Herr Kollege Verheugen, ich bin Ihnen für diese Frage dankbar. Ich finde, daß wir auch die Chance nutzen sollten, das eine oder andere zu klären. Deswegen will ich Ihnen die Frage gerne beantworten. Unsere Position ist völlig klar: keine Ergänzung des Vertrages, keine Neuverhandlungen, keine zusätzlichen Voraussetzungen. Aber die Teilnehmer der Währungsunion, die hoffentlich am 1. Januar 1999 beginnen wird und an der Deutschland, weil wir dank der Politik dieser Bundesregierung die Stabilitätskriterien erfüllen, teilnehmen wird,
werden natürlich alles daransetzen müssen - dafür werden wir uns einsetzen -, daß die Kriterien auch dauerhaft erfüllt bleiben. Das ist dann Aufgabe der Teilnehmer. Das kann man „Schengen-Regime" nennen oder wie immer. Das ist eine Frage, die die Teilnehmer - es werden ja leider nicht alle 15 sein - entscheiden müssen. Aber Sie oder irgend jemand von Ihnen, Herr Kollege Verheugen, zum Beispiel Herr Scharping - wer immer mag -, müssen die Frage beantworten: Wollen Sie eine Auflösung des Vertrages? - Herr Schröder will. Von Herrn Schröder habe ich diesbezügliche Interviews hier; das müssen Sie klarstellen.
Sie haben in der nächsten Woche Ihren Parteitag. Sie, Herr Scharping, sollten dort nicht so reden, wie Sie hier geredet haben. Denn dem entnimmt jeder: Es muß etwas Ergänzendes hinzukommen, damit die Währungsunion kommt. Das ist der Punkt. Stellen Sie es klar; dann sind wir einen Schritt weiter. Lassen Sie uns um Himmels willen nicht Ängste der Menschen schüren, sondern lassen Sie uns den Menschen sagen: Die europäische Währung wird so stabil sein, wie die D-Mark immer gewesen ist, als die Union und diese Koalition in Bonn regiert haben.
Lassen Sie uns den Menschen ebenfalls erklären, daß die Währungsunion auch wirtschaftlich für uns alle von Vorteil ist. Sie haben mit großem Aplomb von der Lage der Beschäftigten in der Bauwirtschaft und vom Entsendegesetz gesprochen. Meine Damen und Herren, es zeigt sich doch eines: Ohne eine Harmonisierung im europäischen Binnenmarkt können wir weder unsere wirtschaftlichen noch unsere sozialen Probleme dauerhaft lösen. Deswegen machen wir das Entsendegesetz. Das ist aber nur eine Notlösung. Der bessere Weg ist die Harmonisierung im europäischen Rahmen; das gilt für die Umweltpolitik wie für die Sozialpolitik. Die Harmonisierung wird aber eher gefördert, wenn wir die Währungsunion zustande bringen. Wenn die Währungsunion scheitert, wird der Harmonisierungsdruck in Europa schwächer, und wir werden unsere Probleme schwerer lösen.
Deswegen werben wir so dafür, daß man begreift, daß die Währungsunion - unter der Voraussetzung, daß die Währung stabil ist; aber das ist gesichert für uns alle von Vorteil ist. Sie erst macht die wirtschaftliche Integration unumkehrbar. Sie wird den Leistungsaustausch stärken. Sie wird verhindern, daß die deutsche Wirtschaft im Wettbewerb mit anderen Europäern durch ständige Wechselkurskorrekturen zusätzliche Nachteile erleidet. Das Problem ist nicht die starke D-Mark, wie Herr Scharping zu begründen beliebt hat - ich bin gottfroh, daß wir eine starke Währung haben; darauf komme ich gleich -, sondern das Problem sind die ständigen Wechselkursveränderungen, die unsere exportierende und auch importierende Wirtschaft belasten. Das alles wird durch die Europäische Währungsunion besser. Deswegen dient sie dem weiteren wirtschaftlichen Wachstum und der Beschäftigung.
Sie wird uns auch besser ermöglichen, in der Umweltpolitik in Europa gemeinsam voranzukommen. Wir können in Wahrheit kein Problem mehr national
Dr. Wolfgang Schäuble
lösen, in der Umweltpolitik schon gar nicht. Wir dürfen in einer Lage, in der die Beschäftigungssituation so angespannt ist, wie sie ist, Umweltpolitik nicht zum Gegensatz von Beschäftigung und Arbeitsmarkt werden lassen. Deswegen ist der Weg der Grünen mit nationalen Alleingängen, der Verteuerung der Energie und damit der weiteren Verschlechterung der Standortbedingungen Deutschlands ein falscher, der uns nicht mehr Umweltschutz, sondern nur weniger Arbeitsplätze bringt.
Dies alles wird besser vorankommen, wenn die europäische Einigung fortschreitet. Deswegen muß die europäische Einigung gelingen, und darum darf sie nicht so billig populistisch ausgebeutet werden, wie es Herr Schröder angefangen und Herr Scharping gleich nachgemacht hat.
Nach Ihrer Rede, Herr Kollege Scharping, muß man in aller Kürze doch sagen: Wir haben schwierige Probleme, über die gesprochen werden muß. Wir sollten auch ein bißchen darum ringen, wer den besseren Weg hat. Sie haben uns aber leider nicht einmal den Hauch einer Alternative angeboten.
- Ich habe genau zugehört. Ich will Ihnen gleich Ihren Leitantrag für Ihren Parteitag vorlesen.
Es ist doch ein Zerrgemälde von der Wirklichkeit, wenn man von den gewaltigen Schulden und von dem ungeheuren Konsolidierungsdruck redet, dabei aber verschweigt, daß die Ausgaben im Haushalt 1996 niedriger sein werden als im Haushalt 1995. Das hat es in der Bundesrepublik seit 30 Jahren nicht gegeben. Der Erfolg dieser äußerst angestrengten Finanzpolitik ist doch, daß wir eine Preissteigerungsrate von 1,6 Prozent haben. Das ist doch ein Gütezeichen für die Finanzpolitik dieser Regierung.
Daß wir auch in schwierigen Zeiten ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum von fast 2,5 Prozent in diesem Jahr - und - nach allen Prognosen - voraussichtlich ebenfalls 2,5 Prozent im nächsten Jahr haben - und das bei Preisstabilität -, ist doch ein ungeheurer Erfolg.
Natürlich sind damit noch nicht die Probleme auf dem Arbeitsmarkt gelöst. Aber wie wollen wir sie anders lösen als dadurch, daß wir zunächst darauf setzen, unsere Wirtschaft weiter zu modernisieren? Das heißt aber auch, daß man auf moderne Produkte und technologischen - wissenschaftlichen Fortschritt setzen muß.
Ich kann Ihnen dazu Beispiele nennen; das der Energiedebatte hören Sie nicht gerne. Dabei bin ich immer noch dafür, lieber Tschernobyl stillzulegen, als im nationalen Alleingang aus der Kernenergie auszusteigen.
Die Debatte über den Transrapid ist schon herzzerreißend. Jetzt haben wir ein verkehrstechnologisches System der Zukunft, und Rot-Grün setzt alles daran, den Bau dieses Systems in unserem Lande zu verhindern und jede Marktchance und jene Zukunftschance zunichte zu machen.
- Nein, das ist nicht absurd. Herr Fischer, das ist Ihr Problem: Sie halten allgemeine Reden, und sobald es konkret wird, kneifen Sie und weichen Sie aus.
Sie haben hier gesagt, Sie seien für die Technologie der Magnetschwebebahn. Aber Sie sind dagegen, sie hier zu bauen.
Bei der SPD liest sich das wunderbar. Deswegen möchte ich Ihnen das einmal vorlesen.
Herr Scharping kennt offenbar seinen eigenen Antrag nicht; denn er hat unsere Politik zum Sozialumbau diffamiert, obwohl im Antrag der SPD zum Thema Sozialumbau steht:
Ein funktionstüchtiger Sozialstaat ist die Grundlage für soziale Sicherheit und wirtschaftliche Produktivität. Der Politik des sozialen Abbaus erteilen wir eine Absage.
Ein Umbau des Sozialstaats ist aber notwendig. Ohne Reformen sind die sozialen Sicherungssysteme nicht mehr finanzierbar.
Eine Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten ist ein Beitrag zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen.
- Ich habe das genau vorgelesen.
Jetzt frage ich Sie: Wie wollen Sie denn gesetzliche Lohnnebenkosten senken, wenn Sie nicht bereit sind, in der Sozialhilfe und in der Arbeitslosenhilfe die Anreize zur Arbeit zu verstärken, wie wir das vorschlagen? Wie wollen Sie Lohnnebenkosten senken,
Dr. Wolfgang Schäuble
wenn Sie nicht zur Reform unseres Gesundheitswesens bereit sind? Jeden konkreten Vorschlag zur Begrenzung von Lohnnebenkosten lehnen Sie ab. Deswegen bleiben Sie bei den Überschriften.
Das können wir nahezu endlos fortsetzen.
- Frau Fuchs, ich kann nicht so laut schreien wie andere.
Deswegen lassen Sie mich das leise machen.
Jeden konkreten Vorschlag, Ausgaben zu kürzen, bekämpfen Sie. Einen eigenen haben Sie nicht gemacht. Eine Stunde haben Sie geredet, nichts haben Sie vorgeschlagen. Sie werden aber Lohnnebenkosten nicht senken, wenn Sie nicht zu Einsparungen kommen. Die Umschichtung von der Finanzierung durch Sozialversicherungsbeiträge auf die Finanzierung durch den Bundeshaushalt, die Steuerzahler, führt nicht zur Senkung, führt nicht zu Einsparungen, sondern ist lediglich ein Verschiebebahnhof. Deswegen ist das der falsche Weg. Ohne Einsparungen kommen wir um dieses Problem nicht herum.