Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann sogar verstehen, wenn meine Kollegin Titze-Stecher sagt, sie werde diesen Etat ablehnen; denn sie hat ja ein Szenario beschrieben, bei dem auch ich diesem Etat nicht zustimmen könnte.
Nur, die Welt in Deutschland sieht anders aus. In einigen Punkten wird der Minister sicherlich selber einiges dazu sagen; denn ich erinnere mich an seine hervorragenden Vorschläge zur Verschlankung des Staates. Das ist ein wichtiges Thema. Die 70 000 Vorschriften, die uns alle und die Verwaltung belasten, sind uns allen in der Tat ein Dorn im Auge.
Ich bin allerdings auch sicher, daß manches, was Sie zu den Aussiedlern gesagt haben, wirklich an der Sache vorbeigeht. Es ist eine hervorragende Doppelstrategie in der Aussiedlerpolitik, daß der einzelne von den vier Millionen, die in Osteuropa leben, die Chance hat, entweder dort zu bleiben und sich mit deutscher Hilfe Infrastruktur zu schaffen oder jetzt oder später im Rahmen der Kontingente nach Deutschland zu kommen.
Das ist eine hervorragende Idee, die diese Bundesregierung vertreten hat und für die sie immerhin, was die Eingliederung und die Unterstützung der Minderheiten in Ost- und Mitteleuropa angeht, 1996 in mehreren Einzelplänen insgesamt 3,5 Milliarden DM ausgibt.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit gerade auch den sozialen Betreuungsverbänden sehr herzlich danken, mit deren Hilfe es gelingt, diese Deutschen, die in harten Zeiten in Rußland und anderswo ausgeharrt haben, hier zu integrieren.
Ein weiterer Punkt: Es ist richtig, daß die Ausgaben für die innere Sicherheit - wie Kollegin Titze-Stecher gesagt hat - um 200 Millionen DM zunehmen, und das in einer Situation, da der Haushalt - erstmals übrigens seit 1949 - abgesenkt wird. Das ist ein Ausweis der Glaubwürdigkeit dieser Bundesregierung; denn innere Sicherheit gehört zum Schwerpunktthema, das sich diese Bundesregierung und diese Koalition gestellt haben.
Deshalb ist es auch richtig, daß hier 200 Millionen DM mehr für diesen wichtigen Bereich ausgegeben werden.
Das sind Personalkosten, das betrifft wichtige Anstrengungen der Organisationen, die mit der Verbrechensbekämpfung befaßt sind. Neben gesetzlichen Maßnahmen wie Geldwäschegesetz und Kronzeugenregelung müssen auch die sonstigen Ausstattungen unserer Polizeiorgane den Anforderungen angepaßt werden, die zu erfüllen sind, wenn Drogen- und Menschenschmuggel oder organisierte Kriminelle, die heute grenzüberschreitend operieren, erfolgreich bekämpft werden sollen.
Der Bundesgrenzschutz hat sich seit 1990 grundlegend verändert. Die offenen Grenzen im Osten, das Schengener Abkommen im Westen, die neuen Tätigkeitsfelder Bahnpolizei und Luftsicherheit erlauben heute durchaus den Vergleich mit der Schutzpolizei der Länder. Die Forderung, wenn sich die Aufgaben angleichen, dann auch bei Planstellen, Besoldung und Beförderung für Vergleichbarkeit zu sorgen, halte ich für berechtigt. Ich will hier ausdrücklich festhalten, daß es unsere feste Absicht ist, die entsprechenden Strukturen beim Bundesgrenzschutz denen der Polizeien der Länder mittelfristig anzugleichen.
Wir haben 1995 einen wichtigen Schritt mit 3 000 Stellenhebungen von A 7 nach A 8 getan. Für 1996 können wir bei immerhin 1 000 Hebungen davon ausgehen, daß auf Grund der Beförderungschancen für Beamte, die auf Planstellen nachrücken können, die andere freigemacht haben, beim Bundesgrenzschutz etwa 2 000 Beamte befördert werden können.
Ich will ausdrücklich anerkennen, daß Sie, Herr Minister Kanther, die regionale Verteilung der Planstellen nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgenommen haben, sondern Bef örderungsmöglichkeiten
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff
gezielt dort schaffen, wo Unterdeckung im Personalbestand vorhanden ist. Ich halte das für einen hervorragenden Ansatz, im bestehenden Recht die Mobilität unserer Beamten zu fördern.
Da wir in diesem Jahr, wie jedermann weiß, in einer besonders schwierigen finanziellen Situation stehen, müssen wir uns für 1996 mit den genannten Verbesserungen abfinden. Ich will aber noch einmal ausdrücklich erklären: Es ist der Wille der Koalition, daß der Bundesgrenzschutz Anschluß an die Verhältnisse der Schutzpolizei der Länder findet.
Wir unterstützen nachdrücklich die Bemühungen des Bundesinnenministers, weiterhin vorhandenes, aber bei verschiedenen anderen Behörden nicht mehr benötigtes Personal umzusetzen. Dies gilt vor allem für das Bundesamt für die Anerkennung von ausländischen Flüchtlingen. Daß bei diesem Bundesamt weniger Arbeit anfällt, als noch vor einigen Jahren angenommen, will ich ausdrücklich als einen Erfolg unserer gemeinsamen Bemühungen um die Verbesserung des deutschen Asylrechts anerkennen.
Heftige Kritik haben Sie, Herr Minister Kanther, wegen der Abschiebung der Sudanesen vom Frankfurter Flughafen einstecken müssen - Kritik, die sich im nachhinein als völlig unhaltbar erwiesen hat, auch durch die Aussagen der betroffenen Menschen selbst, die sich dann eindeutig als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge zu erkennen gegeben haben. Sie, Herr Minister Kanther, haben der Glaubwürdigkeit der deutschen Politik einen guten Dienst erwiesen.
Der Bundesgrenzschutz konnte seit Beginn dieses Jahres allein an unseren Westgrenzen - dies ist ein Problem, das ich als Abgeordneter, dessen Wahlkreis unmittelbar betroffen ist, sehr gut nachvollziehen kann - die illegale Einreise von 2 267 Personen verhindern. Was besonders festgehalten werden muß: Es konnten 157 professionelle Schlepper festgenommen werden.
Mit dem Inkrafttreten des Schengener Durchführungsabkommens im März dieses Jahres sind die Befugnisse des Bundesgrenzschutzes an den deutschen Westgrenzen im wesentlichen auf das Tätigwerden bei konkreten Verdachtsfällen und auf die beobachtende Präsenz reduziert worden. Als Abgeordneter aus einem großflächigen Wahlkreis mit unendlich langen grünen Grenzen zum Elsaß und zu Lothringen weiß ich offene Grenzen als eine hervorragende Errungenschaft eines zusammenwachsenden Europas zu schätzen. Aber ich weiß auch um die Besorgnis der Bevölkerung vor steigender Bedrohung durch die zunehmende internationale, grenzüberschreitende Kriminalität durch Schlepperbanden und Drogenschmuggel.
Ich halte es deshalb für eine wichtige Aufgabe der inneren Sicherheit, daß auch künftig die Lageentwicklung an unseren Westgrenzen und im grenznahen Raum sorgsam beobachtet wird. Dies kann, wie jüngst von unseren französischen Nachbarn vorgeschlagen, durch gemeinsame mobile Polizeieinheiten geschehen oder auch durch Kontrollen hinter der Grenze, wie dies in Bayern vorgesehen ist.
Die Verhütung von Straftaten allerdings gebietet in jedem Fall derartige Maßnahmen, sei es durch die Länderpolizeien oder durch den Bundesgrenzschutz. Ich bin sehr sicher: Dies findet auch die nachdrückliche Unterstützung der betroffenen Bevölkerung.
Politischer Handlungsbedarf besteht in bezug auf das Schleusen von Menschen aus dem Balkan über Italien nach Deutschland. Dies ist keineswegs eine theoretische Mahnung an die Adresse der Bundesregierung, sondern hat den sehr konkreten Hintergrund, daß nach wie vor Personen - oft von Schleppern geführt - illegal über die deutsch-französische Grenze nach Deutschland einreisen.
Da es zwischen Italien und dem ehemaligen Jugoslawien keine Visumpflicht gibt, kann es nicht verwundern, daß auch Schlepperbanden diesen Weg mißbrauchen. Um die illegale Zuwanderung wirksamer unterbinden zu können, sollte deshalb Italien mit Nachdruck ersucht werden - wie die übrigen EU-Mitgliedsländer auch -, die Visumpflicht für Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien einzuführen. Herr Minister, ich möchte Sie ausdrücklich auffordern, dies mit Nachdruck gegenüber unseren Freunden in Italien zu betreiben.
Die innere Sicherheit gehört zur „political hardware" des Bundesinnenministeriums und des Einzelplans 06. Angesichts der Härte und der Schwierigkeiten dieses Aufgabenbereiches ist es auch für den Berichterstatter im Haushaltsausschuß fast erholsam, jedenfalls angenehm, auch für schönere Dinge verantwortlich zu sein. Meine Kollegin hat ja am Ende noch ein wenig zur Kulturpolitik ausgeführt. Ich füge ausdrücklich hinzu: Auch der Sport gehört dazu. Es ist erfreulich, daß in diesen Politikfeldern bei allen politischen Gruppierungen ein hohes Maß an Konsens vorhanden ist.
Lassen Sie mich einige Sätze zur Sportförderung sagen. Wir erkennen die Bemühungen des Deutschen Sportbundes ausdrücklich an, gemeinsam mit den Fachverbänden das Stützpunktsystem effizienter zu gestalten. Hier zeigt sich jedoch, daß erst der sanfte Zwang der Verhängung der qualifizierten Sperre durch den Haushaltsausschuß im Ergebnis zu einer Konzentrierung der Stützpunkte geführt hat. Dies hat nichts mit einer „Inquisition, die ihre Instrumente zeigte", wie eine namhafte Zeitung einmal schrieb, zu tun. Ich hoffe, daß die im Bericht des Bundesinnenministers angekündigten weiteren Zusammenlegungen auf bis zu 13 Bundesleistungszentren mit den Fachverbänden nunmehr auch zügig vereinbart werden können.
Auch für das Jahr 1996 haben wir im Ausschuß wieder zwei qualifizierte Sperren im Bereich des Sportes ausgebracht, nicht etwa um beim Sport zu sparen, sondern um den Einsatz der Steuergelder im Interesse des Sports, der Sportler und der Sportförde-
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff
rung, effizienter zu machen, letztlich also ausschließlich, um dem Sport zu nützen.
Die Sperre von 5 Millionen DM bei den Bundesleistungszentren soll ausschließlich gewährleisten, daß man das Konzept und den beschrittenen Weg nicht auf halbem Weg verlassen muß, sondern letztlich weiterverfolgen kann.
Zum zweiten haben wir beim Kölner Bundesinstitut für Sportwissenschaft eine Sperre von einer halben Million DM beschlossen. Sosehr ich von der wichtigen Arbeit dieses Institutes und der beiden aus DDR-Zeiten übernommenen nützlichen Einrichtungen, FES und IAT in Leipzig und Berlin, überzeugt bin, so sehr bin ich doch der Ansicht, daß der Bund nicht unbedingt drei voneinander unabhängige Institute braucht, um Sportforschung zu betreiben, da den Sportlern etwas geboten werden soll und nicht in erster Linie den Verwaltern, den Bürokraten und den Forschern.
- Nein, wir haben eine Sperre gemacht und erwarten einen Bericht. Jetzt sind diese Institute dran, und jetzt ist der Innenminister gefordert.
Insofern war vorher nichts zu besprechen. Wir haben nichts gekürzt, wir haben nichts weggestrichen, sondern wir erwarten einen Bericht und noch längst keinen Vollzug. Darüber wird auch mit den Fachleuten zu reden sein.
Meine Damen und Herren, das Sportmuseum in Köln hat uns einige Jahre lang beschäftigt. Wir haben insgesamt 6 Millionen DM dafür vorgesehen, nachdem nunmehr definitiv gesichert ist, daß der Bund für Betriebs- und Unterhaltungskosten nicht in Frage kommt. Ich möchte hinzufügen: Damit hat der Bund seine gesamtstaatliche Repräsentationspflicht, was Sportmuseen angeht, abschließend erfüllt.
Eine letzte Anmerkung zu dem sehr wichtigen und schönen Bereich der Kultur. In Deutschland trägt auch der Bund im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen und finanziellen Möglichkeiten Erhebliches zur Förderung der Kultur bei; mit rund 700 Millionen DM mehr als jemals zuvor im Etat des Bundesinnenministers.
- Ich stimme Ihnen zu, es ist zuwenig. Aber es ist natürlich bei der Entwicklungshilfe, bei der inneren Sicherheit, es ist überall zuwenig. Aber wir wissen eben auch das Geld des Steuerzahlers nur einmal auszugeben und versprechen nicht, die Mark dreimal auszugeben, obwohl wir sie nur einmal haben.
Um den notwendigen Freiraum für Kunst und Kultur zu sichern, konnten die meisten Fördermaßnahmen fortgeschrieben werden. Mehr als 60 Institutionen erhalten Mittel für Personalausgaben und Investitionen. 20 Einrichtungen werden als sogenannte Leuchttürme in den neuen Bundesländern gefördert - Leuchttürme der Geschichte und der Kultur unseres Landes, der Geisteswissenschaften, der Kunst und der Musik.
Gerade in Westdeutschland, meine ich, ist diesen Einrichtungen viel mehr Aufmerksamkeit zu wünschen; denn Luther, Bach, Goethe und Schiller, die Wartburg, das Bauhaus in Dessau oder die Preußischen Gärten in Potsdam, Cottbus und Muskau sind prägende Gestalten bzw. Institutionen unserer Nation. Wer sich hier umsieht, kann ermessen, daß die wiedergewonnene Einheit gerade auch uns Westdeutsche reicher gemacht hat
und vieles neu begreifen läßt, was über 40 Jahre verschüttet war.
Die europäischen Kulturminister haben uns Deutschen die große Chance gegeben, 1999 mit Weimar die „Kulturstadt Europas" zu präsentieren. Wir haben dafür den Bundeszuschuß von 24,5 Millionen DM so umgeschichtet, daß bereits im nächsten Jahr die ersten Vorarbeiten geleistet werden können. Bei einem Besuch unserer Berichterstattergruppe konnten wir uns vor Ort über Pläne informieren, übrigens auch über die wichtige Einbindung der nationalen Gedenkstätte Buchenwald in die Pläne für die Europa-Kulturstadt Weimar.
Wer sich in den neuen Bundesländern umsieht, wird bald feststellen, wie sehr die Denkmalpflege, von einigen Prestigeobjekten abgesehen, in 40 Jahren real existierendem Sozialismus schändlich vernachlässigt wurde. Quedlinburg ist dafür nur ein Beispiel. Für die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte Innenstadt wollen wir mit der bescheidenen Summe von nur einer halben Million Mark wenigstens symbolisch unsere Solidarität zeigen.
Ein auf fünf Jahre angelegtes Förderprogramm „Dach und Fach" soll zur baulichen Sicherung und Erhaltung denkmalgeschützter Objekte insgesamt in den neuen Bundesländern beitragen.
Jetzt will ich noch ein hartes, aber notwendigerweise deutliches Wort zum regionalen Förderprogramm sagen. Ich habe sehr viel Verständnis dafür, daß dies seit langem immer wieder gefordert wird. Aber Politik ist nun einmal die Kunst des Möglichen und nicht das Zauberwerk des Wünschbaren. Abgesehen von der verfassungsrechtlichen Verantwortung der Bundesländer für regionale Maßnahmen sieht sich der Bund auch vor der unüberwindbaren Hürde, ein solches Programm zu finanzieren. Ich halte es deshalb für ein Gebot der Redlichkeit, zu einem regionalen Förderprogramm dezidiert und definitiv nein zu sagen.