Rede:
ID1306710100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Ich: 1
    2. erteile: 1
    3. dem: 1
    4. Bundesminister: 1
    5. der: 1
    6. Verteidigung,: 1
    7. Volker: 1
    8. Rühe,: 1
    9. das: 1
    10. Wort.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/67 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 67. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. November 1995 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 5727 A Absetzung des Punktes III j von der Tagesordnung 5727 B Nachträgliche Ausschußüberweisung . 5727 B Begrüßung des Außenministers von Costa Rica, Herrn Dr. Fernando Naranjo, und einer Delegation 5796 D Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, 13/2593) 5727 C Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 13/2604, 13/2626) . . . 5727 C in Verbindung mit Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 13/2605, 13/2626) 5727 D in Verbindung mit Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 13/2614, 13/2626) . . . 5727 D Günter Verheugen SPD 5728A, 5751 B Rudolf Seiters CDU/CSU 5732 D Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5736 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 5737 B Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . 5739 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 5741 B Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . 5743 D Eckart Kuhlwein SPD 5744 B, 5751 C Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . . 5746 D, 5751B, 5751 D Eckart Kuhlwein SPD 5747 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 5749 D Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5752B, 5757 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . . 5756 D Dr. Helmut Haussmann F.D.P 5758 B Gerhard Zwerenz PDS 5759 D Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 5761 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5769 D Rudolf Scharping SPD 5770 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 5778B Günter Verheugen SPD 5779 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5781 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5784 A Ina Albowitz F.D.P. 5785 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5785 C Dr. Gregor Gysi PDS 5786 D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 5790B Ernst Kastning SPD 5792A, 5799 B Paul Breuer CDU/CSU 5792 D Jürgen Koppelin F.D.P 5793 C Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU 5796 D Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . 5798D Stephan Hilsberg SPD 5799 C Eckart Kuhlwein (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5800C Dr. Peter Struck (Erklärung nach § 31 GO) 5801 A Namentliche Abstimmungen . . 5800B, 5801 C Ergebnisse 5802A, 5807 A Tagesordnungspunkt III: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Umweltbundesamtes (Drucksache 13/2687) . . . 5804 B b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. März 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Autobahnzusammenschluß sowie über den Bau und den Umbau einer Grenzbrücke im Raum Forst und Erlenholz (Olszyna) (Drucksache 13/2688) 5804 B c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. März 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Erhaltung der Grenzbrücken im Zuge der deutschen Bundesfernstraßen und der polnischen Landesstraßen an der deutsch-polnischen Grenze (Drucksache 13/2689) 5804 C d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. März 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Zusammenschluß der deutschen Bundesstraße B 97 und der polnischen Landesstraße 274 sowie über den Bau einer Grenzbrücke im Raum Guben und Gubinek (Drucksache 13/2690) . . . . . . . . . . . 5804 C e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des AGB-Gesetzes (Drucksache 13/2713) . . . 5804 D f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlagerung des Sitzes des Bundesverwaltungsgerichts von Berlin nach Leipzig (Drucksache 13/2714) 5804 D g) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Fleischhygienegesetzes (Drucksache 13/2904) 5804 D h) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der von den britischen Streitkräften freigegebenen bundeseigenen Wohnsiedlung in Werl (Drucksache 13/2650) 5805 A i) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft in Leipzig, Essener Straße 1-3, an den Freistaat Sachsen (Drucksache 13/2678) . . . . . . . . 5805 A Zusatztagesordnungspunkt i: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes und des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (Drucksache 13/2838) 5805A b) Antrag der Gruppe der PDS: Grundrechte für die in der Europäischen Union lebenden Menschen (Drucksache 13/2457) 5805B Tagesordnungspunkt IV: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes (Drucksachen 13/192, 13/1583) 5805C b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 1994 (Drucksachen 13/1667, 13/2648) 5805 C e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Filmförderungsgesetz (Drucksachen 13/1666, 13/1899 Nr. 2, 13/2647) . . . 5806 C f) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Erfahrungen mit der befristeten umsatzsteuer- lichen Übergangsregelung und den Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Warenverkehr sowie über den Stand der Bemühungen, zu einer endgültigen Umsatzsteuer-Regelung im europäischen Binnenmarkt zu kommen zu dem Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Funktionieren der MwSt-Übergangsregelung für den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr (Drucksachen 12/8221, 13/725 Nr. 62, 13/1097, 13/ 1096 Nr. 2.1, 13/2673) 5806C g) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 11 13 Titel 646 11 - Erstattung des Sozialzuschlags für Rentenempfänger in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Drucksachen 13/2096, 13/2275 Nr. 1.6, 13/2762) . . 5806 C h) bis i) Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 73 und 74 zu Petitionen (Drucksachen 13/2765, 13/2766) 5806D Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 13/2620, 13/2626) . . . 5809B Dr. Emil Schnell SPD . . . . . . . . . 5809 C Michael von Schmude CDU/CSU . 5812A, 5817B Dr. R. Werner Schuster SPD 5814 B Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5814 D Armin Laschet CDU/CSU 5816 C Roland Kohn F.D.P. 5817D Dr. Willibald Jacob PDS 5819C Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . 5820B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 5820D Dr. R. Werner Schuster SPD 5822 C Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/2606, 13/2626) 5823D in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksachen 13/2624, 13/ 2626) 5823 D Uta Titze-Stecher SPD 5824 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . 5826 D Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 5828 B Uta Titze-Stecher SPD 5831 A, 5831 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F D.P. . 5832A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5832 B Dr. Burkhard Hirsch F D P. 5834 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5836 C Dieter Wiefelspütz SPD 5836 D Ulla Jelpke PDS 5837 C Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 5839A Günter Graf (Friesoythe) SPD 5839 D Erwin Marschewski CDU/CSU 5842 B Manfred Kanther, Bundesminister BMI 5843 B Peter Dreßen SPD 5845 A Günter Graf (Friesoythe) SPD . . . 5845 D Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drucksachen 13/2617, 13/2626) 5846 C Siegrun Klemmer SPD 5846 D Peter Jacoby CDU/CSU 5850 D Margot von Renesse SPD 5852 B Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5853 A Heinz Lanfermann F.D.P. . . . . 5854B, 5857 B Heidemarie Lüth PDS 5855 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5856 D Maria Eichhorn CDU/CSU 5858 A Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 5859A Nächste Sitzung 5861 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5862* A 67. Sitzung Bonn, Mittwoch den 8. November 1995 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 08. 11. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 08. 11. 95 * Dr. Dobberthien, SPD 08. 11.95 Marliese Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 08. 11. 95 * Hafner, Gerald BÜNDNIS 08. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Dr. Hauchler, Ingomar SPD 08. 11. 95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 08. 11. 95 Meißner, Herbert SPD 08. 11. 95 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 08. 11.95 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nickels, Christa BÜNDNIS 08. 11.95 90/DIE GRÜNEN Odendahl, Doris SPD 08. 11.95 Dr. Scheer, Hermann SPD 08. 11.95 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 08. 11.95 90/DIE GRÜNEN Steindor, Marina BÜNDNIS 08. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 08. 11.95 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 08. 11. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Andrea Lederer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch im Namen meiner Abgeord-

    Dr. Gregor Gysi
    netengruppe will ich etwas zu dem entsetzlichen Attentat in Israel sagen. Wir bringen vor allem unsere Hoffnung zum Ausdruck, daß sich jene Kräfte im palästinensischen und im israelischen Volk, die diesen Friedensprozeß voranbringen wollen, durch das Attentat nicht einschüchtern lassen, sondern - ganz im Gegenteil - noch zulegen. Die Mörder müssen eine Niederlage erleiden, indem der Frieden im Nahen Osten endlich Wirklichkeit wird. Das ist unser tiefer Wunsch.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wenn man über die Außenpolitik der Bundesregierung spricht, dann muß man natürlich feststellen, daß es veränderte Schwerpunktsetzungen gibt. Es lohnt sich, sich damit auseinanderzusetzen.
    Mir ist aufgefallen, daß in der ganzen langen Debatte, in der es übrigens auch um den Etat des Bundeskanzlers geht, der schon nicht mehr teilnimmt, obwohl es um seinen eigenen Etat geht - das hängt vielleicht mit den Buddha-Vergleichen zusammen; darauf möchte ich noch zurückkommen -, nicht ein einziges Mal über die UNO gesprochen worden ist. Es ist sehr viel über die Europäische Union gesprochen worden - sicherlich zu Recht -, aber kein einziges Wort über die UNO. Ich warne vor dieser Art von Eurozentrismus.
    Eine ganz wesentliche Aufgabe wird darin bestehen, die UNO zu stärken, und zwar nicht dadurch, daß Deutschland Großmacht wird, und nicht dadurch, daß Deutschland ein Vetorecht erhält, sondern dadurch, daß wir die UNO demokratisieren, zum Spiegelbild der Weltbevölkerung machen und Vetorechte abschaffen.

    (Beifall bei der PDS Ulrich Irmer [F.D.P.]: Herr Gysi, wir hatten dazu vor zwei Wochen eine spezielle Debatte!)

    - Ich weiß, daß wir vor zwei Wochen eine Debatte dazu hatten. Wir hatten auch eine über die Europäische Union. Trotzdem ist heute über sie gesprochen worden. Es fällt schon auf, daß dieses Thema einmal besprochen wird; danach ist es wieder erledigt.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Sie waren auch nicht die ganze Zeit hier, Herr Kollege!)

    Es stört Sie immer, wenn man über die Militarisierung der Außenpolitik spricht. Diese Militarisierung macht mir ganz große Sorgen. Sie nimmt zu: Zu nennen sind nicht nur das Säbelgerassel beim Großen Zapfenstreich, nicht nur die Tatsache, daß heute der internationale Einsatz der Bundeswehr wie eine Selbstverständlichkeit klingt, nicht nur die Teilnahme an Kriegen, obwohl wir doch seit Jahrtausenden wissen, daß mit Kriegen Probleme in diesen Gesellschaften nicht gelöst werden, sondern auch folgendes Beispiel. 16 Milliarden DM hat die Bundesrepublik Deutschland für den Golfkrieg zur Verfügung gestellt. Jetzt, da die Wahrheit über diesen Krieg langsam herauskommt, da bekannt wird, daß Zehntausende Kinder und Erwachsene verseucht und vergiftet wurden, schauen Sie sich einmal an, was wir dort an humanitärer Hilfe leisten: Fast nichts. Ein Staat, der 16 Milliarden DM für Krieg ausgibt und fast nichts für humanitäre Hilfe, muß sich sagen lassen, daß seine Außenpolitik in jeder Hinsicht militarisiert worden ist. Das ist eine ganz gefährliche Entwicklung.

    (Beifall bei der PDS)

    Wir haben die Diskussion über die Europäische Union und damit auch die Diskussion über die Währungsunion. Ich erinnere daran, daß die PDS-Bundestagsgruppe den Vertrag von Maastricht abgelehnt hat und für einen Volksentscheid eintrat und daß alle anderen Fraktionen dem Vertrag von Maastricht zugestimmt haben, auch die Fraktion der SPD, und gegen einen Volksentscheid waren.

    (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Nein!)

    Wenn Sie zum Vertrag von Maastricht ja gesagt haben, ist es jetzt nicht sonderlich redlich, die Währungsunion in Frage zu stellen, die Bestandteil dieses Vertrags gewesen ist.

    (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Quatsch!)

    Ich sage noch etwas: Wir haben bei der Diskussion über die europäische Währungsunion eines kritisiert, indem wir gesagt haben: Wir sind nicht Gegner der europäischen Währungsunion - sie muß kommen -, aber sie muß am Ende einer Entwicklung stehen, in der es vorher ökonomische, ökologische und soziale Angleichungen gegeben hat.
    Wenn es diese Entwicklung nicht vorher gibt, sondern am Beginn einer Währungsunion steht, dann heißt das, diese Angleichungen werden erzwungen. Wozu das führt, haben wir in der DDR bei der Währungsunion erlebt. Deshalb warnen wir davor, die niedrigsten sozialen und ökologischen Standards zum Maßstab zu machen, indem man eine Angleichung erzwingt, statt hohe Standards durchzusetzen und erst als Schlußpunkt die Währungsunion einzuführen.

    (Beifall bei der PDS)

    Es ist ein wenig gefährlich, wenn man einzelne Äußerungen von SPD-Politikern betrachtet - nicht die heutigen hier im Plenum, aber einige, die draußen zu hören waren -, bei denen plötzlich das nationale Element mitklingt. Davor - hier muß ich ausnahmsweise einmal der anderen Seite des Hauses recht geben - warne ich. Wir dürfen diese Diskussion nicht auf nationalistischer Ebene führen. Das wird kreuzgefährlich, davon haben ganz andere etwas, nämlich die, die von solchen Ängsten leben, die sie schüren und versuchen, sie für ihre Politik zu nutzen.

    (Beifall bei der PDS)

    Was die innere Situation unserer Gesellschaft betrifft, so sage ich Ihnen, macht mir die Art der Ausgrenzung von immer größer werdenden Gruppen ganz beachtliche Sorge. Das betrifft eine Vielzahl von Menschen, die heute überhaupt nirgendwo mehr organisiert sind. Sie sind nicht in den Parteien organisiert, sie sind auch nicht in den Gewerkschaften organisiert, sie sind nicht in Verbänden, natürlich auch nicht in den Arbeitgeberverbänden, nicht ein-

    Dr. Gregor Gysi
    mal mehr in Vereinen organisiert. Zum großen Teil sind sie nicht einmal Mitglied der Kirchen.
    Es sind Menschen, die von dieser Gesellschaft vollständig ausgegrenzt sind. Das betrifft nicht nur Arbeitslose, das betrifft nicht nur Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger, sondern das betrifft zunehmend Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen und solche, die nur hin und wieder im Jahr ein Arbeitsverhältnis haben, das heißt, die eine Zeitspanne sozialer Sicherheit und dann wieder viele Monate sozialer Verunsicherung erleben. Das betrifft Menschen, die sich von Existenzkampf zu Existenzkampf durchrangeln und für die dabei jegliche soziale Sicherheit, jegliche Organisierung in dieser Gesellschaft immer absurder wird.
    Sie fühlen sich nicht mehr durch uns vertreten, sie fühlen sich nicht mehr durch andere Organisationen vertreten, sie machen in dieser Gesellschaft einfach nicht mehr mit. Das ist deshalb verheerend, weil es den Tag geben wird - leider; zumindest ist das zu befürchten -, an dem von ganz rechts außen die Sorgen dieser Menschen populistisch genutzt werden, um diese Gesellschaft in einem Sinne zu verändern, wie wir das alle nicht wollen.
    Deshalb sage ich: Es ist eine ganz entscheidende gesellschaftspolitische Aufgabe, die Millionen Ausgegrenzten in dieser Gesellschaft wieder in politische, soziale, ökonomische und kulturelle Entscheidungen einzubeziehen.

    (Beifall bei der PDS)

    Diesbezüglich leistet die Bundesregierung fast nichts. Das zerstört auch Chancen für die Jugend und damit für die Zukunft.
    Es ist über den Umgang mit Flüchtlingen und Ausländerinnen und Ausländern nur ganz kurz gesprochen worden. Herr Seiters hat zum Beispiel die Flughafenregelung ausdrücklich verteidigt. Ich glaube, daß die Flughafenregelung eine der inhumansten Regelungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist. Sie sollte so schnell wie möglich überwunden werden. Am Umgang mit den Schwächsten in einer Gesellschaft zeigt sich der Grad der Humanität, nicht am Umgang mit anderen.

    (Beifall bei der PDS)

    Es war bereits vom Wahlrecht die Rede. Ich sage Ihnen dazu eines: Daß uns die F.D.P. Ratschläge geben will, was wir üben sollen, wundert mich schon. Frau Albowitz, Sie könnten auch einen Moment zuhören. Sie hatten in Berlin sehr viel Zeit zum Üben; inzwischen haben Sie diese Möglichkeit in Berlin verloren.
    Die F.D.P. möchte ich eines fragen: Was sind denn die liberalen Positionen dieser Partei, die in der Politik dieser Bundesregierung noch eine Rolle spielen? Wo bleibt denn ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht? Wo bleibt denn ein republikanisches Wahlrecht, das Ausländerinnen und Ausländern, die fünf Jahre oder länger ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, endlich das aktive und passive Wahlrecht einräumt? Nichts dergleichen können Sie in dieser Koalition durchsetzen, wenn Sie es denn wirklich wollen, was man inzwischen schon bezweifeln kann.

    (Beifall bei der PDS)

    Wissen Sie, was ich auch eine Unverschämtheit finde? Da reist ein Deutscher, der seit 20 Jahren in Argentinien lebt, drei Monate vor der Bundestagswahl an, wählt hier den Kanzler, dampft danach wieder ab, und ich muß mich hier vier Jahre lang mit dem Kanzler herumschlagen. Nein, ich möchte, daß die Leute ihr Wahlrecht dort haben, wo sie leben. Das heißt, derjenige soll in Argentinien leben und dort seine Regierung und sein Parlament wählen.

    (Beifall bei der PDS)

    Das nenne ich ein republikanisches Wahlrecht, das wir dringend benötigen.

    (Peter Harald Rauen [CDU/CSU]: Wir müssen mit Gysi leben, das ist viel schlimmer! Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    - Was haben Sie denn daran auszusetzen? Geben Sie doch einmal eine logische Begründung, weshalb Sie den Ausländerinnen und Ausländern, die seit Jahren hier leben, arbeiten und Steuern zahlen, ein so selbstverständliches Recht wie das Wahlrecht vorenthalten! Es gibt dafür nur inhumane oder rassistische Begründungen; das sage ich Ihnen ganz offen.

    (Beifall bei der PDS)

    Wenn wir über Wirtschafts- und Sozialpolitik reden, dann tun Sie immer so, als ob es gar keine Alternativen zur gegenwärtigen Politik gibt. Seit Jahren steigen die Zahlen der Arbeitslosen, seit Jahren erklären Sie, daß das auch für Sie ein unerträglicher Zustand ist. - Ich freue mich, daß bei der Beratung des Etats des Bundeskanzleramtes der Bundeskanzler wieder erschienen ist.

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Fünf Minuten aus dem Saal!)

    - Ich freue mich einfach. Ich darf doch meine Freude zum Ausdruck bringen, Herr Bundeskanzler. Ich vergleiche Sie auch nicht mit Buddha wie die anderen, weil ich das für Gotteslästerung halte. So etwas mache ich nicht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

    Ich will auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik zurückkommen. Wir müssen Wirtschaft endlich als Mittel zum Zweck und nicht als Selbstzweck begreifen. Wir müssen endlich zu einer sozialen Grundsicherung kommen, um Ängste zu nehmen und um die Zerstörungen, von denen ich gesprochen habe, zu beseitigen, so daß jedem und jeder wenigstens das Existenzminimum zu jeder Zeit gesichert ist und nicht darum gebangt werden muß. Es ist eben eine Tatsache, daß in unserer Gesellschaft Armut zunimmt, und zwar im Westen zum Teil schneller als im Osten; allerdings nimmt auch der Reichtum gewaltig zu, der jedoch im Westen.
    Die sozialen Unterschiede wachsen. Sie rechtfertigen diese sozialen Unterschiede mit angeblichen Leistungsunterschieden und ähnlichem, obwohl Sie genau wissen, daß das nicht stimmt. Es ist in Wirklich-

    Dr. Gregor Gysi
    keit das Ergebnis einer verfehlten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Wer Massenarbeitslosigkeit bekämpfen will, der muß grundsätzliche Reformen der Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik einleiten. Es kann einfach nicht so weitergehen, daß jede spekulative Finanztätigkeit in der Bundesrepublik steuerlich begünstigt bleibt und jede aktive Wirtschaftstätigkeit, die Arbeitsplätze sichert oder schafft, steuerlich bestraft wird.
    Wissen Sie, wer inzwischen die Bundesrepublik Deutschland allein bezahlt? Das sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die großen Konzerne und die Banken haben sich aus der Finanzierung der Bundesrepublik Deutschland längst verabschiedet. Die, die zahlen, werden aber noch permanent bestraft.

    (Beifall bei der PDS)

    Die zu verteilenden Mittel im Haushalt sind doch nur deshalb so knapp, weil sich diese Bundesregierung weigert, das Geld dort einzunehmen, wo es lagert. Sie sparen bei den Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfängern, bei den Arbeitslosen, bei den alleinerziehenden Müttern, bei Obdachlosen, im Kultur- und Bildungsbereich, also in all den Bereichen, in denen es um sozial Schwache oder um Zukunft oder Jugend geht. Aber es wäre nicht nur sozial gerechter, sondern auch viel einträglicher, wenn Sie sich endlich entschließen könnten, das frei vagabundierende Kapital von rund 750 Milliarden DM anzugreifen. Es wäre sozial gerechter, arbeitsplatzschaffender und einträglicher, wenn Sie die spekulativen Geldgeschäfte an Börsen und Banken wesentlich höher besteuern würden.
    Es wäre sozial gerechter, arbeitsplatzschaffender und einträglicher, wenn Sie endlich dafür sorgen würden, daß die Unternehmen mit hohen Gewinnen und wenig Beschäftigten mehr in die Versicherungssysteme einzahlen müssen und jene mit hohen Beschäftigungszahlen endlich entlastet werden. Das ist etwas, wie man Lohnnebenkosten reformieren kann. Orientieren Sie die Einzahlungen der Unternehmen in die Versicherungssysteme doch nach Umsatz und Gewinn und genau nicht nach der Zahl der Beschäftigten und der Höhe des Bruttolohns! Das wäre eine Maßnahme für und nicht gegen Arbeit, so wie es gegenwärtig aussieht. Wer hindert denn die Bundesregierung daran, solche Reformen durchzuführen?

    (Beifall bei der PDS Gerhard Zwerenz [PDS]: Ihre Lobby!)

    - Das ist sehr richtig.
    Es wäre auch sozial gerechter, arbeitsplatzschaffender und einträglicher, endlich eine ökologische Steuerreform durchzuführen. Das gleiche gilt für den Umstand, daß man hohe Erbschaften und hohe Vermögen natürlich anders besteuern und die wirklich Besserverdienenden zu einer Mehrabgabe heranziehen muß.
    Und dann wundern Sie sich, daß sich die Bevölkerung in einer Zeit, in der Sie Sozialabbau betreiben und bei allem von Kürzungen reden, aufregt, wenn sich die Bundestagsabgeordneten selber phantastisch höhere Diäten zubilligen wollen. Das ist ein moralischer Widerspruch, der Ihnen nicht verziehen wird und, wie ich finde, zu Recht nicht verziehen wird.

    (Beifall bei der PDS)

    Nicht die zu hohen Löhne sind das Problem in der Bundesrepublik, sondern die zu hohen Abgaben, die damit verbunden sind, und eine falsche Währungspolitik. Sie reden immer von der stabilen Mark. Sie wissen ganz genau: Diese Mark ist ständig überbewertet. Der billige Urlaub in Bangkok kostet uns Tausende von Arbeitsplätzen. Machen Sie endlich reale Wechselkurse, dann würde es der Wirtschaft wesentlich bessergehen.
    Natürlich muß ich auch noch einen Satz zur Situation in den neuen Bundesländern sagen. Ich höre das gerne - es wird immer so gönnerhaft davon geredet -: Wir werden die Förderung nicht einstellen. Das Hauptproblem ist: Die industriellen Kerne sind zerstört, und wenn sie nicht wiederhergestellt werden, wird es eine eigenständige Wirtschafts- und Finanzentwicklung in den neuen Bundesländern nicht geben. Sie werden auf die Hilfe der anderen Bundesländer angewiesen sein, und das schafft Demütigung.
    Ich sage Ihnen noch eines: Jetzt kämpfen plötzlich alle um PDS-Wählerinnen und PDS-Wähler. Selbst der große Run auf die ehemaligen SED-Mitglieder ist plötzlich gestartet worden. Ich wünsche Ihnen allen viel Erfolg damit.

    (Heiterkeit bei der PDS)

    Nur, auch das sage ich Ihnen: Ihre Politik der permanenten sozialen und politischen Ausgrenzung in den neuen Bundesländern hat zu den Verwerfungen geführt, mit denen wir es heute zu tun haben.
    Versuchen Sie nicht, die Bürger dort pauschal in Gute und Böse einzuteilen. Das wird Sie nicht weiterbringen. Wer die deutsche Einheit will, der muß auch die Menschen aus den neuen Bundesländern wollen und darf sich nicht selektiv aussuchen, welche er mag und welche er nicht mag, welche er benachteiligt, welche er durch Rente bestraft, welchen er Altschulden aufdrückt und welche er politisch diskriminiert. Das ist Ihre Politik seit fünf Jahren.

    (Beifall bei der PDS)

    Seit fünf Jahren nutzen Sie nicht die Erfahrungen der Menschen aus den neuen Bundesländern. Wir haben zwei Systeme erlebt. Das macht problembewußter. Wir können Ihnen sagen, was alles nicht funktioniert, weil wir das schon erlebt haben. Deshalb können wir Ihnen sagen, daß Ihre Politik verfehlt ist. Menschen, die zwei Systeme erlebt haben, sind in besonderem Maße in der Lage, problembewußt für Vernderungen einzutreten. Das haben Sie nie ernst genommen. Das haben Sie zu keinem Zeitpunkt zur Kenntnis genommen. Sie sind entweder gönnerhaft, oder Sie bestrafen. Das ist Ihre Politik in bezug auf die neuen Bundesländer. Das muß letztlich zu einem Fiasko führen.
    Der Umgang mit den Altschulden zeigt das ganz deutlich. Nichts gilt aus der DDR; alles verwerfen

    Dr. Gregor Gysi
    Sie. Nur die Altschulden sollen die einzig wahre Größe sein. Diese haben Sie erst den Betrieben aufgebürdet, um sie kaputtzumachen, dann den Wohnungsgenossenschaften, und jetzt wollen Sie auch noch die Kommunen zerstören. Dagegen werden wir auftreten.
    Übrigens: Wir bekommen in den neuen Bundesländern so viel Zuspruch, weil wir versuchen, diese Probleme einfach zu artikulieren, weil wir psychologisch anders mit den Problemen umgehen und weil wir Verständnis für das sehr unterschiedliche Leben der Menschen in den neuen Bundesländern haben.
    Ich komme damit zu meinem letzten Satz: Der eigentliche Anspruch für eine solche Bundesregierung, Herr Bundeskanzler, müßte darin bestehen, Fortschritte in Richtung Zivilisation zu erreichen. Dazu würde zum Beispiel gehören, daß in der Politik der Bundesregierung Bildung und Kultur einen höheren Stellenwert bekommen. Ich sehe diesen Abbau in den alten und in den neuen Bundesländern. Ich warne vor diesem Abbau. Überall, wo wir Bildung und Kultur abbauen, bauen wir auch Liberalität, Humanismus und Zukunft ab. Machen Sie diesbezüglich endlich eine andere Politik! Machen Sie wirklich einmal Reformen, um die Massenarbeitslosigkeit und die soziale Ausgrenzung in dieser Gesellschaft endlich zu beenden!

    (Beifall bei der PDS)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich erteile dem Bundesminister der Verteidigung, Volker Rühe, das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Beginn eine Bemerkung zum Haushalt: Ich möchte mich bei dem Finanzminister sowie bei den Verteidigungs- und Haushaltspolitikern der Koalition bedanken. Denn ich weiß, daß es angesichts der allgemeinen Finanzschwierigkeiten nicht einfach ist, einen stabilen Haushalt im Bereich der Verteidigung vorzulegen. Aber genau das ist gelungen. Wir sind weiterhin gezwungen, äußerst sparsam zu sein. Aber das Wort gegenüber den Soldaten, daß wir eine stabile Haushaltsperspektive in den nächsten Jahren haben, ist gehalten worden.
    Das, was die Bundeswehr an Einsparungen durch Rationalisierung und auch durch Personalabbau erbringt, wird schon im Haushalt des nächsten Jahres für mehr Investitionen bis hin zu einem Anteil von 25 Prozent genutzt. Das ist auch notwendig, um die Bundeswehr in eine moderne Zukunft zu führen. Wir sind zuversichtlich, daß wir Ende der 90er Jahre auf einen Anteil von 30 Prozent kommen können.
    Ich denke, angesichts der Konferenz in Dayton, Ohio, wo in den nächsten Tagen wirklich viel auf dem Spiel steht und wo im Falle eines Friedensabkommens, wie es das bisher noch nicht gegeben hat, möglicherweise der Einsatz von NATO-Soldaten unter Einschluß der Bundeswehr für erforderlich gehalten wird, aber auch angesichts der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stände es uns gut an, in dieser Debatte nicht nur über Zahlen und den Haushalt zu sprechen, sondern uns noch einmal der ethischen Grundlagen und auch der praktischen Pflichten unserer Politik der Friedenswahrung und der Friedenssicherung zu vergewissern.
    Militärbischof Dr. Löwe hat bei dem ökumenischen Gottesdienst zum 40jährigen Bestehen der Bundeswehr hier in Bonn Worte gesagt, für die ich ihm dankbar bin. Das habe ich auf der Tagung der EKD-Synode am Sonntag auch zum Ausdruck gebracht. Er sagte:
    Wofür Soldaten einstehen, das ist nicht schon der Friede Gottes. Aber den irdischen Frieden, die Abwesenheit von Krieg, die wir zusammen mit der Politik ganz wesentlich auch der Bundeswehr verdanken, dürfen wir nicht selbstverständlich nehmen, nicht gedankenlos wahr sein lassen.
    Der Militärbischof hat die Soldaten in seiner Dankesrede als „Diener des Friedens" bezeichnet. Das hat ihnen gutgetan, und ich denke, das ist auch eine geglückte Formulierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Die Bundeswehr bereitet sich in diesen Tagen zusammen mit den Streitkräften der Verbündeten und Partner darauf vor, ihren Beitrag zu leisten, daß die leidgeprüften Menschen im früheren Jugoslawien endlich wieder in Gerechtigkeit und Frieden leben können. Krieg, Folter und Vertreibung dürfen nicht das letzte Wort behalten. Es geht darum, der humanitären Hilfe, dem Wiederaufbau und vor allem auch der Versöhnung zwischen den Völkern eine neue Chance zu geben.
    Der Präses der Synode der EKD, Dr. Jürgen Schmude, ein früherer geschätzter Kollege aus der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, schrieb vor zwei Jahren:
    Menschenrechtsverletzungen sind eine grausame Realität in unserer Welt. Sie gehen uns alle an. Sie sind nicht eine innere Angelegenheit des Einzelstaates, sondern der gesamten Staatengemeinschaft.
    So weit Jürgen Schmude. Ich denke, er hat recht.
    Außen- und Sicherheitspolitik muß Krisen und Konflikten vorbeugen oder sie am Ort ihres Entstehens eindämmen, in erster Linie mit politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Mitteln. Aber politisches Verhalten kann scheitern, wenn nicht die Bereitschaft dahinter steht, notfalls auch mit militärischen Mitteln denen in den Arm zu fallen, die eben nicht friedenswillig sind. Militärische Gewalt allein kann zwar keinen dauerhaften Frieden schaffen. Wenn aber die politischen Mittel erschöpft sind, dann können Streitkräfte als äußerstes Mittel Aggression verhindern oder den Weg zur politischen Lösung wieder ebnen, so wie wir es hoffentlich im Jugoslawien-Konflikt erleben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Einsatz militärischer Mittel kann sehr unmoralisch sein; wir haben das häufig genug in der Geschichte erlebt. Aber es kann ebenso unmoralisch

    Bundesminister Volker Rühe
    sein, Soldaten nicht einzusetzen, wenn ihr Einsatz notwendig ist, um Menschenrechtsverletzungen zu stoppen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Dafür gibt es genug Beispiele aus der jüngsten Geschichte.
    Worum es also geht, ist der verantwortliche Gebrauch von Macht, auch von militärischer Macht, zu sittlichen Zwecken. Denn wir können selbst auf Dauer nur dann in Frieden leben - auch hier in Deutschland -, wenn auch andere Völker in Europa in Frieden leben.
    Die letzten Wochen haben gezeigt, daß unser maßvolles Vorgehen von einem wachsenden Konsens in Deutschland getragen wird. Ich freue mich übrigens, Herr Verheugen, daß Sie auf der Tagung des Bundeswehrverbandes, wie mir berichtet worden ist, diesen Satz voll unterschrieben haben: daß es sehr unmoralisch sein kann, Soldaten nicht einzusetzen, um gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Ich glaube, daß die Lage in Jugoslawien ganz offensichtlich ist.
    Die Soldaten brauchen diesen Konsens. Wer nämlich bereit ist, in letzter Konsequenz mit Leib und Leben für unseren Frieden und unsere Freiheit einzustehen, der hat Anspruch auf Unterstützung durch uns alle.
    Damit komme ich zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts. Er ist nicht zu einem Zeitpunkt des tiefsten Friedens erfolgt, sondern zu einem Zeitpunkt, in dem wir zur Kenntnis nehmen müssen, daß schon heute tagtäglich Soldaten der Bundeswehr ihr Leben riskieren und es auch verlieren, damit all das verhindert wird, von dem ich hier gesprochen habe. In einer solchen Situation haben die Soldaten einen noch größeren Anspruch auf Unterstützung und entsprechende Würdigung ihrer Arbeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir müssen davon ausgehen, daß das, was die deutschen Soldaten im Zusammenhang mit der NATO-Mission leisten müssen, kein Spaziergang ist. Ich selbst habe es erlebt: Unsere Transall-Maschinen sind mit Kanonen und Raketen beschossen worden. Mit viel Glück ist ein Abschuß verhindert worden. Plötzlich aber haben wir sieben Soldaten auf einem Routineflug verloren. Wir müssen immer damit rechnen, daß Soldaten in Ausübung ihres Berufes zum Opfer werden können. Das ist ein weiterer Grund dafür, daß wir mit ihnen ganz besonders sorgfältig umgehen müssen.
    Das Bundesverfassungsgericht hat erneut über die Äußerung „Soldaten sind Mörder" entschieden. Ich meine, die Soldaten der Bundeswehr und wir alle können damit nicht zufrieden sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zwar stellt das Gericht fest, daß die wertende Gleichstellung eines Soldaten mit einem Mörder eine tiefe Kränkung ist,

    (Zustimmung bei der F.D.P.)

    der verallgemeinernde Gebrauch aber ist weiterhin straffrei. Zudem ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wieder einmal nicht so eindeutig, wie es notwendig gewesen wäre, um Rechtsfrieden zu bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Klar muß sein: Das Recht auf Meinungsfreiheit ist kein Freibrief, die Würde unserer Soldaten zu verletzen. Schließlich haben unsere Soldaten 40 Jahre lang gemeinsam mit den Truppen der Alliierten dafür gesorgt, daß die Freiheit, auch die Meinungsfreiheit, geschützt wird. Dann aber kann man nicht im Namen der Meinungsfreiheit den Soldaten den notwendigen Ehrenschutz verweigern.
    Unser Staat verpflichtet die jungen Männer zum Waffendienst, zum Wehrdienst, und verlangt von ihnen Gehorsam. Wir, der Deutsche Bundestag, tun dies. Wir haben die entsprechenden Gesetze beschlossen. Ich finde - da stimme ich mit dem überein, was als Minderheitsmeinung formuliert worden ist -: Ein Staat, der auf Grund seiner Rechtsordnung, auf Grund der Gesetze, die im Parlament verabschiedet werden, junge Männer bezüglich des Wehrdienstes, des Waffendienstes in die Pflicht nimmt, der hat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sie auf jede Weise vor jeder Ehrverletzung zu schützen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich und Sie alle mit mir, wir haben doch die Rufe während des Zapfenstreiches hier in Bonn, aber auch während des Zapfenstreichs in Erfurt, bei vielen Gelöbnissen gehört: „Mörder! Mörder!" Das ist nicht im Sinne von Tucholsky. Es ist auch nicht die serbische Soldateska, die damit angesprochen worden ist. Angetreten sind vielmehr die Wehrpflichtigen der Bundeswehr. Es muß verdammt noch mal strafbar sein, wenn in diesem Zusammenhang von Mördern gesprochen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Was wir brauchen, ist Klarheit. Die Justiz muß den Ehrenschutz für die Soldaten eindeutig gewährleisten. Ich hoffe, daß die Gerichte, an die die Verfahren zurückgegangen sind und auf die eine zukünftige Entscheidung zukommt, die notwendige Klarheit herstellen. Wenn nichts anderes hilft - da bin ich für das dankbar, was Wolfgang Schäuble gesagt hat -, müssen wir über gesetzgeberische Konsequenzen nachdenken.
    Ich sage es noch einmal: Die Gefahr für Leib und Leben unserer Soldaten wird zunehmen. Von daher wächst unsere Verantwortung gegenüber den Soldaten, dies klarzustellen.

    (Vorsitz : Vizepräsident Hans-Ulrich Klose)


    Bundesminister Volker Rühe
    Nächsten Sonntag, am 12. November 1995, dem 240. Geburtstag Scharnhorsts, legen junge Wehrpflichtige aller drei Teilstreitkräfte in Bordenau, dem Geburtsort des Reformers, ihr Gelöbnis als Soldaten der Bundeswehr ab. Ich werde dort sein und bin dankbar dafür, daß Vizepräsident Klose dort sprechen wird.
    Wir setzen damit ein Zeichen, daß die Bundeswehr die Armee der deutschen Demokratie ist. Freiheit, Menschenwürde, Recht und Hilfe sind Werte, für die die Bundeswehr seit 40 Jahren einsteht und für die sie auch in der Zukunft mit wachsendem Risiko für die Soldaten einstehen wird. Dafür verdienen sie unser aller Unterstützung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)