Rede von
Heinz
Lanfermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Tatsache, daß jetzt ein Mann zu diesem Thema spricht, in den Reihen der SPD-Fraktion wieder einmal zu bestimmten Bemerkungen geführt hat, darf ich einmal daran erinnern, daß Sie dieses Feld der Politik offensichtlich für so wichtig halten, daß ich unter den gut zwanzig Mitgliedern Ihrer Fraktion, die anwesend sind, gerade vier oder fünf Männer sehen kann. Es könnten ja auch ein paar mehr sein.
Nachdem der Kollege Jacoby dankenswerterweise vieles von dem, was die Kollegin Klemmer an Falschem und zum Teil wirklich nicht Hinnehmbarem gesagt hat, schon behandelt hat, kann ich direkt auf den Haushalt und auf Zahlen zu sprechen kommen. Die Haushaltsberatungen für das Jahr 1996 sind nicht einfach, und Sparen ist dringend nötig. Alle Gruppen der Gesellschaft müssen ihre Ansprüche an den Staat zurückschrauben.
Vor diesem Hintergrund und dem Leitgedanken der Haushaltspolitik der F.D.P., bei strikter Ausgabendisziplin in entscheidenden Bereichen Prioritäten zu setzen, verdient der Einzelplan 17 Anerkennung. Trotz der Vorgabe, auch aus gesamtwirtschaftlicher Verantwortung die Ansätze des laufenden Jahres 1995 nicht zu überschreiten, werden die Finanzmittel für die Familien nicht gekürzt. Im Gegenteil: Es gibt viel mehr Geld, insbesondere weil die Eltern ab 1996 für das erste und das zweite Kind monatlich ein Kindergeld von 200 DM, für das dritte Kind 300 DM und ab dem vierten Kind 350 DM erhalten und weil dieser Ansatz - wie jetzt schon feststeht - zum 1. Januar 1997 für das erste und das zweite Kind auf 220 DM im Monat bei gleichzeitiger Erhöhung der Kinderfreibeträge erhöht wird.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich glaube nicht, daß es die Familien sonderlich interessiert, aus welchem Haushaltstitel das Geld kommt, das sie jetzt mehr bekommen. Es geht vielmehr darum, daß diese Leistung erbracht wird.
Das können Sie nicht mit „bürokratischen" Finessen versuchen geringzureden.
Diese Neuregelung des Leistungsausgleichs ist gleichzeitig der Einstieg in eine dynamische Familienförderung, denn wir werden in Zukunft über die Höhe von Kindergeld und Kinderfreibetrag politisch entscheiden. Wir haben ein neues Verwaltungsverfahren, das einen guten Einstieg bietet, zum einen in das Bürgergeldsystem, zum anderen in die Verwaltungsvereinfachung. Dadurch werden viele Verwaltungen entlastet, so daß wir dort hohe Beträge sparen, die wir den Kindern und Eltern zugute kommen lassen können. Das sei nur am Rande erwähnt.
Eine solche Leistungssteigerung von über 6 Milliarden DM geringzureden, das sollte eigentlich nicht einmal der Opposition gut anstehen. Sie wissen, daß das auch in der Öffentlichkeit so gesehen wird.
Wir können natürlich nicht über Familien- und Frauenpolitik sprechen, ohne über das Thema „Kindergartenplatz und Betreuungsangebote" zu reden, zumal es gerade in diesen Tagen wieder eine große Diskussion gibt. Ich darf noch einmal zur Erinnerung sagen: Im Juni 1992 hat der Bundestag einmütig den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz be-
Heinz Lanfermann
schlossen, und zwar für jedes Kind ab Vollendung des dritten Lebensjahres; das ist der dritte Geburtstag - dies für alle, die das mittlerweile offensichtlich vergessen haben; also nicht irgendein Tag nach dem dritten Geburtstag, sondern der dritte Geburtstag.
Auch die Länder haben bis auf eine Ausnahme diesem Gesetz zugestimmt, und sie haben nachher noch erheblich mehr Geld vom Bund bekommen, um diese Aufgabe zu schultern. Vielleicht wäre es in manchen Ländern ja einmal eine Idee gewesen, das Geld an die Gemeinden weiterzuleiten.
Dann stünden die nämlich jetzt nicht vor so großen Schwierigkeiten.
Es wird eingeredet, man plane etwas Gutes, nämlich eine Stichtagsregelung, die aber etwas Schlechtes ist. Das bedeutet ja nur, daß Hunderttausende von Kindern nicht - wie von allen Parteien versprochen - am dritten Geburtstag ihren Kindergartenplatz erhalten, sondern erst ein halbes oder sogar ein ganzes Jahr später. Im Bundesrat haben Länder dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt, den man unter verständigen Abgeordneten eigentlich nur als eine Unverschämtheit bezeichnen kann, weil darin nichts von den Fakten steht, sondern nur das Begehren an uns gerichtet wird, wir mögen ihnen doch unbefristet die Möglichkeit zu einer solchen Stichtagsregelung lassen. Ich sage Ihnen für die F.D.P.: Wir entlassen die Länder nicht aus ihrer Verantwortung, und der Anspruch auf einen Kindergartenplatz darf nicht ausgehöhlt werden.
Anfang dieser Woche hat eine Anhörung zu dieser Frage stattgefunden. Auf meine Nachfrage sah sich der Vertreter der federführenden Landesregierung Schleswig-Holstein nicht in der Lage, konkrete Zahlen zu nennen, wie viele Plätze fehlten und wie hoch die finanzielle Entlastung durch die Stichtagsregelung ausfallen solle, und zu sagen, wie und in welchen Zeiträumen die säumigen Länder die fehlenden Plätze bereitzustellen gedächten. Eine solche Darstellung, verbunden mit einem konkreten Plan und einer verbindlichen Zusage, wäre doch wohl das mindeste gewesen, was man von denen erwarten kann, die ihrerseits vom Deutschen Bundestag die Zustimmung dazu erwarten, ihre Versäumnisse nachträglich zu genehmigen.
Deswegen wird es keine Lösung geben, die den Ländern einfach - sozusagen als Blankoscheck - erlaubt, diese Dinge weiter vor sich hin zu schieben. Im übrigen konnten oder wollten die Vertreter der Gemeinden nicht garantieren, daß mit Auslaufen einer eventuellen Verlängerung die Kindergartenplatzgarantie vollständig erfüllt würde.
Frau Niehuis, ich wäre an Ihrer Stelle in dieser Diskussion sehr zurückhaltend.
- Weil Sie zwischen Baum und Borke sitzen, weil Sie
der Bevölkerung dauernd etwas versprochen haben,
weil Sie diesen Anspruch hier mit beschlossen haben
und stolz darauf waren und weil jetzt Ihre Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern kommen und Sie drängen, hier für eine Lösung durch einen Gesetzentwurf einzutreten, der - ich sage es noch einmal - eine Zumutung ist, da nicht einmal eine einzige Zahl darüber, was denn nun eigentlich passieren soll, in ihm enthalten ist, und hier praktisch Hilfestellung für den Bundesrat zu leisten.
Ich will noch einen Punkt dazu sagen. Frau Ministerin Nolte, ich habe es sehr begrüßt, daß Sie am 6. November im Süddeutschen Rundfunk, 1. Programm, ein Interview mit folgendem klaren Satz gegeben haben: Mit mir wird es eine Aushöhlung des Kindergartenplatzanspruches nicht geben. Das war eine ganz klare, eindeutige Aussage. Das fand ich hervorragend.
Das hatte sich leider nicht bis in Ihr Haus herumgesprochen; denn da ist eine ganz bedauerliche Panne passiert, daß nämlich in einem Faltblatt steht: Bundestag und Bundesrat wollen deshalb noch vor dem Jahresende 1995 eine Übergangsregelung für die Zeit bis Ende 1999 beschließen. Das kann nur eine ganz bedauerliche Panne sein. Denn erstens wäre es nicht so ganz das, was Sie gesagt haben, und zweitens muß da wohl ein Beamter nicht aufgepaßt haben; denn die Gesetze beschließt der Bundestag, und er und nicht die Bundesregierung beschließt auch, ob er Gesetze beschließen will. Ich bin sicher, daß Sie diese Panne ausräumen und daß wir dann ein Faltblatt bekommen, das den Realitäten entspricht.