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ID1305909300

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    Plenarprotokoll 13/59 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 59. Sitzung Bonn, Freitag, den 29. September 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Ludger Volmer, Angelika Beer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neue europäische Sicherheitsarchitektur und die Rolle der französischen Atomwaffen (Drucksache 13/2456) b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Andrea Lederer und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Artikel 26) (Drucksache 13/2392) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Andrea Lederer, Gerhard Zwerenz, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Neue europäische Friedensordnung und deutsch-französische Nuklearkooperation (Drucksache 13/2439) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Fraktion der SPD: Keine Atomwaffentests durch China und Frankreich (Drucksache 13/2443) Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4979D Dieter Schloten SPD 4981 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (zur GO) 4982C, 5002 B Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4982 D Karl Lamers CDU/CSU 4983 B Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4984 D Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . 4985B, 4990 B Ulrich Irmer F.D.P 4987C, 4990A Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD - 4989 C Andrea Lederer PDS 4990 C Uwe Hiksch SPD 4992 A Helmut Schäfer, Staatsminister AA . . 4992 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4994 A Dr. Alfred Dregger CDU/CSU 4994 C Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 4995D Helmut Schäfer (Mainz) F.D.P. . . . 4998A, C Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . 4998 D Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . 5000 C Wolf-Michael Catenhusen SPD 5001 D Joachim Hörster CDU/CSU (zur GO) . 5002 C Jörg van Essen F.D.P. (zur GO) 5003 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS (zur GO) . 5003C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (zur GO) 5003 D Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU (zur GO) 5004 B Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Fraktion der SPD: Modernisierung der öffentlichen Verwaltung (Drucksache 13/2206) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Oswald Metzger und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verwaltungsreform ist Staatsreform (Drucksache 13/2464) Fritz Rudolf Körper SPD 5005 B Eduard Oswald CDU/CSU 5008 A Otto Schily SPD 5008D, 5010 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5010A Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. . . . 5012 B Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . 5013 B Maritta Böttcher PDS 5015 D Dietmar Schlee CDU/CSU 5017 B Dr. Willfried Penner SPD 5017 C Jochen Welt SPD 5020 A Meinrad Belle CDU/CSU 5021 D Tagesordnungspunkt 15: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umstellung der Steinkohleverstromung ab 1996 (Drucksachen 13/2419, 13/2471) Hartmut Schauerte CDU/CSU 5023 B Volker Jung (Düsseldorf) SPD 5024 A Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5025 D Paul K. Friedhoff F.D.P 5026 C Rolf Köhne PDS 5027 A Peter Jacoby CDU/CSU 5027 D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 5028C Tagesordnungspunkt 16: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beendigung der Strafverfolgung für hoheitliches Handeln von DDRBürgern und über die Gewährung von Straffreiheit für Handlungen, bei denen der Strafzweck mit Herstellung der deutschen Einheit entfallen ist (Strafverfolgungsbeendigungsgesetz) (Drucksache 13/1823) b) Antrag der Gruppe der PDS: Anpassung, Änderung und Ergänzung des Einigungsvertrages sowie konsequente Verwirklichung der in ihm enthaltenen Rechtsansprüche der Bürgerinnen und Bürger der neuen Bundesländer (Drucksache 13/2226) Dagmar Enkelmann PDS (zur GO) . . 5029D Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU (zur GO) 5030D Dr. Christa Luft PDS 5031 B Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU . . 5032C, 5034 D Dr. Ludwig Elms PDS 5034 B Rolf Schwanitz SPD 5035 A Monika Brudlewsky CDU/CSU . . . 5036A Wolfgang Bierstedt PDS 5036 B Wolfgang Bierstedt PDS 5037 A Monika Brudlewsky CDU/CSU 5037 C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5033D, 5040 D Dr. Klaus Röhl F.D.P. 5039 B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 5040 B Steffen Tippach PDS 5041 C Nächste Sitzung 5041 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5043* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5044* A Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. September 1995 4979 59. Sitzung Bonn, Freitag, den 29. September 1995 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 29. 9. 95 Antretter, Robert SPD 29. 9. 95 * Austermann, Dietrich CDU/CSU 29. 9. 95 Behrendt, Wolfgang SPD 29. 9. 95 * Berger, Hans SPD 29. 9. 95 Blunck, Lilo SPD 29. 9. 95 * Bohl, Friedrich CDU/CSU 29. 9. 95 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 29. 9. 95 * Dr. Däubler-Gmelin, SPD 29. 9. 95 Herta Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 29. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 29. 9. 95 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 29. 9. 95 * Formanski, Norbert SPD 29. 9. 95 Fuchs (Verl), Katrin SPD 29. 9. 95 Geiger, Michaela CDU/CSU 29.9. 95 Haack (Extertal), SPD 29. 9. 95 * Karl Hermann Heym, Stefan PDS 29. 9. 95 Hirche, Walter F.D.P. 29. 9. 95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 29. 9. 95 Hollerith, Josef CDU/CSU 29. 9. 95 Horn, Erwin SPD 29. 9. 95 * Hornung, Siegfried CDU/CSU 29. 9. 95 * Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 29. 9. 95 Klemmer, Siegrun SPD 29. 9. 95 Kuhlwein, Eckart SPD 29. 9. 95 Leidinger, Robert SPD 29. 9. 95 Lenzer, Christian CDU/CSU 29. 9. 95 * Dr. Leonhard, Elke SPD 29. 9. 95 Löwisch, Sigrun CDU/CSU 29. 9. 95 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 29. 9. 95 Erich Marten, Günter CDU/CSU 29. 9. 95 * Meckel, Markus SPD 29. 9. 95 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 29.9. 95 Michels, Meinolf CDU/CSU 29.9. 95 * Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 29. 9. 95 Mosdorf, Siegmar SPD 29.9. 95 Nolte, Claudia CDU/CSU 29. 9.95 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 29. 9.95 Poß, Joachim SPD 29. 9. 95 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 29. 9. 95 * Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 29.9. 95 Hermann Reschke, Otto SPD 29. 9. 95 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 29. 9. 95 Schaich-Walch, Gudrun SPD 29. 9.95 Dr. Scheer, Hermann SPD 29. 9. 95 * Schenk, Christa PDS 29. 9. 95 Schloten, Dieter SPD 29. 9. 95 * Schmidt (Aachen), Ulla SPD 29. 9.95 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 29. 9. 95 * Hans Peter Schultz (Everswinkel), SPD 29. 9. 95 Reinhard Schulze, Frederik CDU/CSU 29. 9. 95 Dr. Schwall-Düren, SPD 29. 9. 95 Angelica Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 29. 9. 95 Steindor, Marina BÜNDNIS 29. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Sterzing, Christian BÜNDNIS 29. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 29. 9. 95 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 29. 9. 95 Vosen, Josef SPD 29. 9. 95 Weis (Stendal), Reinhard SPD 29. 9. 95 Wohlleben, Verena SPD 29. 9. 95 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 29. 9. 95 Zierer, Benno CDU/CSU 29. 9. 95 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 688. Sitzung am 22. September 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes - Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes - Jahressteuergesetz 1996 - Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29. Juni 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (Umweltauditgesetz - UAG) Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 27. September 1995 ihren Antrag ,,Keine Atomwaffentests durch China und Frankreich" - Drucksache 13/2251- zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wirtschaft Drucksachen 12/8220, 13/725 Nr. 90 Drucksachen 12/8466, 13/725 Nr. 93 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/8555 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/1442, Nr. 1.3 Drucksache 13/1614, Nr. 2.2, 2.12 Drucksache 13/1799, Nr. 2.1 bis 2.3 Drucksache 13/1338, Nr. 1.8, 2.3, 2.6, 2.15, 2.17, 2.22 bis 2.25 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/725, Nr. 160 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/1614, Nr. 1.10 und 1.11 Drucksache 13/1338, Nr. 1.9 Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/1338, Nr. 2.1 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/218, Nr. 89 bis 90 Drucksache 13/478, Nr. 2.1 Drucksache 13/725, Nr. 157
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dietmar Schlee


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Lieber Kollege Penner, das ist mir selbstverständlich überdeutlich, und dazu will ich gleich im Nachgang noch etwas sagen. Sie werden sich wundern, Herr Kollege, was ich dazu zu sagen habe.

    (Dr. Willfried Penner [SPD]: Ich passe genau auf!)

    Wenn wir dieses Thema jetzt angehen, dann müssen wir, glaube ich, aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Wir müssen alles tun, um neue Fehler im Vorfeld zu vermeiden. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß, wenn wir in diesem Punkt weiterkommen wollen, Mut notwendig ist, daß wirklich von uns allen ein hohes Maß an Mut und auch Risikobereitschaft gefordert wird.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich gerade „Fehler" gesagt habe, so glaube ich, Herr Kollege Körper, daß es uns keinen Schritt weiterbringt, wenn Sie in Ihren Antrag hineinschreiben, die Bundesregierung habe sich Versäumnisse anzurechnen, sie tue in diesem Bereich nicht, was sie tun sollte, und auf die Länder, auf die Kommunen verweisen. Kollege Schmidt-Jortzig hat Ihnen am Beispiel Schleswig-Holsteins - man könnte sofort drei weitere nennen - deutlich gemacht, daß diese Diskussion überhaupt nichts bringt. Sie ist zu punktuell. Wir sind, meine ich, in dieser Frage alle im gleichen Boot. Wir sollten uns dieser großen Aufgabe gemeinsam stellen und solche parteipolitischen Kinkerlitzchen, wie Sie sie in den Antrag hineingeschrieben haben, in Zukunft lassen. Das bringt die Bürger nur dazu, daß sie sich mit Grausen von all dem abwenden, was wir hier tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, Mut und Ehrlichkeit - lassen Sie mich dies mit großen Ernst sagen - sind notwendig. Dabei müssen wir uns alle eingestehen, daß wir in den 80er Jahren mit der Reform der Verwaltung nicht das erreicht haben, was wir eigentlich alle gemeinsam erreichen wollten.

    Dietmar Schlee
    Wenn vorhin wieder davon die Rede war, daß Aufgabenkritik notwendig sei, dann sage ich: Dies ist in den Gemeinden, in den Ländern und bis zu einem gewissen Grade auch im Bund in den 80er Jahren gemacht worden. Es hat uns nicht weit genug gebracht, das müssen wir einfach zugestehen.
    Oder: Wenn vorhin Kostentransparenz in der öffentlichen Verwaltung gefordert wurde, so klingt das ganz hervorragend. Eine Vielzahl von Modellen ist auf den Weg gebracht worden. Der Durchbruch ist auch in diesem Bereich nicht erreicht worden.
    Oder: Es sind neue Informationstechniken eingeführt worden, um die Verwaltung schlanker, leistungsfähiger, bürgernäher zu machen. Aber unter dem Strich ist alles - das muß man selbstkritisch feststellen - Stückwerk geblieben. Deshalb müssen wir versuchen, zu einem neuen Ansatz zu kommen.
    Meine Damen und Herren, wenn wir in der Vergangenheit zu kurz gesprungen sind, dann liegt das natürlich auch daran - ich will das ganz offen ansprechen -, daß der Leidensdruck offensichtlich nicht groß genug gewesen ist.

    (Dr. Edzard Schmidt-Jortzig [F.D.P.]: Ja!)

    Heute ist das anders. Natürlich geht es auch um das Geld, geht es um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das macht die Diskussion um diesen Wirtschaftsstandort schlaglichtartig deutlich. Es geht aber heute viel mehr als in den 80er Jahren darum, daß der Bürger mehr Freiraum haben will, daß er weg will von der Gängelung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der Punkt!)

    Wir alle sind verpflichtet, dem Willen des Bürgers, soweit das irgendwie geht, zu entsprechen. Ich nehme das auf, was der Kollege Penner vorhin, an mich gerichtet, gefragt hat: Deshalb brauchen wir entschiedenere Schritte als in den 80er Jahren. Es sind - es hat gar keinen Sinn, darüber hinwegzudiskutieren - strukturelle Änderungen notwendig. Ich will Ihnen einige konkrete Beispiele nennen.
    Wir müssen bei uns selbst beginnen. Wir alle - das ist ein Teil der Selbsterkenntnis - haben die Verwaltung zu dem gemacht, was sie heute ist. Wir haben ihr die Arbeitsstrukturen, die sie heute hat, qua Gesetz geschaffen. Deshalb hat es gar keinen Sinn und ist total falsch, irgend etwas auf die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes abladen zu wollen; das ist einfach daneben. Das müssen wir uns eingestehen. Wir müssen bei uns beginnen!

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig [F.D.P.])

    Das heißt, wir müssen mit der Deregulierung beginnen. Der Vorschriftendschungel muß durchforstet werden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen in Zukunft nur noch das an Vorschriften produzieren, was unabweisbar nötig ist. Das will der Bürger von uns und nicht irgendwelche hehren Diskussionen über Aufgabenkritik oder über Managementmethoden. Das machen wir nun schon seit vielen Jahren.
    Das heißt auch: Wir brauchen weniger und einfachere Gesetze - Gesetze, die die Verwaltung handhaben kann. Wir müssen der Verwaltung wieder größere Ermessensspielräume einräumen, die sie eigenverantwortlich ausfüllen kann und für objektive und unbestechliche Regelungen nutzen kann. Das ist ein Ansatz, der uns weiterbringen würde.
    Herr Kollege Körper, es führt kein Weg daran vorbei, alles Schönreden nützt hier nichts: Wir müssen bei der Gesetzgebung in Kenntnis der Folgekosten und auch der strukturellen Konsequenzen für die Verwaltung entscheiden. Es muß transparent gemacht werden, welche Auswirkungen eine Regelung bis hinunter in die Gemeinde, in den Betrieb, bis zum einzelnen Bürger hat. Wenn wir einem Handwerksbetrieb eine neue Statistik abverlangen, dann möchte ich wissen, wieviele Arbeitsstunden dies beim Handwerker beansprucht. Wenn ich dies nicht weiß, bin ich in Zukunft nicht mehr bereit, solchen Gesetzen zuzustimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will abwägen können. Das wäre, glaube ich, ein Schritt in die richtige Richtung.
    Wir sollten einen Schritt weitergehen - ich weiß wohl, wie schwer das ist -: Wir sollten auch überlegen - auch wenn dies methodisch nicht einfach sein wird -, uns im Sinne eines Controllings der eigenen Arbeit jedes Jahr einen Bericht darüber vorlegen zu lassen, welche Kostenfolgen die verabschiedeten Gesetze haben. Es wäre interessant, am Ende eines Jahres zu wissen: Haben wir mehr Kosten in der Wirtschaft und in der Verwaltung, auch was die Verwaltung bei den Ländern und Gemeinden angeht, produziert? Das wäre ein Ansatz, der uns weiterbringen würde.
    Ich meine, wir müssen auch zu befristeten Gesetzen und Verordnungen kommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig! Sehr vernünftig!)

    Das automatische Außerkrafttreten von Gesetzen und Verordnungen kehrt die Beweislast um und wirkt in die Richtung, wie ich sie eben beschrieben habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig [F.D.P.])

    Ein zweiter Punkt. Herr Kollege Körper, wenn wir das Haushaltsrecht flexibler gestalten und handhaben, kann die Wirtschaft, kann vor allem die Verwaltung wirtschaftlicher handeln. Ich will einige Beispiele nennen: Gegen das Phänomen des Dezemberfiebers, das wir seit 20 Jahren immer wieder beschreiben, hilft nur die Übertragbarkeit von Mitteln.

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr gut!)


    Dietmar Schlee
    Andere Beispiele sind: mehr gegenseitige Deckungsfähigkeit, die Zusammenfassung von Haushaltstiteln oder gar die Schaffung von sogenannten Globaltiteln. Nur so kommen wir weg vom kameralistischen, am Jährlichkeitsprinzip orientierten Denken und zwingen zu Kostendenken, zu Kostenverantwortung, zu Wirtschaftlichkeit.
    Aber diese Forderungen können wir nicht nur an die Gemeinden und an die Länder richten. Voraussetzung ist, daß wir als Parlament, als Haushaltsgesetzgeber, unsere Aufgabe neu verstehen. Wir üben unser Kontrollrecht nicht dann effizient aus, wenn wir im Haushalt jede Ausgabe und jeden Zweck minutiös festlegen. Viel wichtiger ist es, Ziele zu formulieren, der Verwaltung einen flexiblen Haushaltsvollzug zuzugestehen und dann über die Ergebnisse im Sinne eines Controllings zu reden. Das zu implantieren könnte uns innerhalb weniger Jahre ganz entscheidend voranbringen.
    Ein dritter Punkt. Wer neue und unkonventionelle Wege gehen will, muß Risiken eingehen. Deshalb brauchen wir Experimentierklauseln. In vielen Bereichen werden Experimente notwendig sein. Wer aber eine Experimentierklausel in ein Gesetz aufnimmt, muß für das Risiko, das er damit eingeht, natürlich auch die politische Verantwortung tragen.

    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jawohl!)

    Aber wenn wir vorankommen wollen, Herr Kollege Körper, wenn wir nicht nur über Aufgabenkritik und über Dinge sprechen wollen, über die wir immer schon geredet haben, dann müssen wir uns auf solche Experimentierklauseln verständigen.
    Ein vierter Punkt. Wir müssen den Staat wieder auf die Kernbereiche staatlichen Handelns zurückführen. Es muß Ballast abgeworfen werden.

    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Ja!)

    Lassen Sie uns die Diskussion über die Privatisierung offen führen. Sie sollten sich nicht im Vorfeld ideologisch festlegen. Es wird an der einen oder anderen Stelle neue Möglichkeiten geben. Man kann in vielen Bereichen natürlich auch darüber reden, ob die Privatisierung etwas bringt. An diesem Beispiel kann man besonders deutlich machen, daß wir gemeinsam an die Lösung dieser Probleme heran müssen.
    Wenn ich von Kernbereichen rede, gehört dazu natürlich auch die Selbstbeschränkung der Politik bei der Formulierung neuer Anforderungen an staatliches Handeln.
    Ein fünfter Punkt - Herr Kollege Schily, der weg mußte, wollte mich zu diesem Punkt eigentlich etwas fragen, hat mir das aber schon vorher übermacht -, den ich mit großem Ernst anspreche: Wir müssen den Berlin-Umzug nutzen, um die Ministerien von Vollzugsaufgaben zu entlasten. Es ist meine feste Überzeugung: Leitungsaufgaben sind im Ministerium zu
    erfüllen, Vollzugsaufgaben in den nachgeordneten Behörden.
    Dann können wir auch innerhalb der Behörden eine schlankere Struktur erreichen und - ich will das nur zu bedenken geben; ich weiß, daß viele völlig anderer Meinung sind - vielleicht eine Hierarchieebene, z. B. die Ebene der Unterabteilungsleiter in den Ministerien, herausnehmen. Lassen Sie uns darüber diskutieren. Ich will unterstreichen, was vorhin gesagt wurde: Wir als Bund müssen auch in bezug auf die Ministerien vorangehen, wenn wir in den Ländern und den Gemeinden glaubwürdig sein wollen.
    Sechster Punkt. Wir brauchen einen vernetzteren Ansatz, als wir ihn heute haben. Es reicht nicht aus, wenn wir nur eine Körperschaft betrachten. Wir müssen die Zusammenhänge sowohl in der Rechtssetzung als auch beim Vollzug zwischen EU, Bund, Ländern und Gemeinden im Auge behalten. Ich unterstreiche die Einbeziehung der EU. Wenn wir in unsere Reformüberlegungen die Europäische Union und all das, was sie anrichtet - ich sage das einmal so salopp -, nicht mit einbeziehen, dann werden wir sicherlich der Aufgabe nicht gerecht, die uns gestellt ist.
    Siebter Punkt. Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir - das ist vorher angeklungen; ich glaube, Sie, Herr Körper, haben es gesagt; der Kollege Oswald hat es ebenfalls gesagt - natürlich die Mitarbeiter im öffentlichen Bereich einbinden. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Wir dürfen dem öffentlichen Sektor nicht nur Reformen von außen aufdrängen. Wir müssen in den Verwaltungen selbst einen Innovationsprozeß in Gang setzen. Das ist ja schon einmal in einem Bundesland - ich will den Namen nicht nennen - in den 80er Jahren gemacht worden. Es sind 70 Modellprojekte in die Verwaltung hineingetragen, mit der Verwaltung erarbeitet worden. Das hat den Schwung, die Dinge zu reformieren, entscheidend gefördert.


Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluß kommen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dietmar Schlee


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Das will ich gerne tun.
    Hinter diesem Punkt verbirgt sich, meine ich, folgendes: Eigenverantwortung statt Hierarchie, Wettbewerb statt Monopol, Resultate statt Regeln. - Das wären die Überschriften, die wir gerade auch für diesen Bereich bräuchten.
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, wie gesagt, wir stehen vor einer ganz, ganz großen Herausforderung. Wir sollten alle zusammen versuchen, dieser großen Herausforderung gerecht zu werden.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)