarantien verlangt die IG Metall. Die Verbände sagen, sie könnten ihre Mitglieder nicht rechtlich binden. Das stimmt ja auch, und das weiß auch Herr Zwickel. Selbst ein Unternehmen wird eine solche Zusage nur selten wagen. Was soll es denn tun, wenn Aufträge ausbleiben? Für Nichtstun Löhne zahlen bis zur Konkursreife? So geschehen in der DDR!
Fazit: Der Vorstoß der IG Metall führt zu vielen Fragen. Das ist keine nur kritische Anmerkung; im Gegenteil. Wenn es zu einer realitätsbezogenen Diskussion kommt, dann sieht die F.D.P. hier eine bessere Chance für bessere Lösungen für Millionen von Menschen, die Arbeit suchen.
Praktischer Sinn und Nüchternheit sind gefragt, nicht die Weltuntergangsszenarien, aber auch nicht das Hoffen auf Wunder. Die erreicht man nämlich nur durch eigene Anstrengungen. Das haben wir in den Nachkriegsjahren erfahren und hoffentlich nicht alle vergessen, obwohl Ihre Einwürfe etwa zur Finanzierung von Wohnungsbau unter Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen dies nahelegen;
Dr. Otto Graf Lambsdorff
denn das war beim Wohnungsbau das Rezept, mit dem Ludwig Erhard dieses vollständig zerstörte Land wieder aufgebaut hat.