Rede von
Prof. Dr.
Edzard
Schmidt-Jortzig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Liebe Frau Sonntag-Wolgast, ich habe eben versucht, deutlich zu machen, daß ich der Landesregierung in Schleswig-Holstein u. a. vorwerfe, daß sie bei dem Thema Aufgabenkritik nichts anderes zustande gebracht hat, als mehr Aufgaben aufzugreifen.
- In der Tat, das hat die Landesregierung Schleswig-Holsteins getan. Sich deswegen an die Spitze des Fortschrittes zu stellen, wenn es auch um die Aufgabenkritik geht,
stimmt mich jedenfalls nicht besonders überzeugt. Im übrigen sieht die betroffene Landespolizei die Aussage von den zusätzlichen Stellen ganz anders, wie Sie in dem letzten Manifest auch nachlesen können. Das sind Rechenkunststücke, die da die Stellen vermehrt haben wollen. Aber wie auch immer, 454 Stellen in sieben Jahren bei einem Land der Größenordnung Schleswig-Holsteins ist schon bemerkenswert.
Was die Reform des öffentlichen Dienstrechts anbetrifft, hört man von der Frau Ministerpräsidentin einzig den stereotypen Ruf nach einer Grundgesetzänderung, von der Frau Simonis allerdings genau weiß, daß sie dafür schon im Bundesrat keine, geschweige denn, eine ausreichende, Mehrheit bekommt.
Bei näherem Hinsehen staunt man ohnehin, daß Frau Simonis nicht etwa den Art. 33 Abs. 4 GG mit dem „Funktionsvorbehalt" geändert haben will, sondern den anschließenden Abs. 5 mit den „hergebrachten Grundsätzen". Dabei sollte doch eigentlich hinlänglich bekannt sein, daß diese Einrichtungsgarantie einer „vernünftigen Fortentwicklung" des Beamtenrechts keinesfalls im Wege steht, wie das Bundesverfassungsgericht zu betonen nicht müde wird.
Meine Damen und Herren, wer so offenkundig seine Schutzschilde aufbaut, hinter denen er bzw. sie getrost jede tatsächliche Veränderung vermeiden kann, darf bei dem zentral wichtigen Thema der Verwaltungsreform nun wirklich nicht auf andere zeigen. Ich denke also, wir sollten, wenn es uns um die Sache zu tun ist, ganz rasch solche durchsichtigen und unergiebigen Verantwortungsabschiebungen unterlassen.
- Jetzt komme ich zur Sache.
Sie haben aber in Ihrem schönen Antrag selber eingeführt, daß der Bund gar nichts macht und die Länder so toll sind. Das ist wirklich voll neben der Sache.
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Ich sage den Antragstellern gerne - ich habe das schon vorhin hoffentlich an der richtigen Stelle deutlich genug für das Protokoll durch den gezielten Beifall bei einzelnen Punkten zum Ausdruck gebracht -, daß ich ihrem Aufruf, für die Bundesministerien nicht nur eine Dienstrechts-, sondern auch eine Verwaltungsreform durchzuführen, und zwar sowohl in der Aufbau- wie in der Ablauforganisation, nur vollauf beipflichten kann.
Dekonzentration, also Entzerrung und Ausfächerung, ist die Devise. Kleinere, möglichst selbständig und ganzheitlich produzierende Arbeitseinheiten bringen offenkundig bessere Ergebnisse als arbeitsteilig in die Großorganisation eingebundene Wirkungsformen. Da, wo Verwaltung nicht nur aus Routine besteht, erweist sich eben ergebnisorientierte Arbeit der Menschen in individueller Aufgabengesamtverantwortung als qualitativ und aufwandsbezogen besser. Volle Unterstützung also in diesen Punkten für Ihren Antrag!
Zur wirklich eigenverantwortlichen und flexiblen Kleingruppenarbeit gehört sicher auch weitgehende Disponibilität der bereitgestellten Finanzmittel, Budgetierung also, Outputorientierung statt Inputorientierung. Das ist ja im Grunde auch unstreitig. Wir geben also unsere Zustimmung: Ergebniskontrolle statt Verfahrenskontrolle.
Zustimmung erhalten Sie, Herr Kollege Körper und natürlich auch Herr Kollege Schily - Sie beide haben diese Dinge ja der Öffentlichkeit vorgestellt -, von mir auch für Ihr Plädoyer für eine Stärkung von Selbstorganisation und Innovation der jeweils einzelnen Verwaltungsträger. So ist es bei Ihnen ausdrücklich formuliert. Dazu kann ich nur sagen: Es lebe die dezentrale Organisationshoheit!
Patentrezepte, einfache Nachahmungen von Modellen oder gar praxisferne Fremdanweisungen führen sicher nicht zum Ziel; gefragt ist vielmehr die konkrete Verwaltungskunst, die organisatorische Feineinstellung in jedem Arbeits- und Behördenbereich selber.
Meine Damen und Herren, zur Reform des öffentlichen Dienstrechts kann ich mich aus Zeitgründen jetzt nicht mehr im einzelnen äußern. Ich habe aber gehört, dazu wird in dieser Debatte noch im einzelnen Stellung genommen. Wir werden an anderer Stelle sicher Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen. Es liegen ja auch die „Eckwerte" der Koalition vor. Die Gespräche - ich habe schon darauf hingewiesen - mit den anderen Ebenen und Seiten scheinen mir durchaus erfolgversprechend zu sein, wenngleich etwa - dazu noch ein paar kurze Bemerkungen - über die Stellenobergrenzen und den Gedanken, Führungspositionen auf Zeit zu vergeben, intensiv miteinander gesprochen werden muß.
Hinsichtlich der strengen Stellenobergrenzen von Bundes wegen sage ich Ihnen ganz unverhohlen meine Sympathie, daß man diese auflockern sollte,
sei es durch Wegfall, sei es durch eine Öffnungsklausel, um sie für die Länder flexibel zu machen.
Zu den Führungspositionen auf Zeit, die von Ihnen sehr heftig verlangt werden, überwiegt bei mir die Skepsis ganz deutlich. Die Koalition hat für diese Führungspositionen ihr Modell von Erprobungszeiten in die Debatte eingebracht. Mir scheint, Führungspositionen auf Zeit würden die politische - um es deutlich zu sagen: die parteipolitische - Unabhängigkeit der betreffenden Beamten in führenden Positionen in Frage stellen, insbesondere nachdem in der Diskussion Beispiele fallen und nicht mehr nur von Regierungspräsidenten die Rede ist, sondern auch von Schulleitern. Wollen Sie einen Schulleiter, der sich innerhalb von fünf Jahren politisch nicht bewährt hat, wieder absetzen? Das ist doch wohl nicht im Sinne des Erfinders.
Warum macht man nicht mit Blick auf Bayern von dieser Möglichkeit etwa bei politischen Beamten größeren Gebrauch? Das würde sicherlich nicht für die Schulleiter gelten; wenn es für die gelten würde, wäre das, glaube ich, auch sehr schlimm. Warum tritt man nicht der Überlegung näher, die ganz interessant ist - ich denke dabei auch an den Fall des hessischen Staatssekretärs eines ganz bestimmten Ministeriums -, politische Beamtenstellen auf Zeit zu schaffen? Wäre es nicht interessant, einmal politische Beamte auf Zeit ins Visier zu nehmen? Aber das bitte nur als Anregung zu dem Punkt Führungspositionen auf Zeit, Führungspositionen auf Bewährung. Da werden wir mit Sicherheit noch ins Gespräch kommen müssen.
Zu zwei Dingen in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der SPD, möchte ich noch etwas kritisch anmerken. Zum einen geht es dabei - ich nehme an, das ist nur eine Auslassung - um die zu Recht angemahnte Aufgabenkritik. Herr Kollege Körper, Sie haben in Ihrem Antrag die Sicherung der bürgerlichen und sozialen Grundrechte, die Abwehr ökologischer Gefahren, die Setzung ökonomischer Rahmenbedingungen, die Gewährleistung eines modernen Bildungswesens und einer leistungsfähigen Infrastruktur als Fächer der von Ihnen vorgestellten Kernaufgaben angeführt.
Bereits bei der „Setzung ökonomischer Rahmenbedingungen" würde ich, wie Sie sich vorstellen können, aus meinem liberalen Herzen heraus zur Vorsicht mahnen. Denn da öffnen sich dem Staat allzu viele Einfallstore, um regulierend und bevormundend in die Abläufe - nicht nur die merkantilen, sondern auch die ganz tagtäglichen - einzugreifen, was dieselben mindestens potentiell wieder stört und hemmt.
Statt dessen fehlt aber in Ihrer Aufzählung ein ganz wichtiger Komplex unabdingbarer Staatsaufgaben - ich nehme an, daß er nur vergessen worden ist -, nämlich jener, der sich mit der Sicherheitsgewährleistung für die Menschen nach innen wie nach außen beschäftigt. Streitkräfte, Polizei und Justizdienste mögen nicht in jedermanns Sonntagsgemälde vom schönen, sanften Staat passen, sind aber realistischerweise völlig unersetzlich. Sie sind übrigens in Ihrem Leitantrag zum SPD-Bundesparteitag
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
auch auf diesen Punkt eingegangen, aber in Ihrem Antrag heute fehlt er.
- Gut.
Gerade in diesem Bereich lassen sich personelle Ressourcen eben nur sehr begrenzt einsparen. Um so mehr dürften dort neue Konzepte der Personalführung, des technischen Outsourcing und der gestrafften Dienstabläufe gefragt sein.
Zum zweiten will ich doch noch ein Wort zur Privatisierung sagen, die bei Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, leider, wie ich finde, wieder einmal viel zu ideologisch voreingenommen abgehandelt wird.
Schon aus Rechtsgründen darf eine reale Übertragung öffentlicher Aufgaben auf Private nur stattfinden, wenn der bisher tätige Verwaltungsträger sie selber privatrechtlich erfüllen dürfte, seine Zuständigkeit nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist und die Eigenart der Aufgaben, wie es in manchen Vorschriften ausdrücklich steht, oder ein überwiegendes öffentliches Interesse der Übertragung nicht entgegensteht. Darüber sollte Konsens bestehen.
Verschwiegen werden darf aber auch keineswegs - das gehört zur Privatisierung dazu; das weiß eigentlich auch jeder -, daß unter Umständen Garantenpflichten zur Ausgleichsleistung zwingen, also die Einschaltung Privater keineswegs immer nur finanzentlastend abläuft.
Privatisierungen kommen vielmehr auch unter Kostengesichtspunkten schon deshalb häufig ins Kalkül, weil dadurch unternehmerisches Interesse, bürgerliches Kapital und individueller Kräfteeinsatz aktiviert werden können. So schafft man wieder produktive Arbeitsplätze und wirtschaftet eben solide.
So pauschal gegen die Privatisierung zu Felde zu ziehen, wie Sie es in Ihrem Antrag tun, ist also nicht sehr angemessen. Man braucht auch gar nicht die Aufgabenzuständigkeit selber auf Private zu übertragen, sondern kann die Privaten durchaus unselbständig in ein behördlich bleibendes Erledigungsregime einbeziehen.
Schließlich sei der Vollständigkeit halber noch deutlich gesagt, daß man manche freiwillige eigene Aufgabe gar nicht erst aufgreifen müßte, sondern durch behutsame oder gezielte Einwerbung dritter Unternehmensinteressen die Sache von vornherein in privatwirtschaftliche Bedarfsdeckung einmünden lassen kann.
Insofern fand ich übrigens die, wenn ich es einmal so
übersetzen darf, Subsidiaritätsideen, die Frau Kollegin Vollmer hier vorgetragen hat, durchaus interessant.
Wenn es einem wirklich um Verwaltungsreform zu tun ist, um schlanken Staat und mehr Kostentransparenz und Wettbewerb, dann sollte man auch beim Thema Privatisierung die Scheuklappen ablegen und unvoreingenommen die dortigen Effektivierungsmöglichkeiten ausschöpfen.
Insgesamt, meine Damen und Herren von der SPD, freuen wir uns also auf die eingehende Sachdiskussion mit Ihnen. Wenn Sie da ohne Vorurteile mitmachen wollen, dann bringen wir dieses zentrale Anliegen des Koalitionsprogrammes auch entscheidend voran.
Eine Steigerung der Handlungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung bringt letztlich zudem bessere Leistungen für den Bürger, und das muß ja wohl unser aller Ziel sein.
Besten Dank.