Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Investitionen in die Zukunft, die Förderung strukturellen Wandels, die Bekämpfung der Risiken für Wohlstand und soziale Sicherheit, dies sind die zentralen Themen des Haushalts 1996. Dabei gewinnt die Sicherung unserer Zukunft immer mehr eine internationale Dimension. Die Globalisierung der Güter-, Finanz- und Arbeitsmärkte ebenso wie die Globalisierung der Risiken durch grenzüberschreitende ökologische Probleme sowie soziale und ethnische Konflikte lassen
Bundesminister Carl-Dieter Spranger
uns immer weniger die Chance, Zukunftssicherung allein aus einer rein innenpolitischen Betrachtungsweise heraus zu betreiben.
Die deutsche Entwicklungspolitik der 90er Jahre ist wichtiger Bestandteil einer so verstandenen globalen Strategie. Entwicklungspolitik dient dem Frieden, indem sie zum Abbau wirtschaftlicher und sozialer Spannungen beiträgt. Sie hilft, die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen zu erhalten, und sie unterstützt die Menschen in ihrem Bemühen, ihr Leben aus eigener Kraft zu gestalten. Damit wirkt die Entwicklungspolitik der Bundesregierung auch in unserem wohlverstandenen eigenen Interesse.
Die Rolle der modernen Entwicklungspolitik haben wir in diesem Jahr bereits mehrfach diskutiert. Im Grundsatz besteht darüber, soweit ich sehe, kein Dissens. Lieber Kollege Dr. Schnell, ich begrüße den Aufruf zur Fortsetzung der sachlichen Diskussion. Man sollte sich dann aber auch selber daran halten und die 500 Nichtregierungsorganisationen, die in der Sommerpause unsere Arbeit unterstützt und deutlich gemacht haben, welch große entwicklungspolitische Lobby sich in Deutschland entwickelt hat, nicht diskreditieren, sondern sagen: Das ist eine prima Sache!
Wir hoffen, daß wir in dieser Gemeinschaft der Entwicklungsarbeit weiter auf Erfolgskurs bleiben. Auch Ihre Kritik, Herr Schmitt, ist damit zurückgewiesen.
Eine Politik, mit der wir unserer internationalen Verantwortung nachkommen und zur Sicherung der Zukunft nachfolgender Generationen beitragen wollen, verdient eine gute finanzielle Ausstattung.
Mit dem Haushalt 1996 setzt die Bundesregierung für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit neue Akzente. Ich sehe darin einen ersten Erfolg der Bemühungen, für ein besseres Verständnis von Entwicklungspolitik zu werben und die Bedeutung der Auslandskooperation für die Lösung globaler Probleme zu unterstreichen.
Was haben wir nun mit dem Haushalt 1996 erreicht? Auf der positiven Seite ist zu vermelden: Zum einen: Nach der Kürzung in den vergangenen Jahren wird der Einzelplan 23 etwas bessergestellt. Die Steigerungsrate ist angesichts der angespannten Haushaltssituation mit 0,5 Prozent äußerst maßvoll und kann nicht alle Erwartungen erfüllen. Bei einem zurückgehenden Gesamthaushalt ist sie jedoch ein deutliches politisches Signal. Die Kollegen Kohn und Laschet haben das in ihren Beiträgen auch richtig und sachlich begründet.
Herr Schmitt hat gesagt, daß die Preisbereinigung sozusagen zur Stagnation führe. Wenn Sie eine Preisbereinigung durchführen, dann müssen Sie natürlich auch die Inflationsraten in den Entwicklungsländern berücksichtigen. Da diese Inflationsraten wesentlich höher sind als unsere Inflationsrate, ist das sogar ein erheblicher Gewinn, den die Entwicklungsländer durch unsere DM-Leistungen erfahren. Insofern steigen unsere Leistungen zusätzlich.
Zum anderen: Die positive Zukunftsperspektive, das heißt die Trendwende zugunsten künftiger Steigerungen der bilateralen Zusammenarbeit, kommt vor allem in der Erhöhung der Verpflichtungsermächtigung um 4,3 Prozent zum Ausdruck. Ich kann mich noch an manche Debatte erinnern, in der gerade aus der Oppositionsecke behauptet wurde, es sei das entscheidende Manko, daß die Verpflichtungsermächtigungen stagnieren. Jetzt haben wir ein Wachstum von 4,3 Prozent. Das ist ein durchaus bedeutsamer Fortschritt.
Nicht erreicht wird - das muß man offen eingestehen - eine Trendwende bei der Entwicklung der ODA/BSP-Quote. Bei einer Steigerungsrate des Einzelplans um 0,5 Prozent und einer geschätzten Wachstumsrate des BSP von 4 bis 5 Prozent wird sie weiter sinken. Auch der Anteil der gesamten öffentlichen Hilfe unter Einschluß der Hilfen für die weiter fortgeschrittenen Entwicklungsländer und die Transformationsländer wird nach einem starken Anstieg zu Beginn der 90er Jahre zurückgehen. In diesem Bereich würde ich mir natürlich eine deutliche Trendwende wünschen.
Bedauerlich ist auch - das ist schon gesagt worden -, daß die Einsparungen von 87,5 Millionen DM im multilateralen Bereich, die wechselkursbedingt sind und nicht etwa zur Kürzung von Programmen führen, erneut nicht für dringende Aufgaben im bilateralen Bereich verwendet werden konnten. Dennoch, vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage ist die Feststellung, Deutschland werde seiner gestiegenen internationalen Verantwortung gerecht, vertretbar.
Wir haben im Haushalt Weiteres erreicht. In einigen wichtigen Bereichen wurde der Handlungsspielraum der Bundesregierung und des BMZ erweitert. Zu nennen sind:
Erstens. Das Verzichtsvolumen für die Umwandlung von Schulden ärmerer Entwicklungsländer gegen Umweltschutz wurde von 110 auf 200 Millionen DM erhöht und auf Projekte der Armutsbekämpfung erweitert. Damit erwerben wir Flexibilität bei der Schuldenstrategie. Maßnahmen bei der Schuldenentlastung können jetzt noch besser in die entwicklungspolitische Gesamtkonzeption einbezogen werden.
Bundesminister Carl-Dieter Spranger
Zweitens. Mit dem neuen Titel „Nahrungsmittel-, Not- und Flüchtlingshilfe" wird es leichter, die verschiedenen, auch über die Nahrungsmittelhilfe hinausgehenden Elemente der Not- und Flüchtlingshilfe schnell und dem jeweiligen Bedarf entsprechend zu einem integrierten Hilfsprogramm zusammenzustellen. Gleichzeitig wird die Bedeutung der Zusammenarbeit des BMZ im Kontinuum zwischen humanitärer Hilfe und langfristiger Unterstützung unterstrichen. Auch das ist ein Bemühen, das jahrelang angehalten hat. Hier kommen wir Schritt für Schritt zu einer Konsolidierung.
Drittens. Der BMZ-Haushalt wurde als zentrales Instrument des Bundeshaushalts bei der Unterstützung der MOE/NUS-Länder bestätigt. Rund 350 bis 400 Millionen DM sind für diese Region im Einzelplan 23 insgesamt vorgesehen. Die Zusammenfassung der Sonderhilfen mit den Beratungshilfen für die vom BMZ federführend betreuten Länder schafft zusätzlichen Handlungsspielraum, insbesondere im Hinblick auf Südosteuropa.
Ich brauche nicht zu betonen, daß die heutige Intervention von Frau Hermenau in einem anderen Zusammenhang der Strategie und der Auffassung des BMZ, mich natürlich eingeschlossen, entspricht.
Viertens. Im multilateralen Bereich ist hervorzuheben, daß für die elfte Wiederauffüllung der IDA eine Verpflichtungsermächtigung eingestellt wurde, die für die anstehenden Verhandlungen genügend Spielraum enthält. Der IDA - das sollte man nicht vergessen - kommt entscheidende Bedeutung für die wirtschaftlichen Reformprogramme gerade der ärmeren Länder zu. Diese Reformprogramme dienen zugleich als Grundlage unserer bilateralen Programme und der Verhandlungen im Pariser Club.
Meine Damen und Herren, damit sind wir gerüstet, um den heute sichtbaren Anforderungen des Jahres 1996 zu begegnen. Daneben werden wir unsere Bemühungen um Effizienzsteigerung und Verfahrensvereinfachung fortsetzen, wie es auch Herr Kohn wiederholt zutreffend gefordert und angeregt hat. Es kommt in Zukunft noch mehr darauf an, daß alle drei Säulen der Zusammenarbeit - die bilaterale staatliche, die bilaterale nichtstaatliche und die multilaterale - noch enger miteinander verzahnt werden und einander ergänzen.
In der Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, die angesichts der in vielen Ländern eingeleiteten gesellschaftlichen Reformprozesse, aber auch wegen des von uns beherzigten Grundsatzes der Subsidiarität in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist, haben wir eine neue Qualität erreicht, für die wir alle miteinander dankbar sein sollten. Wir können nur sagen: Diese Art von Gemeinsamkeit wollen wir auch in den kommenden Jahren kontinuierlich ausbauen.
1997 und in den Jahren danach müssen, was die finanzielle Ausstattung angeht, weitere Schritte folgen, um die 1996 eingeleitete Trendwende zu bestätigen und zu verstärken.
Ich möchte mich zum Schluß für alle Unterstützung und Hilfe vor allem beim Finanzminister, beim Haushaltsausschuß insgesamt, bei den Kollegen im AwZ, insbesondere aber bei der Dame und den Herren Berichterstattern - Herrn von Schmude, Herrn Koppelin, Herrn Dr. Schnell und Frau Hermenau -, die uns in vielen Stunden Arbeit sehr geholfen haben, bedanken. Vielen Dank für Ihre Arbeit und Unterstützung. Ich freue mich auf eine weitere Zusammenarbeit mit den Ausschüssen und dem Parlament.