Nein, Frau Präsidentin; ich möchte das jetzt einmal ausführen.
Wir jedenfalls betreiben eine Politik für Wandel und für Veränderungen, die auf Ihrer Seite überhaupt keine Hilfe findet. Ihre Partei stellt überall Tabuwächter auf, die sofort aufpassen, daß sie dann, wenn irgend etwas verändert werden soll, den Bannstrahl gegen die schleudern, die Veränderung wollen. Das ist die Position der SPD, und Sie werden aus diesen Schützengräben nicht herauskommen, wenn Sie nicht großen Mut aufwenden und sich dem strukturellen Wandel stellen.
Im übrigen, Herr Kollege Fischer, merken Sie das doch auch in der Vereinbarung mit den Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen. Das Thema Garzweiler ist doch nur ein Symbol dafür, wie der Wandel in unserer Industriegesellschaft bewältigt wird. Sie haben ja dort einen Formelkompromiß geschlossen; an sich lassen Sie ja zu, daß Garzweiler jetzt kommt. Aber die SPD sitzt doch seit Jahrzehnten auf Ladenhütern der Energiepolitik, die heute überhaupt nicht mehr tragen.
Dann stellt sich Herr Verheugen hier hin und sagt, die Sozialdemokraten seien die großen Modernisierer. Nein, Sie sind die Bremser; Sie handeln nach dem Motto „Das haben wir immer schon so ge-
Dr. Wolfgang Gerhardt
macht" oder „Das haben wir noch nie so gemacht" oder „Da könnte ja jeder kommen" oder „Wo kämen wir denn da hin?". In der Koalition ist Bereitschaft zur Veränderung zu finden, weil wir wissen, daß sich um uns herum alles verändert hat, daß nach dem Wegfall von Mauer und Stacheldraht große Herausforderungen wie die Globalisierung der Märkte auf uns zukommen. Sie verharren hier in dem alten Konservendosen-Denken der 70er Jahre, in denen wir jährlich beträchtliche Wachstumsraten hatten und die Politik den Wettbewerb um Verteilung machte. Das ist der Unterschied zwischen Koalition und Opposition.
Zu Ihrer eigenen Beruhigung und meiner Hilfestellung lese ich Ihnen jetzt aus einem Interview mit Helmut Schmidt vor. Helmut Schmidt hat schon 1994 in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche" auf die Frage:
Wie beurteilen Sie den SPD-Plan, Spitzenverdiener stärker zu belasten?
erklärt:
Wer nur die hohen Einkommen und Vermögen treffen will, muß sich fragen, ob er noch mehr Kapital- und Wohnungsverlagerungen nach Luxemburg, Monaco und anderswohin auslösen will.
Er hat hinzugefügt:
Das ist ebensowenig durchdacht wie die Pflegeversicherung. Die wird keine drei Jahre so laufen, das war eine gutgemeinte Idee, aber zum völlig falschen Zeitpunkt.
Ich zitiere das auch, weil es voll meiner Auffassung entspricht.
Dann hat man ihn auch gefragt: Wie hätten Sie es denn lieber?
Darauf hat Helmut Schmidt geantwortet:
Mir wäre es lieber, wenn das gesamte deutsche Sozialversicherungssystem generalüberholt würde. Der Abstand der Sozialleistungen von den regulären unteren Einkommen muß wieder deutlicher werden.
Potz Blitz! Das sagen wir seit Jahren. Sie beschimpfen uns dafür.
Das Interview mit Schmidt ist aber noch nicht zu Ende. Es wird auch noch gefragt - das gehört ja zu den berühmten Rezepten -:
Was halten Sie von einem subventionierten zweiten Arbeitsmarkt, um die Arbeitslosenzahl zu senken?
Großes Thema. Wissen Sie, was der Mann antwortet? Er antwortet:
Nichts. Das sagt er ganz glatt. Er fügt hinzu:
Je mehr der Staat eingreift, desto mehr geht schief. Die Sache ist ganz klar! Weil die unteren Lohngruppen zu stark angehoben worden sind, sind zu viele Arbeitsplätze weggefallen.
Ja, Herr Scharping, der Mann hat recht; er hat völlig recht. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel! Beschimpfen Sie uns nicht, wenn man Ihnen diese nüchternen Erkenntnisse eines großen Sozialdemokraten vorhält. Es ist die Wahrheit: Sie sind gegenwärtig zu einem flexiblen Wandel nicht in der Lage.
Dann will ich für die Freie Demokratische Partei ganz deutlich sagen: Jeder, inklusive Herrn Fischer, erklärt, die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland sei zu hoch. Wenn man sich dann aber daranmacht, eine Substanzbesteuerung wie bei der Gewerbekapitalsteuer zurückzuführen, hemmen Sie.
Die könnten wir schon in acht Wochen los sein, wenn Sie zur Entscheidung bereit gewesen wären.
Jetzt müssen wir ein Jahr länger warten, weil die Sozialdemokraten mehr Zeit brauchen,
obwohl jeder von Ihnen schon zugegeben hat, da finde eine Substanzbesteuerung statt.
Wir würden auch gerne die mittelstandsfreundliche Senkung der Gewerbesteuer nach Ertrag umsetzen, weil wir für Arbeitsplätze sind. Die Freie Demokratische Partei will Steuern nicht senken, um irgend jemandem in Deutschland ein dickeres Portemonnaie zu verschaffen,
sondern wir wollen eine Unternehmensteuerreform, weil wir Arbeitsplätze in Deutschland schaffen wollen - zu keinem anderen Zweck.
Dieses Konzept dieser Koalition steht einem alternativen Konzept gegenüber: Noch immer glauben Sozialdemokraten und Grüne, es sei besser, den Menschen erst einmal etwas abzunehmen, um es dann erneut nach ihrem Gusto auf andere zu verteilen. Daß dies nicht funktioniert, daß dies Leistung zum Erlahmen bringt, daß dies die Menschen vom Sparen wegbringt und daß dies Menschen verärgert, ist ebenso klar. Deswegen sage ich der versammelten Opposition: Es gibt in diesem Hause keine Mehrheit für das Konzept, den Leuten erst mehr aus der Tasche zu ziehen und es dann nach sozialdemokrati-
Dr. Wolfgang Gerhardt
schem Rezept auf andere zu verteilen. Das wird keine Chance haben.
Deshalb erkläre ich für die F.D.P. sehr deutlich: Wenn man über Senkungen der Steuer- und Abgabenbelastungen redet, dann muß man das auch umsetzen. Es ist das Ziel der Freien Demokratischen Partei, noch in dieser Legislaturperiode - nach unserer Zielvorstellung ab 1997 - die Belastungen zurückzuführen. Wir müssen die Kraft haben, auch im Haushalt einen Sparkurs zu fahren. Wir beginnen das jetzt, wir setzen das in der Koalition fort, und wir wollen ein Signal an die Öffentlichkeit geben. Wenn in Deutschland eine politische Konstellation die Kraft hat, Steuern zu senken, dann muß es die Konstellation aus CDU, CSU und F.D.P. sein.
Die F.D.P. wird entscheidend darauf drängen, daß in dieser Legislaturperiode eine Entlastung stattfindet, weil die Zukunft für den Standort Deutschland nicht darin liegt, den Menschen mehr abzunehmen, sondern darin, ihnen weniger abzunehmen. Wir wollen Menschen eine Chance belassen und nicht staatliches Umverteilen fördern.