Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Montag hat die Welt in Jerusalem Yitzhak Rabin, einen großen Staatsmann, zu Grabe getragen. Uns Deutsche berührt diese Tragödie in besonderer Weise. Wir fühlen für das Schicksal des israelischen Volkes Verantwortung.
„Genug der Tränen, genug des Leids", das waren die Worte von Yitzhak Rabin bei der Unterzeichnung der israelisch-palästinensischen Grundsatzerklärung im Weißen Haus am 13. September 1993. Frieden und Versöhnung, das ist sein Vermächtnis. Daß dies in Erfüllung geht, wünschen wir in diesen Tagen von Herzen Israel, dem palästinensischen Volk und allen arabischen Nachbarn.
Einige von uns waren bei der bewegenden Trauerfeier in Jerusalem dabei. Wir spürten bei aller tiefen Trauer: Diese schreckliche Mordtat hat die Hoffnung auf Frieden nicht zerstören können. Shimon Peres, dem Freund, wünschen wir, wünsche ich viel Glück.
Auch für das ehemalige Jugoslawien besteht erstmals eine realistische Friedenschance. In Ohio sitzen sich die Präsidenten Tudjman, Izetbegovic und Milosevic zum erstenmal direkt gegenüber. Für eine Prognose über Dauer und Erfolg dieser Verhandlungen ist es noch zu früh. Ich hatte gestern unseren Verhandlungsführer, den Politischen Direktor des Auswärtigen Amtes, Ischinger, zum Bericht gebeten. Ein ganz wichtiger und guter Schritt war die auf deutsche und amerikanische Initiative hin erzielte Vereinbarung zur Rückkehr von kroatischen und bosnischen Vertriebenen in ihre Heimatorte. Vertrauen schaffen ist jetzt mit weitem Abstand das Wichtigste.
Entsetzliches ist geschehen. Der Haß, die Entfremdung war und ist übergroß. Es ist außerordentlich schwierig, Brücken zu schlagen und sich die Hand zu reichen. Aber ist es nicht ein Fortschritt, daß wenigstens jetzt weitgehend die Waffen schweigen? Ist es nicht ein Fortschritt, daß die Menschen in Sarajevo, Bihac und Gorazde wieder frei atmen und zumindest mit dem Nötigsten versorgt werden können? Gewiß, dort ist alles noch sehr fragil. Aber es muß einfach gelingen, noch vor Weihnachten zu einer Friedensvertragsregelung zu kommen.
Wir Deutschen werden dazu beitragen, was wir nur können.
Was muß - Herr Verheugen, Sie haben die Frage gestellt - geschehen? Es geht zunächst um die Aushandlung der territorialen Frage. Es geht um Verfassungsfragen. Sie haben gefragt, wer hilft: Der deutsche Verfassungsrechtler und frühere Verfassungsrichter Professor Steinberger ist in Ohio dabei. Es geht um Rüstungskontrolle. Das ist unser ganz besonderes deutsches Anliegen. Es geht um die Flüchtlingsfrage, an der wir mit am meisten interessiert sind; denn wir haben mehr als doppelt soviel Flüchtlinge wie alle anderen Europäer zusammen in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen, über 400 000. Es geht um die Wiederaufbauproblematik, an der wir uns beteiligen wollen. Ja, Herr Verheugen, auch die Serben sollen und müssen ihren Platz in Europa wieder finden. Aber dafür sind natürlich Voraussetzungen notwendig. Menschen- und Minderheitenrechte müssen anerkannt werden. Und: Gewalt darf sich nicht gelohnt haben.
Es hat keinen Sinn - dazu ist es zu früh -, hier über alle Einzelheiten zu sprechen. Ich habe jedenfalls die Hoffnung, daß es uns - mit entscheidender deutscher Hilfe - gelingt, noch vor Weihnachten zu einer Lösung zu kommen.
Zur militärischen Absicherung eines Friedensschlusses - das ist nun leider einmal notwendig - hat das Kabinett am 24. Oktober 1995 den deutschen Beitrag in seinen Grundzügen festgelegt. Wir haben uns für die leidgeprüften Menschen in Bosnien entschieden, für unsere Partnerschaftsfähigkeit. Aber wir wollen das mit Augenmaß tun. Ich freue mich, daß die SPD und ein kleiner real existierender Teil der Grünen jetzt auf unsere Politik eingeschwenkt sind. Besser spät als nie.
Die positive, unaufgeregte Reaktion in der Öffentlichkeit zeigt im übrigen, daß die Bevölkerung ein völlig anderes, ein besseres Gefühl hat. Manchmal reagiert sie besser, ruhiger, gelassener und richtiger als mancher Politiker.
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Die Bürger spüren, daß man sich nicht wegdrehen kann, wenn die Menschenrechte um uns herum mit Füßen getreten werden. Sie sind zu intelligent, um auf den Popanz, der im Hinblick auf Militarisierung aufgebaut wird, hereinzufallen. Schließlich sehen sie auch, welch großes Vertrauen sich die Bundeswehr mit ihren bisherigen Leistungen bei Friedensmissionen erworben hat. Vierzig Jahre Bundeswehr sind ein ganz wichtiger Beitrag zum Frieden in Europa und der Welt, auf den wir stolz sein können. Wir brauchen unsere Soldaten auch in Zukunft, um deutsche Außen- und Sicherheitspolitik so zu gestalten, wie es unseren deutschen Interessen entspricht: verläßlich, berechenbar, wert- und bündnisorientiert.
Unsere Soldaten dienen dem Frieden und nicht dem Krieg. Sie sind bereit, dafür notfalls Leib und Leben einzusetzen. Dafür sind wir ihnen Dank und Achtung schuldig.
Deshalb ist es zwingend und dringend notwendig, daß wir uns vor sie stellen, wenn sie für ihre Pflichterfüllung auch noch angegriffen und verunglimpft werden. Ich habe noch die „Mörder, Mörder! "-Rufe im Hofgarten im Ohr. Sie waren leider unüberhörbar.
Es mag sein, daß in einem liberalen Rechtsstaat, den wir haben und auf den wir stolz sind, solche Ausschreitungen eines Pöbels vielleicht nicht zu verhindern sind. Um so mehr gilt aber dann, daß unsere Soldaten vor Verunglimpfungen geschützt werden müssen, auch von unseren Gerichten.
Unsere Soldaten sind kein Freiwild für Verhöhnung!
Meine Damen und Herren, die europäische Integration - Herr Verheugen, ich habe mich über das gefreut, was Sie heute dazu gesagt haben - bleibt ein Schlüssel für eine gute Zukunft unseres Landes. Allerdings scheint die SPD nach ihrem Rückzug beim Thema Bosnien jetzt ein neues sozialdemokratisches Experimentierfeld für den Alleingang aufmachen zu wollen. Herr Scharping, wer von Europa als irgendeiner Idee spricht,
wer wie Herr Schröder, der sowieso alles und jedes mit großen Luftnummern auf- und angreift und dann meist schnell wieder zurückziehen muß, darin endlich ein „großes nationales Thema" für die SPD sieht, der ist wirklich von allen europapolitischen guten Geistern verlassen.
Sie haben - es ist heute morgen schon einmal gesagt
worden - dem Vertrag von Maastricht hier doch zugestimmt. Darauf waren Sie stolz; das haben Sie
heute morgen extra gesagt. Was gilt nun eigentlich? Ich frage Sie: Wer spricht für die SPD?
Ist es Herr Schröder? Ist es Herr Scharping? Ist es Frau Wieczorek-Zeul, oder ist es Herr Hänsch, der als Präsident des Europaparlaments vor „nationalistischem Stammtischgeschwätz" - das wirft er Ihnen vor - gewarnt hat?
Glauben Sie denn wirklich, daß es sich beim Wähler auszahlt, wenn Sie Ängste und Sorgen entfachen? Ich glaube das nicht! Dafür ist Ihre Suche nach einem vordergründigen Thema zu populistisch und zu billig.