Rede von
Dr.
Klaus
Kinkel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nein, ich möchte meine Ausführungen zu Ende bringen.
Der Schaden, den Sie in Europa anrichten, steht jedenfalls in keinem Verhältnis dazu. Für unsere Nachbarn ist das, was Sie betreiben, ein klarer D-MarkNationalismus. Sie schaden damit unseren Bürgern und unserem Land, was unser Ansehen in Europa anbelangt.
Wir haben uns zu Maastricht doch nicht verpflichtet, weil wir anderen einen Gefallen tun wollen, sondern weil wir eine stabile, gemeinsame europäische Währung haben wollen, und diese werden wir zustande bringen. Da werden auch Sie zustimmen; da bin ich sicher.
Während Sie europapolitisches Porzellan zerschlagen - ich höre es ja draußen, wieviel Porzellan durch Ihre Bemerkungen zerschlagen worden ist; Sie hören es leider nicht so -, bereiten wir zusammen mit Frankreich eine gemeinsame Position für die Regierungskonferenz 1996 vor. Sie wird solide sein, und auf sie wird Verlaß sein.
Herr Verheugen, ich möchte zu dem, was Sie heute morgen gesagt haben, noch eine Anmerkung machen. Sie wollten uns jagen, wenn ich das richtig verstanden habe. Noch vor kurzem haben Sie im „Vorwärts" großspurig angekündigt, Sie wollten die deutsche Außenpolitik in Frage stellen. Sie waren - das muß ich Ihnen leider entgegenhalten - der Geist, der stets verneint.
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Sie waren immer destruktiv und nicht konstruktiv.
Von Ihrer Kritik ist nicht viel übriggeblieben.
- Sie, Herr Fischer, sollten Ihre Pirouetten in der Zirkuskuppel drehen, um Ihr Bündnis in die Richtung zu bringen, wo Sie es gerne hätten. Sie wollen mich ja ablösen. Dazu müssen Sie allerdings in der Außen- und Sicherheitspolitik noch ein bißchen bündnisfähiger werden und noch ein bißchen drauflegen.
Meine Damen und Herren, wer die Konflikte unserer Zeit von Bosnien über den Nahen Osten bis nach Algerien verfolgt, stößt immer wieder auf eine Frage, die bei uns in der Außenpolitik zu sehr vernachlässigt wird: unser Verhältnis zum Islam. Deshalb halte ich es für eine der wichtigsten politischen Aufgaben, zu den islamischen Völkern, zu der Religion, zu der Kultur von 1,2 Milliarden Menschen - 23 Prozent der Menschheit - eine Brücke des' Vertrauens und des Dialogs zu schlagen.
Das ist das Ziel der Konferenz am 15./16. November 1995, zu der ich sieben Außenminister aus islamischen Ländern und rund 250 Islamexperten nach Bonn eingeladen habe. Ein solcher Dialog heißt nicht - das sage ich mit Nachdruck -, daß wir falsche Rücksicht nehmen oder womöglich unsere Grundüberzeugungen in Frage stellen. Toleranz ist keine Einbahnstraße; das habe ich bei der Einweihung der KönigFahd-Akademie in Bonn sehr deutlich gemacht. Die Freiheit des Wortes, der Schutz des Lebens oder das Verbot von Folter ist nicht verhandelbar.
In Deutschland leben wir mit über 2 Millionen Muslimen friedlich zusammen, die meisten von ihnen türkischer Herkunft. Die Türkei ist unser Freund. Ihre Probleme lassen uns nicht los. Wir müssen die Zollunion erreichen. Wir müssen aber auch sehen, wenn in der Türkei Fortschritte gemacht werden. Es hat ein paar Fortschritte gegeben. Art. 8 des Antiterrorgesetzes ist geändert worden. Immerhin sind 77 Personen freigelassen worden - zuwenig, viel zuwenig. Aber wir sollten sehen, daß die Bemühungen bei der türkischen Regierung vorhanden sind. Wir müssen der Türkei helfen, aus ihrer Bedrängnis herauszukommen.