Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Dr. Schnell hat zu Recht von einer guten ersten Runde in der Haushaltsausschußberatung gesprochen. Ich kann Ihnen versichern: Die zweite Runde war noch viel besser. Um so mehr bedauere ich, daß die SPD an dieser zweiten Runde nicht teilgenommen hat. Ich bedauere das auch aus einem anderen Grund: Der Kollege Dr. Schnell ist ein von mir sehr geschätzter Kollege, der sich sehr um Sachinformationen bemüht. An seiner Rede eben habe ich festgestellt, daß ihm die Sachinformationen, die in der Bereinigungssitzung vermittelt wurden, offensichtlich entgangen sind.
Die Eckwerte des Einzelplans 23 können sich sehen lassen. Sie signalisieren nach außen wie nach innen, daß wir gewillt sind, auch in Zukunft einen angemessenen deutschen Beitrag zu leisten. Ihnen, Herr Minister Spranger, gebührt dafür besonderer Dank. Sie haben eine Erfolgsbilanz vorgelegt, die sich sehen lassen kann. Wir haben zur Zeit einen Höchststand an Projekten, nämlich 2 868.
Vor dem Hintergrund knapper Finanzmittel - der Bundeshaushalt geht bekanntlich um 1,4 Prozent zurück - kann man erst recht von einer Trendwende in der deutschen Entwicklungshilfe sprechen. Der Regierungsentwurf ist unter dem Strich gesehen sogar qualitativ verbessert worden.
- Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen: gerne.
Ich sprach von einer qualitativen Verbesserung: Wir haben 165 Millionen DM mehr an Verpflichtungsermächtigungen, und wir haben auch mehr Flexibilität in den Einzelplan hineingebracht.
Der Rückgang der ursprünglichen Steigerungsrate - hier beklagt - von 1,7 Prozent auf jetzt 0,5 Prozent ist nahezu ausschließlich auf die Aufwertung der D-Mark gegenüber Dollar und ECU zurückzuführen. Unsere Beiträge an internationale Organisationen überweisen wir nun einmal in Fremdwährungen und nicht in D-Mark: Die Stabilitätspolitik unserer Regierung hilft uns, hier Geld zu sparen, ohne es anderen wegzunehmen. Die starke D-Mark verbessert nicht nur im Inland die Kaufkraft. Was für den deutschen Urlauber im Ausland bezüglich der D-Mark gilt, gilt auch für unsere Fördermittel bei den Drittländern.
Über Effizienz und Effektivität unserer Entwicklungshilfe müssen wir weiterhin nachdenken.
Wir haben uns auf den Grundsatz verständigt, nur Leistungen zu transferieren, die von den Empfängerländern nicht erbracht werden können. Insofern ist es zu begrüßen, daß das Ministerium jetzt ein Konzept vorgelegt hat, wie lokale Personalressourcen besser von uns genutzt werden können. Ich begrüße dies. Denn oft haben qualifizierte akademisch ausgebildete Arbeitskräfte keine Chance auf einen Arbeitsplatz.
Wir müssen aber dringend eine Korrektur bei der Bezahlung einheimischer Kräfte vornehmen. Es kann nicht hingenommen werden, daß zum Beispiel - wie wir festgestellt haben - in Nepal ein in deutschen Diensten stehender einheimischer Mitarbeiter rund 5 000 DM und ein einheimischer Kraftwerksleiter umgerechnet nur 300 DM im Monat verdient.
Ein besserer Kosten-Nutzen-Effekt wird auch erreicht, wenn die berufliche Aus- und Fortbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer stärker vor Ort erfolgt. 170 Millionen DM haben wir dafür vorgesehen.
Bei der ersten Lesung unseres Haushalts lag der Bericht des Europäischen Rechnungshofs über den EEF nur in Teilen vor. Das ganze Ausmaß von Mißwirtschaft kann man jetzt dem kompletten Bericht entnehmen. Das hat zu folgendem Haushaltsvermerk geführt, den wir als Koalition, aber auch in Übereinstimmung mit der Opposition eingeführt haben: Vor Auszahlung von deutschen Mitteln ist dem Haushaltsausschuß ein Bericht über die Planung der Mittelverwendung und die Zahlung anderer europäischer Staaten an die Fonds sowie über die Aufarbeitung der Beanstandungen des Europäischen Rechnungshofs vorzulegen. - Der Rechnungshofbericht bestätigt im übrigen unsere Zielsetzung, die bilaterale Hilfe zu verstärken. Im vorliegenden Haushalt allerdings wird der Gesamtzuwachs von 41 Millionen für eingegangene Verpflichtungen im multilateralen Bereich benötigt.
Die vereinzelt geäußerte Befürchtung, wir würden unserer Verantwortung im multilateralen Bereich nicht gerecht, weise ich mit Nachdruck zurück. 6,7 Milliarden DM Beiträge an internationale Organisationen sprechen ein deutliche Sprache.
Michael von Schmude
Der Haushaltsausschuß hat angesichts der laufenden Verhandlungen zu IDA 11 in den Haushalt 1996 sowie in die Finanzplanung bis 1999 eine deutsche Beteiligung in gleicher Höhe wie bei IDA 10 eingeplant, nämlich 3,2 Milliarden DM. Dabei liegen wir anteilig sogar über dem Betrag, den die Weltbank zur Zeit anvisiert.
Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir sitzen hier als Deutsche nicht irgendwo auf der Reservebank und warten nur darauf, fröhlich für andere, die kurzfristig ausfallen, einzuspringen.
Der Haushalt enthält im übrigen einen Vorbehaltsvermerk, der auch für andere Titel wie den EEF gilt. Wir haben gute Gründe, im Konsens mit anderen Geberländern zu verhandeln. Die Probleme können überall nur gemeinsam gelöst werden, und dies gilt im besonderen Maße auch für den Schuldenerlaß.
Erst vor wenigen Tagen konnte mit Nicaragua ein neues Abkommen vereinbart werden, und ich möchte mich ausdrücklich beim Bundesminister der Finanzen und beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit bedanken, daß wir zu einem solchen Ergebnis gekommen sind.
- Es war auch schwierig, Frau Kollegin Eid, außerordentlich schwierig!
Das Land gehört mit 11,3 Milliarden Dollar Verschuldung zu den höchstverschuldeten Staaten der Welt. Unsere Ursprungsforderung belief sich auf 1,6 Milliarden DM, davon nicht 559 Millionen Dollar DDR-Schulden, lieber Kollege Dr. Schnell, sondern umgerechnet 1,2 Milliarden DM DDR-Schulden.
Es ist schon ganz interessant, daß damals diejenigen, die heute den totalen Schuldenerlaß fordern, sich hierher gestellt und uns die DDR-Hilfe für Nicaragua als Vorbild vorgehalten haben. Das waren die gleichen, die sich zum Teil in ihren Ferien als Kaffeepflücker irgendwo in Nicaragua fotografieren ließen, meine Damen und Herren. Wären wir diesen Ratschlägen gefolgt, hätten wir es heute mit einer ganz anderen Schuldendimension zu tun. Wir haben - Nicaragua III einbezogen - diesem Land jetzt rund 1 Milliarde DM Schulden erlassen, rund 1 Milliarde DM! Das darf nicht kleingeredet werden!
Der Rest ist überwiegend langfristig umgeschuldet worden. Von der Möglichkeit, Schulden zu erlassen, wenn der Schuldnerstaat 20 Prozent eigene Mittel für den Umweltschutz und auch für Armutsbekämpfung einsetzt, wurde in diesem Fall Gebrauch gemacht.
Wir haben der Bundesregierung durch einen Haushaltsvermerk jetzt die Möglichkeit eingeräumt, künftig nicht für 400 Millionen, sondern bis zu 200 Millionen an Stelle von bisher 110 Millionen für Schuldenerlaß in dieser Form zu gewähren. Ich bin froh, daß Nicaragua auch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, und sage hier: Wir werden uns dieses Instrument sehr genau anschauen und hier in Zukunft auch bei kommenden Haushalten flexibel reagieren.
Für Nicaragua hat das deutsche Entgegenkommen gleichzeitig die Tür für ein weiteres Abkommen mit der Weltbank geöffnet, durch das nämlich insgesamt 1,37 Milliarden Dollar kommerzieller Schulden mit einem Abschlag von 92 Prozent aus dem Markt genommen werden konnten.
So erfreulich diese Schritte auch sind, es bleibt abzuwarten, wie das Land mit der jetzt stark reduzierten Schuldenlast dennoch fertig wird. Auch hier werden wir die Entwicklung aufmerksam beobachten.
Die noch vor wenigen Jahren formulierte Absicht, die Zahl der Länder bei der finanziellen und technischen Zusammenarbeit zu reduzieren, läßt sich angesichts der Entwicklung in Osteuropa so schnell nicht verwirklichen. Zunehmend öffnet sich unsere Entwicklungshilfepolitik nach Osten. Aber an Stelle der Beratungshilfe für die MOE-Staaten treten jetzt Projekt- und strukturpolitische Maßnahmen. Insbesondere sind wir auch den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, nämlich Mazedonien, Kroatien und BosnienHerzegowina, verpflichtet.
Für Sonderhilfen zur Bewältigung der Kriegsfolgen, zum Beispiel Projekte in der Energie- und Wasserversorgung, in der Transportinfrastruktur oder bei den kommunalen Diensten, werden wir 1996 voraussichtlich 30 Millionen DM in bar einsetzen und darüber hinaus 90 Millionen DM an Verpflichtungsermächtigungen benötigen. Der Kollege Dr. Schnell hat zu Recht darauf hingewiesen: Aus dem neuen Titel „Nahrungsmittel-, Not- und Flüchtlingshilfe" mit einem Betrag von 116 Millionen DM werden wir Hilfe in Bosnien leisten können.
Ich sage ganz nachdrücklich: Wir machen bei diesem Beispiel deutlich, daß Entwicklungshilfe auch immer ein Beitrag zur Friedenssicherung ist. Dies gilt im besonderen Maße für unsere Hilfe im Nahen Osten, wo wir den Friedensprozeß Israel-PalästinaJordanien mit 100 Millionen DM für gemeinsame Projekte, die dort von den betroffenen Staaten entwickelt werden, nachhaltig fördern wollen.
Wir können nicht alle diese Hilfen alleine bewerkstelligen. Es wird gerade in bezug auf die ehemaligen jugoslawischen Staaten und auch in bezug auf den Nahen Osten darauf ankommen, daß Organisationshilfe von der EU geleistet wird, aber auch von der gesamten westlichen Welt.
Was uns im Zusammenhang mit unseren Hilfsmaßnahmen Sorge macht, sind die stark gestiegenen Getreidepreise. Der Haushaltstitel ist nicht erhöht worden. Wir konnten das nicht, weil es zunächst keine Deckung dafür gab und es diese Deckung auch bis heute nicht gibt. Wir müssen aber sicherstellen - das können wir durch entsprechende Haushaltsvermerke auch -, daß bei einem Nichtausreichen auf die Mittel der finanziellen Zusammenarbeit zurückgegriffen wird.
Michael von Schmude
In diesem Zusammenhang bitte ich die Bundesregierung, doch einmal bei der EU-Kommission in Brüssel vorstellig zu werden. Auf Grund der weltweiten Getreideknappheit hat man in Brüssel die Exporterstattungshilfe für Getreide gestrichen und statt dessen eine Exportabgabe eingeführt, die den Export von Weizen verteuert.
Für Hilfslieferungen in die Dritte Welt sollte Brüssel von derartigen Abgaben absehen. Ich meine, daß wir das mit Nachdruck in Brüssel vertreten sollten.
Hier wird gesagt, Sie hätten keine Ahnung!
Stimmt das?)
Für die ärmeren Entwicklungsländer haben wir übrigens im Haushalt 100 Millionen DM an Verpflichtungsermächtigungen bereitgestellt, um ihnen die Teilnahme an der Expo 2000 zu ermöglichen.
Bei der Gesamtbewertung unserer entwicklungspolitischen Leistungen wird oft übersehen, daß wir der Dritten Welt völkerrechtlich verbindliche Zusagen in einer Größenordnung von 40 Milliarden DM gemacht haben - übrigens zeitlich unbefristet. Der Stau in der Pipeline, wie es so schön heißt, erklärt sich vor allem durch politische Instabilität und durch Bürgerkriege in den Entwicklungsländern. Dieses unlimitierte Gewähren von Hilfen bedeutet, daß wir, wenn wir dem nicht in irgendeiner Form Einhalt gebieten, ein Anwachsen bekommen, das eines Tages haushaltstechnisch nicht mehr beherrschbar ist. Um dieses deutsche Obligo in realisierbaren und im Hinblick auf zukünftige Haushalte verantwortbaren Grenzen zu halten, sind nach einem Haushaltsvermerk, den wir eingeführt haben, künftig völkerrechtliche Zusagen so abzuschließen, daß die Verpflichtungen entfallen, soweit nicht innerhalb von acht Jahren nach der Zusage der Mittel eine entsprechende Durchführungsvereinbarung abgeschlossen wird.