Rede von
Claudia
Nolte
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Zeiten knapper Kassen können nicht alle Wünsche erfüllt werden. Ich bin entschieden dafür, daß wir sparen, weil ich es nicht gut finde, heute das Holz zu verbrennen, an dem sich unsere Kinder die Hände wärmen sollen.
Um so wichtiger ist es, Prioritäten zu setzen. Das ist uns mit diesem Haushalt gelungen. Wir machen unsere Zusagen wahr und entlasten die Familien ab 1996 mit zusätzlich 7 Milliarden DM.
Mein besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang den Berichterstattern der beiden Ausschüsse und den Mitgliedern des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Haushaltsausschusses. Sie waren mit viel Engagement dabei, und die Beratungen waren bis kurz vor dieser Sitzung hier im Plenum sehr konstruktiv.
Ich bin sehr zufrieden, daß es neben den spürbaren Verbesserungen beim Familienlastenausgleich gelang, die Kontinuität für alle Bereiche zu sichern und dadurch eine Verstetigung der Arbeit zu ermöglichen. Frau Klemmer, hier von Erstarrung zu sprechen, finde ich mehr als unangebracht.
Was haben Sie damals in der sozialliberalen Koalition gemacht? Sie haben zum Beispiel das Kindergeld gekürzt, als es in der Kasse knapp wurde. Es dürfte sich auch bis zu Ihnen herumgesprochen haben, daß die Hauptverantwortlichen für diese Bereiche die Länder sind. Was passiert denn phantasievolles in den SPD-regierten Ländern?
Ihre Rede hätten Sie im niedersächsischen Landtag nicht halten dürfen, weil Sie dort nicht von Kontinuität oder „Weiter so" reden können.
Dort wird gekürzt.
Es wurde der Neunte Jugendbericht angesprochen. Ich möchte ihn als ein Beispiel aufgreifen. Gerade dort wird bei all den Dingen, die noch zu machen sind, ausdrücklich anerkannt, was der Bund in den neuen Bundesländern in dieser kurzen Zeit geleistet hat. Das, was dort an Forderungen erhoben wird, wird auch klar an die Länder gerichtet, die jetzt ihrer Verantwortung gerecht werden müssen. Insofern finde ich es sinnvoll, daß wir die Zuordnung richtig gestalten.
Wir haben durchgesetzt, daß im Investitionsförderungsgesetz für die neuen Bundesländer auch Investitionen für den Jugendbereich gefördert werden können. Das sind 6 Milliarden DM pro Jahr für zehn Jahre. Jetzt liegt es an den Ländern, diese Mittel auch dort zu investieren. Unterstützen Sie da Ihre Mitstreiter in den Ländern!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unverzichtbar für unser Land, daß junge Menschen Bedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, ihren Wunsch zu verwirklichen, in Familien, mit Kindern zu leben. Natürlich entscheiden in einer freiheitlichen Gesellschaft zuallererst die Menschen selber darüber, wie sie zusammenleben und ob sie es tun. Sie geben ihrem Familienleben selber einen Sinn. Aber wir sind als politisch Verantwortliche im Bund, in den Ländern und in den Kommunen selbstverständlich gefordert, Leistungen der Familien anzuerkennen und zu fördern. Hierzu hat die Bundesregierung mit der Neuregelung des Familienlastenausgleichs einen wichtigen Beitrag geleistet. Ich erinnere auch an die neue Wohnbauförderung, mit der ganz klare familienpolitische Prioritäten gesetzt wurden.
Es ist richtig, Frau Klemmer: Wir sind auch in Zukunft gefordert. Sie sprachen zu Recht die Nichterhöhung der Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld an. Es ist mein fester Wille, hier eine Erhöhung in dieser Legislaturperiode zu erreichen. Das hat für mich Priorität. Ich hoffe da auf Ihre Unterstützung. Sie wissen, man kann nicht alles auf einmal und sofort durchsetzen.
Um so besser war es, daß wir 3 Millionen DM zusätzlich für die Sexualaufklärung zur Verfügung stellen können. Gerade im Hinblick auf unser gemeinsames Anliegen, Abtreibungen zu verhindern - ich hoffe zumindest, daß wir hier ein gemeinsames An-
Bundesministerin Claudia Nolte
liegen vertreten -, sind diese zusätzlichen Mittel ganz besonders wertvoll.
Für die Zukunft der Familien wie für die Zukunft unserer Gesellschaft insgesamt ist entscheidend, daß Familie und Erwerbsarbeit miteinander vereinbart werden können. Auch hier sind in erster Linie die Tarifpartner gefordert. Gerade dem Bereich flexible Arbeitszeiten kommt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Bedeutung zu. Deshalb werden wir unsere Modellprojekte in diesem Bereich fortsetzen, zum Beispiel die Mobilzeitberatung, indem wir Betrieben Unterstützung anbieten, qualifizierte Teilzeitarbeit auch in Fach- und Führungspositionen einzusetzen.
Mit einem Projekt zur Förderung der beruflichen Selbständigkeit von Frauen als Beitrag zur kommunalen Wirtschaftsentwicklung wollen wir die Voraussetzungen dafür verbessern, daß sich Frauen anspruchsvolle und erfolgversprechende Tätigkeitsfelder für eine Existenzgründung in ihrem Umfeld erschließen können. Ich habe am 9. Oktober dieses Jahres in Thüringen eine Arbeitsmarktkonferenz durchgeführt. Ich will in allen neuen Bundesländern gemeinsam mit den Wirtschaftsministern, den Tarifparteien, Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaftsförderung sowie der Arbeitsverwaltung alles dafür tun, daß wir gemeinsam Strategien und Wege erarbeiten, die den Frauen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Denn es kann nicht sein, daß wir uns mit einem geteilten Arbeitsmarkt abfinden, den Männern den ersten, den Frauen den zweiten.
Deshalb ist es natürlich notwendig, diejenigen, die die Hauptverantwortung für den ersten Arbeitsmarkt tragen, mit in die Pflicht zu nehmen und ihnen deutlich zu machen, daß sie sich für Chancengleichheit einsetzen müssen.
- Zum Beispiel diese Konferenzen, dieses Miteinander-Reden.
Daß die Gleichberechtigung von Frau und Mann noch nicht verwirklicht ist, hat auch die vierte Weltfrauenkonferenz in Peking noch einmal aufgezeigt. Für Deutschland wird dies ganz klar deutlich, wenn wir uns anschauen, wie hoch der Frauenanteil in Führungspositionen ist, egal ob in Politik oder Wirtschaft, und wir die Benachteiligungen von Frauen auf dem ersten Arbeitsmarkt erleben. Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an den wirtschaftlichen Ressourcen und den politischen Entscheidungen zu verwirklichen steht für mich deshalb im Vordergrund. Ich habe in der Debatte zum Urteil des Europäischen Gerichtshofes meine Haltung zum vierten Aktionsprogramm Chancengleichheit deutlich gemacht, und ich bleibe dabei. Ich will dieses Programm und werde mich dafür stark machen.
- Wir müssen uns in der Bundesregierung schon einig werden. Ich habe gesagt, ich trete dafür ein und kämpfe, Herr Diller. Ich weiß, daß Sie sich in der SPD-Fraktion immer einig sind, vor allen Dingen in der Partei. Darauf können wir bauen.
Ich setze mich mit meiner Politik im „Haus der Generationen" für eine Partnerschaft der Geschlechter, aber auch für ein Miteinander der Generationen ein. Denn Politik für und mit Senioren ist gerade angesichts der demographischen Veränderungen in unserer Gesellschaft, des Zuwachses an älteren Menschen notwendig. Es ist erforderlich, ältere Menschen in unser Politikfeld einzubeziehen, sie in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Aufgabe ist es vor allen Dingen, daß sich alte Menschen am gesellschaftlichen Leben beteiligen können und daß sie sich mit ihrer Lebenserfahrung und Kompetenz in die Gesellschaft einbringen. Hier zu behaupten, wir täten nichts dafür, geht an der Realität wirklich völlig vorbei. Wir haben den Bundesaltenplan als das Förderinstrument zwar noch nicht allzulange. Er erweist sich aber als besonders effektiv. Ich will in der nächsten Zeit Schwerpunkte in dem Bereich „Wohnkonzepte der Zukunft" setzen.
Wir haben mit dem Modellprogramm Seniorenbüro ein hervorragendes Beispiel dafür geliefert, wie man Anlaufpunkte schaffen kann. Auf diese Weise wird älteren Menschen ermöglicht, mit Freunden zusammen zu sein und ihre Freizeit selber zu gestalten. Für mich ist dabei wichtig: Das können auch Treffpunkte sein, wo Begegnungen über Generationengrenzen hinweg stattfinden. Ich bin dafür eingetreten, daß wir über Mittel des Kinder- und Jugendplanes sowie des Bundesaltenplanes solche Aktivitäten in besonderer Weise fördern, die vor allem dem Dialog der Generationen dienen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einem Europa, das zusammenwächst, ist auch das Miteinander über Grenzen hinweg unverzichtbar. Von diesem Gedanken wird die internationale Jugendarbeit getragen. Dabei ist die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn im Osten ein Schwerpunkt. Denn für mich ist es wichtig, daß gerade im Bewußtsein der jungen Generation Europa nicht an Oder und Neiße endet, sondern daß wir ein Bewußtsein für das ganze Europa schaffen.
Ausdrücklich hat der deutsch-polnische Jugendrat kürzlich in Warschau das große Interesse junger Deutscher und Polen an gegenseitigen Begegnungen begrüßt. Zirka 60 000 Jugendliche aus beiden Ländern wurden 1995 aus Mitteln des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes unterstützt. Ich habe mich erfolgreich dafür stark gemacht, daß die Regierungs-
Bundesministerin Claudia Nolte
beiträge der deutschen und der polnischen Seite erhöht werden.
Auch bei den freiwilligen Jahren für junge Menschen im Inland habe ich Verbesserungen erreicht, da es notwendig ist, Bewährungsfelder für sie zu schaffen. Mit dem freiwilligen sozialen und ökologischen Jahr erhalten junge Menschen die Chance, sich unter Beweis zu stellen und sich gleichzeitig für andere Menschen zu engagieren.
Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen. Die Lösung schwieriger Probleme in vielen Bereichen hängt davon ab, ob wir es schaffen werden, Einzelinteressen zurückzustellen und zu überwinden und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen. Nur im Miteinander der Generationen und in der Partnerschaft zwischen Mann und Frau entsteht das menschliche Klima, das für die Zukunft unseres Landes so entscheidend ist.
Vielen Dank.