Nein. - Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat in diesen Tagen der SPD-Alleinregierung in Niedersachsen geschrieben, er sei bestürzt über die konzeptionslose, verworrene und sparwütige Sozial- und Jugendpolitik in Niedersachsen. Planvolles und verläßliches Handeln sei nicht mehr feststellbar.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund, der DGB-Landesbezirk Niedersachsen/Bremen, wirft der SPD-Alleinregierung in Niedersachsen vor, in der Arbeitsmarktpolitik sei Niedersachsen Schlußlicht unter allen Bundesländern.
Niedersachsen und das Saarland - ausgerechnet die beiden Länder mit absoluter SPD-Mehrheit - sind unter den deutschen Flächenländern die Spitzenreiter in Sachen Arbeitslosigkeit. In der Finanzpolitik
sind Schröder und Lafontaine die Weltmeister im Schuldenmachen. Das ist die Wahrheit.
Schröders Wahlkampfversprechen vor einem Jahr: Wir machen jedes Jahr weniger Schulden. Zur Zeit sieht es so aus: Die Staatsverschuldung steigt und steigt und steigt. Ich sage das deswegen, weil es jeder Glaubwürdigkeit entbehrt, wenn Sie vor diesem Hintergrund eine auch im internationalen Maßstab erfolgreiche Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik dieser Bundesregierung angreifen, während Sie selbst dort, wo Sie mit absoluter Mehrheit nach sozialdemokratischen Vorstellungen handeln und entscheiden können, auf geradezu klägliche Weise versagen.
Noch toller finde ich eigentlich, daß Sie - ich sage das noch einmal -, die Weltmeister im Schuldenmachen, sich zu Hütern der Geldwertstabilität aufspielen, wenn es um das Thema Wirtschafts- und Währungsunion geht. Das ist schon ein starkes Stück.
Ich beziehe mich jetzt auf ein Interview mit Gerhard Schröder, der die Meßlatte immer höher legt.
Er fing damit an, der Bundeskanzler müsse wissen, daß er scheitere, wenn Italien bei der Währungsunion nicht dabei sei.
Dann hat er geradezu unverhohlene und offene Begeisterung gezeigt, endlich ein nationales Wahlkampfthema gefunden zu haben. Heute sagt er, die Währungsunion könne nicht zustande kommen; der Zeitplan müsse verschoben werden, wenn Italien, Spanien oder Großbritannien nicht dabei wären.
Sie kennen doch auch die besorgten Stimmen aus Ihrer eigenen Partei zu dieser Kampagne. Was heißt es denn, wenn der Präsident des Europäischen Parlaments, Klaus Hänsch, SPD, sagt:
Ich kann die SPD nur davor warnen, die Ängste der Bevölkerung vor der geplanten Einführung der EU-Währungsunion zum Wahlkampfthema zu machen. Die SPD kann auf einer nationalistischen Welle keine Wahlen gewinnen.
Was heißt es denn, wenn er sagt: „Da werden die Balken des eigenen Hauses verbrannt"?
Rudolf Seiters
Was heißt es denn, wenn Heide Simonis sagt: „Ich warne vor Stammtischdebatten" und wenn der thüringische Europaabgeordnete Gerhard Botz von einem „Schlag unter die Gürtellinie" spricht, der um so unverständlicher sei, als Scharping ja auch Vorsitzender der europäischen Sozialdemokraten sei.
Das ist ein massiver Fehler, das kann ich nicht mehr als Ausrutscher werten.
Wulf-Mathies und viele andere haben sich geäußert. Ich appelliere an Sie, diese Kampagne einzustellen. Ich warne die SPD, dieses zentrale Anliegen als Wahlkampfverfügungsmasse zu betrachten.
Nun zu den außenpolitischen Thesen des Kollegen Verheugen. Ich denke, daß die Außen- und Sicherheitspolitik eines der klassischen Beispiele dafür ist, wie isoliert die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist und wie unrealistisch ihre Positionen sind. Vor kurzem hat der „Vorwärts" vor einem Militarismus in der deutschen Außenpolitik gewarnt. Das ist wirklich abwegig.
Die SPD werde nicht zulassen, daß Außenpolitik auf die Frage von Bundeswehreinsätzen reduziert werde, hieß es weiter im „Vorwärts". Es ist unsinnig, das der Bundesregierung vorzuwerfen.
Über das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu seinen Nachbarn führt er aus: Die deutschfranzösischen Beziehungen seien nicht belastbar, das Verhältnis zu den Niederlanden sei überlagert von der Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts, die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Tschechischen Republik seien immer noch vergiftet, das Verhältnis zu Polen sei so zerbrechlich wie feinstes Glas.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die Äußerungen von Herrn Scharping, der sich zu der Absurdität verstieg, die Bundesregierung sei mit ihrer Bosnien-Politik international isoliert. Wer ein solches Zerrbild verbreitet, ist weder regierungs- noch oppositionsfähig.
Niemals war das Vertrauen in das demokratische Deutschland und der Wunsch nach Zusammenarbeit größer als heute. Das hat eben mit der jetzt 13jährigen Kanzlerschaft von Helmut Kohl und mit der Stetigkeit und Verläßlichkeit dieser Bundesregierung zu tun.
Deutschland ist ein absolut verläßlicher Partner im Bündnis. Deutschland ist ein konsequenter Verfechter europäischer Integration und atlantischer Partnerschaft. Deutschland ist Anwalt der Interessen unserer osteuropäischen Nachbarn. In Warschau, Budapest oder Prag hören Sie den Dank dafür, daß sich
Deutschland konsequent für den Beitritt dieser Länder zur NATO und zur Europäischen Union einsetzt.
Deutschland ist Partner Rußlands bei dessen schwerem Weg von der Diktatur zu Demokratie und Marktwirtschaft. Unstreitig ist auch, daß Deutschland hohes Ansehen in den Ländern der dritten und vierten Welt genießt. Wie wäre es wohl um das Ansehen Deutschlands bestellt, wenn Verheugen unsere deutschen Interessen bei der NATO, Lafontaine in Washington, Gerhard Schröder als Menschenrechtsexperte in Peking und Heide Wieczorek-Zeul in Paris vertreten würden?
Wie wäre es wohl um unsere deutschen Interessen bestellt?
Wir können uns keine außenpolitische Sonderrolle und keine bündnispolitischen Experimente leisten. Wir sind darüber froh, daß der kalte Krieg zu Ende ist. Der Kommunismus ist gescheitert, die osteuropäischen Staaten bewegen sich hin zu Demokratie und Marktwirtschaft. Wir haben die staatliche Einheit Deutschlands erreicht.
Aber wir sehen auch die neuen Gefährdungen: Mord und Krieg im ehemaligen Jugoslawien, Nationalitätenkonflikte, Unsicherheiten über den politischen Kurs Rußlands, die Gefährdungen durch einen fundamentalistischen islamischen Extremismus und vieles andere mehr. Vor diesem Hintergrund brauchen wir auch künftig ein klares Programm zur äußeren Sicherheit. Wir brauchen auch künftig die NATO und die Bundeswehr, wir brauchen auch künftig eine Partei, die sich vor die Soldaten stellt, wenn diese mit Mördern verglichen werden.
Wir brauchen auch künftig Solidarität im Bündnis und eine Politik, die die europäische Einigung voranbringt.
Herr Verheugen, es war doch eine ganz unselige Diskussion in den vergangenen Monaten mit Ihrer Partei über den Einsatz der Bundeswehr bei friedenserhaltenden und friedenschaffenden Maßnahmen. Ich will in Erinnerung rufen: Am 8. April 1993 hat das Bundesverfassungsgericht Ihre Klage gegen einen Einsatz von Bundeswehrsoldaten in AWACS-Flugzeugen bei der Überwachung des Flugverbots über dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien mit der Begründung abgelehnt, daß sonst großer außenpolitischer Schaden entstehen würde.
Am 12. Juni letzten Jahres hat das Bundesverfassungsgericht all Ihren Versuchen, das Grundgesetz hinsichtlich der Möglichkeit einer Teilnahme von Bundeswehrsoldaten an Friedensmissionen einzuengen, eine klare Absage erteilt. Am 30. Juni dieses Jahres haben Sie hier im Parlament gegen den
Rudolf Seiters
Beschluß der Bundesregierung gestimmt und damit auch ein Stück Solidarität gegenüber den geschundenen Menschen in Sarajevo und Bosnien und gegenüber unseren Verbündeten verweigert.
Als gäbe es keinen Anlaß, aus diesen Fehlentscheidungen die richtigen Lehren zu ziehen, als hätten Sie immer noch nicht mitbekommen, daß erst der NATO-Einsatz den Waffenstillstand in Bosnien ermöglicht hat,
wollen Sie jetzt - sehen Sie doch einmal in Ihre Papiere zum Parteitag in Mannheim! - in Mannheim halsstarrig Ihre Fehlentscheidung vom 30. Juni auch noch sanktionieren lassen. Ausdrücklich bekräftigen Sie Ihre Ablehnung vom 30. Juni bezüglich des Beschlusses der Bundesregierung. Es ist unglaublich. Sie wollen immer noch den Wiesbadener Parteitagsbeschluß festklopfen, daß man eine Trennlinie zwischen klassischen Peace-keeping-Missionen und friedenschaffenden Maßnahmen ziehen könnte, als hätte es sich nicht herumgesprochen, daß dies gar nicht möglich ist.
Meine Damen und Herren, jetzt will ich aus den Vorlagen zum Mannheimer SPD-Bundesparteitag zitieren und zeigen, wie Sie Ihre eigenen Parteitagsdelegierten manipulieren. Ich frage: Was bedeutet der Umstand, daß die Antragskommission den Beschluß des Wiesbadener Parteitags zu den Prinzipien von Peace-keeping wörtlich zitiert - wörtlich zitiert! -, dabei aber unvollständig bleibt und ein wichtiges in Wiesbaden beschlossenes Kriterium unterschlägt? Dort wurden folgende Kriterien genannt: die prinzipielle Zustimmung der Konfliktparteien, die strikte Neutralität gegenüber den Konfliktparteien, rein defensive Bewaffnung und Einsatzkonzeptionen. Die Passage mit der strikten Neutralität ist im Antrag für den Mannheimer Parteitag nicht zitiert.
Sie wird unterschlagen. Worüber will die SPD die deutsche Öffentlichkeit damit täuschen?
Wir sagen, Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wer 40 Jahre lang Sicherheit importiert hat, der muß auch umgekehrt bereit sein, Solidarität im Bündnis zu üben. Wir lassen jedenfalls keinen Zweifel daran, daß die Bundesrepublik Deutschland auch bei der künftigen Suche nach einer Friedenslösung für Bosnien-Herzegowina ihren vollen solidarischen Beitrag leisten wird.
Wir haben im übrigen in diesem Zusammenhang eine Diskussion geführt, wie wir es denn künftig mit Flüchtlingen aus Kriegsgebieten halten. Ich habe damals beim Ringen um den Asylkompromiß gesagt: Bei allem Verständnis für Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns in die Bundesrepublik
Deutschland kommen wollen, gehört die Hilfe unseres Landes in erster Linie den politisch Verfolgten und den Opfern von Krieg und Bürgerkrieg. Diese Hilfe könnten wir am besten dann leisten, wenn es uns gelänge, den Zustrom von Asylbewerbern, die aus wirtschaftlichen Gründen über unsere Grenzen kommen, zu begrenzen und wirksam zu steuern. - Das gilt auch heute.
Vor diesem Hintergrund habe ich allerdings die dringende Bitte an die Sozialdemokraten, den Asylkompromiß, den wir damals nach jahrelanger Diskussion beschlossen haben, nicht wieder in Frage zu stellen. Wenn Frau Däubler-Gmelin jetzt fordert, den Asylkompromiß insbesondere bei der Flughafenregelung und der Drittstaatenregelung zu ändern, dann kann ich nur sagen: Sie spielen mit dem Feuer. Wer immer in der gegenwärtigen Situation der politischen, der justizpolitischen und der verfassungsrechtlichen Diskussion das falsche Signal gibt, durch das die alten Probleme wieder aufgeworfen werden, der gefährdet erneut den inneren Frieden in unserem Lande, den wir mühsam hergestellt haben.
Wer eine Änderung des Asylkompromisses fordert, hat offensichtlich die provozierenden Bilder von geschleppten und geschleusten Asylbewerbern an den deutschen Grenzen und insbesondere auf dem Flughafen in Frankfurt vergessen.
Alle, die in Diskussionen in polemischer und wahrheitswidriger Weise behauptet haben - da können Sie auch in Ihre eigenen Reihen schauen, Herr Kollege Fischer -, der Asylkompromiß mache Deutschland zu einer Festung und schließe die deutschen Grenzen hermetisch ab, sind doch von der Praxis total widerlegt worden.
Es kommen jeden Monat 8 000 bis 9 000 Asylbewerber in unser Land, aber es kommen monatlich eben nicht mehr 50 000, die unsere Gemeinden völlig überforderten.
Ich bin für eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalles. Es muß bei Abschiebungen human zugehen, und jeder Verantwortliche ist bei der praktischen Durchführung des Gesetzes ganz persönlich gefordert. Aber jetzt erneut am Gesetz herumzubasteln, da kann ich nur sagen: Bedenke das Ende. Wer immer im politischen Bereich oder auch bei Gericht zu entscheiden hat, trägt eine große Verantwortung für den inneren Frieden. Wir seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden jedenfalls alles tun, damit eine solche Gefährdung des inneren Friedens nicht wieder eintritt.